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Gespräch mit Gründer

Der vergangene Glanz von Pforzheim: Facebook-Gruppe zeigt historische Fotos

Mit historischen Fotos zeigt der Pforzheimer Rüdiger Bär, wie schön die Goldstadt vor dem Zweiten Weltkrieg war. Der Hobbyfotograf will mit seinen Bildern, die Internet für Furore sorgen, aber auch die Geschichte der Stadt wach halten.

Eine hübsche Stadt war Pforzheim vor dem Zweiten Weltkrieg. Rüdiger Bär zeigt ein Bild vom Leopoldplatz 1914 aus seiner Sammlung. Der Fotograf des historischen Bildes ist wie bei vielen der alten Aufnahmen unbekannt.
Eine hübsche Stadt war Pforzheim vor dem Zweiten Weltkrieg. Rüdiger Bär zeigt ein Bild vom Leopoldplatz 1914 aus seiner Sammlung. Der Fotograf des historischen Bildes ist wie bei vielen der alten Aufnahmen unbekannt. Foto: Ochs

„Pforzheim ist so hässlich.“ Dieses typische „Gebruddel“ ist Rüdiger Bär irgendwann so auf die Nerven gegangen, dass er beschlossen hat, zu zeigen, wie schön die Stadt einmal war – und an vielen Stellen immer noch ist. Vor sechs Jahren hat er die Facebook-Gruppe „Pforzheim – Zeitreise von damals bis heute“ gegründet. Und die Mitgliederzahl geht seitdem durch die Decke.

Dass an der Stelle des Einkaufszentrums Schlössle-Galerie vor dem Zweiten Weltkrieg eine Villa stand – das „Bohnenberger Schlössle“, nach dem der Platz benannt ist – das wissen fast nur noch die älteren Pforzheimer. Rüdiger Bär zeigt auf seinem Tablet ein Bild des herrschaftlichen Gebäudes und erzählt, dass sich unter der Villa ein Weinkeller befand, der im Krieg als Luftschutzkeller genutzt wurde.

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Wo heute das Einkaufszentrum Schlössle-Galerie steht, befand sich früher die Villa, die im Volksmund Bohnenberger Schlössle genannt wurde. Archivfoto: Bär Foto: None

Dank Schmuckindustrie wohlhabende Stadt

Ein anderes Bild zeigt die Zerrenner Straße anno 1905. Im Vordergrund steht eine Dame im schwarzen rokoko-artigen Kleid und im Hintergrund sieht man die Synagoge – hier steht heute das Volksbankhaus.

„Pforzheim war damals eine wohlhabende Stadt – dank der Schmuckindustrie“, erzählt Bär, für den die Fotos auch eine Möglichkeit sind, die Geschichte und Entwicklung der Goldstadt in Erinnerung zu rufen. Und zu erklären, warum die Innenstadt heute so aussieht, wie sie aussieht.

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Nicht wiederzuerkennen: Die Zerrenner Straße im Jahr 1905 mit der Synagoge im Hintergrund. Archivfoto: Bär Foto: None

Stadtväter mit Vision einer modernen Industriestadt

Nach dem Angriff am 23. Februar 1945 wurden bekanntlich 98 Prozent der Innenstadt zerstört und nach offizieller Schätzung rund 17.600 Menschen getötet. „In der Poststraße beispielsweise blieb kein Stein auf dem anderen“, so Bär. Nach dem Krieg brauchte man dringend Wohnraum und das möglichst schnell. „Die Stadtväter hatten außerdem die Vision von einer modernen Industriestadt“, erklärt Bär.

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Lauschig: Der Sedanplatz, dem der Volksmund in den 40er-Jahren schon ein zweites "s" verpasste. Der Name bezieht sich auf den Gedenkstein zur Schlacht von Sedan. Archivfoto: Bär Foto: None

Für den gelernten Goldschmied ist der Werdegang der Stadt stark an die Schmuckindustrie gekoppelt. Die negative wirtschaftliche Entwicklung führt er vor allem darauf zurück, dass die Schmuckindustrie in den vergangenen Jahrzehnten stark geschrumpft ist. Vor dem Krieg arbeiteten 35.000 Menschen in Pforzheim und Umgebung in der Schmuckindustrie – bei einer Einwohnerzahl von 75.000. In den 90er Jahren waren es nur noch 11.000 Schmuckschaffende und heute sind es nur noch 2.000. Gut findet Bär, dass die Stadt derzeit viel investiert – etwa in die Fußgängerzone. Auch das Projekt „Innenstadtentwicklung-Ost“ sieht er positiv.

Seit 20 Jahren sammelt Bär historische Fotos

Rüdiger Bär ist in der Nordstadt aufgewachsen und hat bis 2016 in Huchenfeld gewohnt. Seine Verbundenheit mit der Stadt ist ungebrochen, auch wenn er aus beruflichen Gründen inzwischen in Mönsheim lebt. Der 57-Jährige arbeitet als Betriebsrat und Verfahrensmechaniker in einer Firma in der Enzkreis-Gemeinde. In seiner Freizeit sammelt er seit 20 Jahren Fotos von Pforzheim.

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Ein Bild aus Rüdiger Bärs Sammlung zeigt den Blick von der Rossbrücke auf das E-Werk. Archivfoto: Bär Foto: None

Unzählige Bilder, Bücher, Schriften, Kalender und Postkarten hat er gelagert und viele digitalisiert. Gekauft hat er die Schätze entweder auf Sammlerbörsen oder über eBay. Es kommt auch vor, dass Leute auf ihn zukommen, die historische Bilder auf ihrem Speicher oder bei Haushaltsauflösungen gefunden haben und von seiner Sammelleidenschaft wissen.

Stadtplan von 1860 als Schmuckstück

Ein Schmuckstück seiner Sammlung ist ein Stadtplan von 1860. Und das älteste Bild, das er besitzt, stammt von 1888 und zeigt das drei Jahre später abgebrannte Pforzheimer Rathaus. Die besten Bilder teilt er mit der Facebook-Gruppe – 8.800 Mitglieder sind es derzeit. Tendenz steigend.

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Die Stadtkirche 1907. Archivfoto: Bär Foto: None

Viele Ex-Pforzheimer schreiben ihm und sind begeistert von den Bildern und der Möglichkeit, über die Fotos im Internet zumindest virtuell die Verbindung zu ihrer Heimatstadt zu halten. Grundsätzlich sei der Tenor unter den Gruppenmitgliedern aber klar: „Früher war Pforzheim schön und heute ist es hässlich.“ Das lese er zehnmal am Tag, sagt Bär, der das gar nicht so sieht und mit seinen Bildern erreichen will, dass der Betrachter die Stadt mit anderen Augen sieht. „Pforzheim hat heute einfach nur ein anderes Gesicht und es gibt durchaus schöne Ecken“, betont der 57-Jährige.

Früher war Pforzheim schön, und heute ist es hässlich

Er schätzt das Angebot in der Stadt und die kurzen Wege. Auch Leute von außerhalb fänden die Stadt lange nicht so negativ wie viele Pforzheimer selbst, hat Bär die Erfahrung gemacht.

Als nächstes plant der Hobbyfotograf ein Projekt, mit dem er die Veränderungen bestimmter Straßen im Zentrum über einen längeren Zeitraum dokumentieren will. Dabei hofft er auf die Kooperation des Stadtarchivs, dem er seine Sammlung irgendwann ganz überlassen möchte, wie er sagt.Fotos betrachten und Fotografieren ist für Bär ein entspannender Ausgleich zum stressigen Job.

In seiner Freizeit wandert oder radelt er gerne. Seine digitale Spiegelreflexkamera hat er immer dabei. Bei Ausflügen durch die Lande hält er Stadtansichten, Landschaften und Häuser fest – etwa in Tübingen oder Maulbronn. Sein Bild von den Stelen auf dem Wallberg hat es sogar auf das Cover eines Kalenders geschafft.

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