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Streit im Ausschuss

Reform in Rekordzeit? Erstaunen im Ortenaukreis über Klinikum Mittelbaden

Eigentlich hätte man im Krankenhausausschuss des Offenburger Kreistags über das Millionendefizit reden müssen, das Corona an den Kliniken hinterlassen hat. Doch lieber noch stritt man wieder einmal über die Klinikreform. Dabei richtete sich der Blick nach Norden.

Leere Betten stehen in einem Zimmer in der chirurgischen Klinik.
Leere Betten während Corona: Das Ortenau Klinikum war nur zu 50 Prozent ausgelastet. Das hat jetzt erhebliche finanzielle Folgen. Foto: Ronald Wittek

Wer hätte das erwartet. Die Debatte über ein 39 Millionen Euro großes Finanzloch beim Ortenau Klinikum im laufenden Jahr geriet im Krankenhausausschuss des Kreises zur Grundsatzdebatte über die Klinikreform. Wieder einmal. Diesmal allerdings lag auf dem Üblichen Hin und Her ein besonderer Akzent: Der Blick nach Norden. Dort nämlich plant das Klinikum Mittelbaden die Zusammenfassung seiner Standorte zu einem einzigen Großkrankenhaus – und das in Rekordzeit.

Eine Idee, die man auch im Ortenaukreis in der Schublade hatte – die aber nicht zuletzt aus politischen Gründen verworfen wurde. Vor allem aber: Man will in Mittelbaden bis 2028 fertig sein. Und das, so wie es bislang scheint, ganz ohne die Verwerfungen, die sich seit Jahren durch den Ortenaukreis, den Kreistag, ja selbst einzelne Gemeinden wegen der Klinikreformziehen. „Als geneigter Zeitungsleser würde man schon denken, wie seicht das in Rastatt und Baden-Baden über die Bühne geht“, merkte Landrat Frank Scherer nicht ganz ohne einen sehnsuchtsvollen Unterton ein. Denn im Ortenaukreis wird weiter geharzt.

Der Vollständigkeit halber: Der Nachtragsetat für das Krankenhaus, notwendig nicht zuletzt durch die millionenschweren Corona-Aufwendungen (der ABB berichtete), wurde durchgewunken. Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung wird er nun dem Kreistag zum Beschluss empfohlen. Er enthält unter anderem 55 Millionen Hilfen von Bund und Land für das Klinikum, das wegen Corona ausgerechnet auf die besonders lukrativen Leistungen verzichten musste: „Wir haben die Häuser mit einer Auslastung von 50Prozent gefahren“, merkte Klinik-Geschäftsführer Christian Keller an.

Corona riss Löcher in die Bilanz

Das hatte millionenschwere Löcher in die Bilanz gerissen. Dies freilich zur Unzeit: Auch ohne Corona hätte der Klinikkonzern im laufenden Jahr mehr als 23 Millionen Euro Verlust geschrieben; die Prognose für die kommenden Jahre ist, allen Einsparungen zum Trotz, nicht sehr viel rosiger. Acherns Oberbürgermeister Klaus Muttach wies auf weitreichende Konsequenzen hin: Derzeit müsse man damit rechnen, dass 280 Millionen Euro Verlust auflaufen, eine Summe, die zu einer negativen Eigenkapitalquote führen könnte.

Einfacher gesagt: in die Insolvenz.„Wir haben unbestritten ein Problem mit den auflaufenden Verlusten“,sekundierte Landrat Frank Scherer, der allen Debatten zum Trotz die Klinikreform vorantreibt. So läuft in Achern und Offenburg jetzt der Architektenwettbewerb an, im kommenden Frühjahr (Achern) und Frühsommer (Offenburg) sollen bereits die Vergabeempfehlungen gefasst werden, danach könnte es eigentlich losgehen. Die aktuelle Planung sieht vor, dass das Offenburger Haus bis 2030 fertig ist, „in Achern gehen wir davon aus, dass wir ein oder zwei Jahre schneller bauen können“.

Auf den Weg gebracht hat der Ausschuss am Dienstag auch die Vergabe der Architekten- und Fachplanungsleistungen für Lahr,wo das zweitgrößte Haus im Kreis umfassend saniert werden soll. Auch das ein Mammutvorhaben, das am Anfang der Agenda 2030 in dieser Dimension noch nicht auf der Tagesordnung stand. Bis zu 183 Millionen Euro werden nach heutigen Maßstäben investiert. Die Bauphase zieht sich, in drei Abschnitten, bis zum Jahr 2033 hin.

Bleibt also noch die neuerliche Grundsatzdebatte über die Agenda 2030, die meist vom Versuch der Reformgegner geprägt ist, das Unausweichliche wenigstens noch aufzuweichen. Rhetorisch den Vogel abgeschossen hat dabei, einmal mehr, Karlheinz Bayer (FDP). „Setzen wir uns doch mit den Kollegen im Norden zusammen, um gemeinsam über eine Agenda 2040 zu entscheiden“, regte er im Blick auf die Pläne der Klinikums Mittelbaden an.

Baum appelliert an Reformgegner

Zuvor bereits war Grünen-Fraktionschef Alfred Baum grundsätzlich geworden – allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Der Ortenaukreis versuche, anders als die umliegenden Kreise, noch ein wenig Präsenz in der Fläche zu erhalten: „Wir dürfen uns groß auf die Fahne schreiben, hier etwas zu tun, was sich andere nicht trauen“. Baum appellierte daher an die Reformgegner, sich zu überlegen, ob ihr Widerstand nicht letzten Endes zum Gegenteil von dem führe, was sie eigentlich erreichen wollen.

Ähnlich Jens-Uwe Folkens, seit 40 Jahren an Kliniken tätig,zuletzt als Chefarzt: Seit seinem Dienstbeginn 1974 hätten sich die Krankenhäuser in etwa so entwickelt wie eine Dorfschmiede zum High-Tech-Betrieb. Doch die Klinikstruktur stamme noch aus der Zeit vor 40 oder50 Jahren.

Bruno Metz (CDU), Ettenheimer Bürgermeister und Kämpfer für den Erhalt des dortigen Klinikums, ah zumindest einen Lichtblick: „Ich bin froh, dass wir nicht den Weg des Klinikums Mittelbaden gegangen sind“.

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