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Initiative für Wohlfühlfaktor

Touristen kommen oft nur für einen Tag: Wie der Landkreis Karlsruhe attraktiver werden will

Touristen kommen häufig fürs Fahrradfahren, Wandern oder Wein trinken in den Landkreis Karlsruhe. Oft bleiben sie aber nur einen Tag. Architektur-Projekte und die Zusammenarbeit mit Winzern könnten sie künftig zum Übernachten anregen.

Natur in Stadtnähe: Die Landschaft im Landkreis Karlsruhe zieht Touristen etwa zum Radfahren heran. Um diese auch länger dort zu halten, will die Initiative „Baukultur Kraichgau“ zu Bauprojekten motivieren.
Over-Tourism ist out, sagt die Chefin von Kraichgau-Stromberg-Tourismus. Der Kraichgau will jetzt als Urlaubsland punkten. Foto: Fabry (Archiv)

Aufmerksamkeit, die in anderen Regionen durch Seen oder Wälder geschaffen wird, entsteht im Landkreis Karlsruhe durch Weinberge, Fahrradstrecken und Wanderrouten. Touristen reisen dafür etwa in den Kraichgau – allerdings oft nur für einen Tag, wie Christina Lennhof, Geschäftsführerin des Vereins Kraichgau-Stromberg Tourismus, erklärt.

Für den nötigen Wohlfühlfaktor brauche es aber auch die richtigen Gebäude. Wie diese aussehen könnten, damit beschäftigt sich die Initiative „ Baukultur Kraichgau “.

„Wir sind kein traditionelles Tourismusgebiet wie der Schwarzwald oder der Bodensee“, so Lennhof. Dazu fehle es unter anderem an Hotels. „Die Besenwirtschaften sind voll. Gerade in den Bereichen Wandern und Radfahren ist hier viel los“, sagt sie weiter. „Wir konzentrieren uns auf den Tagestourismus.“

Das Ziel sei es, daraus Übernachtungstourismus zu generieren. Mit Blick darauf müsse die Region aber noch nachlegen.

Weingüter sind Anziehungspunkte

„In einem tollen Hotel bleibt ein Gast auch zwei, drei Tage“, so Lennhof. Besonders die Weingüter könnten als Anziehungspunkte aufrüsten. „Sie müssen ihre Qualität auch nach außen widerspiegeln“, sagt sie weiter.

Nach Angaben von Kraichgau-Stromberg Tourismus sind dort die Ankünfte und Übernachtungen zwischen 2010 bis 2018 stetig gestiegen. 2019 folge erstmals wieder ein leichter Rückgang um rund 2,9 Prozent sowie ein Prozent pro Bereich.

Viele Übernachtungen werden nicht gezählt

In der Statistik befänden sich nur Zahlen von Betrieben mit über zehn Betten. Die kleinen Häuser, Winzer- und Bauernhöfe, die typisch für die Region seien, würden nicht geführt, erklärt Lennhof.

Insgesamt geht sie von weit über einer Millionen Übernachtungen aus. Der Gewinner im Jahr 2019 mit Blick auf Übernachtungen war die Stadt Bruchsal.

„Es ist alles da“, sagt Alexander Grube, Vorsitzender der Architektenkammer im Bezirk Karlsruhe. Man müsse Räume schaffen mit Wohlfühlcharakter und damit das Interesse der Menschen wecken. So könne man Tourismus generieren, wie man ihn im Schwarzwald geschaffen habe.

Mit der Initiative „Baukultur Kraichgau“ seien die ersten Schritte getan. „Es wäre zu schade, das jetzt versanden zu lassen“, sagt Grube.

Die Region müsse sich gegen umliegende Wettstreiter behaupten. Das Wichtigste sei es jedoch, authentisch zu bleiben. „Aspekte, welche die Orte geprägt haben, muss man erkennen und würdigen. Darüber hinaus sollte man im Jahr 2020 in der Lage sein, diese Dinge fortzuschreiben“, so Grube. Besonders in der Verbindung von Stadt und Natur liege die Stärke des Landkreises.

Es könnte aber noch etwas mehr Pfiff dahinterstehen.
Alexander Grube, Vorsitzender der Architektenkammer im Bezirk Karlsruhe

Architektonische Projekte rufen oft Ängste bei den Bauherren vor der Bausubstanz oder vor behördlichen Auflagen hervor, beobachtet er. Positiven Einfluss auf das Gesamtpaket hätten bereits kleine Dinge. „Es könnte aber noch etwas mehr Pfiff dahinterstehen“, so Grube.

Er setzt auf eine Mischung aus Authentizität und Individualität. Die Architektur sei für ihn der Schlüssel zum wachsenden Tourismus.

Weingut Klumpp in Bruchsal ist ein Vorreiter

Vorreiter hierfür sind etwa die Alte Tabakscheune in Bretten sowie das Weingut Klumpp in Bruchsal. „Wir haben die Notwendigkeit gesehen, in unseren Neubau zu investieren“, sagt Ulrich Klumpp.

Im Kraichgau gebe es keine historische Gebäudesubstanz. Die müsse man eben durch moderne Alternativen ersetzen. Durch die Auswahl an Materialien habe man im Weingut die Verbindung zur Region erhalten: Das beste Beispiel sei hierfür der Tisch aus Eiche, einem Holz das auch im Kraichgau produziert wird.

Kurzurlauber kommen zum Radfahren und Wein trinken

„Wir werden von vielen Gästen angefahren, die inzwischen auch von weiter weg kommen“, sagt Klumpp. „Es reisen immer mehr Gruppen für einen Kurzurlaub an“, beobachtet er.

Besonders Radfahrer und Wanderer würden die Landschaft im Kraichgau schätzen, bestätigt er die Eindrücke von Lennhof und Grube. „Diese Gruppen buchen immer häufiger Abendveranstaltungen bei uns“, erklärt er weiter. Oftmals entstünden daraus dann Übernachtungen in den umliegenden Hotels. „Wir sind bis November 2020 so gut wie ausgebucht“, so Klumpp.

Wir müssen nicht durch Prunk begeistern.
Ulrich Klumpp vom Weingut Klumpp in Bruchsal

„Es gibt tolle Konzepte in der Region, die in die richtige Richtung gehen – nur noch viel zu wenige davon“, bedauert er. Als Fazit aus seinem eigenen Projekt ermutigt er auch andere Winzer-Kollegen zu mehr Eigeninitiative. Diese und die Hoteliers könnten schließlich voneinander profitieren.

„Unsere Kundschaft hat sich durch den Neubau verändert“, sagt Klumpp. Die Verweildauer sei wesentlich länger als früher. „Wir müssen nicht durch Prunk begeistern. Aber die Leute sollen sich wohlfühlen.“

Eine Podiumsgespräch zur „ Baukultur Kraichgau “ findet am Dienstag, 10. März, um 19 Uhr, im Architekturschaufenster in Karlsruhe statt. Die Ausstellung ist dort nach vielen Stationen im Landkreis noch bis 27. März zu sehen.

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