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Keine Einnahmen wegen Corona

Kirmes-Betreiber schlagen Alarm: Mit den Schaustellern sterben die Volksfeste

Karl Müller ist 69 Jahre alt und hat sein Leben lang auf Jahrmärkten gearbeitet. Aufgrund der Corona-Beschränkungen macht sich der erfahrene Schausteller akute Sorgen um den Traditionsberuf. Müller sagt: „Mit uns Schaustellern sterben die Volksfeste."

Abgesagt: Karl Müller vom Pforzheimer Schaustellerverband sitzt nach der Absage des Weihnachtsmarktes in Stuttgart auf einer LKW-Ladung Lebkuchen.
Fordert Glühwein-Verbot: Karl Müller (Archivbild) vom Pforzheimer Schaustellerverband sitzt nach der Absage des Weihnachtsmarktes in Stuttgart auf einer LKW-Ladung Lebkuchen. Foto: Daniel Streib

Als Müller die hellblauen Stahltore seiner Lagerhalle öffnet, blitzt ein zwölf Meter langer Oldtimer hervor. Ein 50 Jahre alter Wohnwagen mit einem Klingelschild aus Messing, „Petersburger Schlittenfahrt“ steht darauf.

In Karl Müllers Halle ist ein ganzes Berufsleben geparkt: Weihnachtssbude, Kirmeszubehör, Imbisstände in Mais-Optik. Alles wohl geordnet, geputzt, gewartet. Seit mehr als 50 Jahren ist Müller Schausteller. Er sagt: „Ich habe ja jetzt Zeit."

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maisman schausteller Foto: None

Dann erzählt er von seiner Schwiegermutter, die mit ihren 86 Jahren auch in diesem Jahr wieder an der Kasse des „Musikexpress“ sitzen wollte. „Sie kann es nicht verstehen, dass jetzt gar nichts mehr gehen soll. Sogar direkt nach dem Krieg sei mehr gegangen, sagt sie und ich muss sie dann beruhigen.“ Karl Müller will die Situation mit Fassung tragen, keiner könne etwas dafür. „Es ist eine Fügung von oben“, findet er.

Schausteller wollen Schutzschirm

Allerdings fordert er auch, dass die Schausteller nicht schlechter gestellt werden als andere Branchen. „Wenn gigantische Firmen wie die Lufthansa einen Schutzschirm bekommen, dann kann man zu uns nicht sagen, hättet ihr mehr auf die Seite gelegt.“

Müller, der auch Vizechef des Pforzheimer Schaustellerverbandes ist, schätzt, dass ohne schnelle Hilfen etwa ein Drittel seiner Kollegen mittelfristig pleite geht.

„Wir haben seit Weihnachten Umsatz null, wenn jetzt der eine oder andere hinter seinem Lager Popcorn verkauft, ist das kaum mehr als Beschäftigungstherapie“, so Müller, der Angst um die Zukunft eines ohnehin gefährdeten Berufsstandes hat.

Sein Gewerbe ist von Familientraditionen geprägt wie nur noch wenige Branchen. Quereinsteiger kämen allenfalls durch Heirat ins Geschäft, sagt Müller, dessen Familie seit 1875 dabei ist. Er werde wohl der letzte sein, seine Töchter haben sich für andere Berufe entschieden, sagt er und wirkt dabei nicht unglücklich.

Pforzheim: Politik fordert Hilfen in der Corona-Krise

Karl Müller stieg nach der Hauptschule als 14-Jähriger in den Beruf ein, am Losstand seines Vaters überreichte er Preise. „Das war damals so.“ Wird es solche Stände im Jahr 2021 noch geben und wer betreibt die dann die Jahrmärkte als „Antidepressivum“ für Abertausende Deutsche?

Politiker wie der Enzkreis-Abgeordnete Erik Schweickert (FDP) fordern nun „Liquiditätshilfen“ für die Branche.

Karl Müller hofft, dass es eine Lösung für kleinere Jahrmärkte gibt, jenseits der großen Bierzelt-Events. Der 69-Jährige tätschelt seinen Wohnwagen wie man es mit treuen Weggefährten eben tut. Er sagt: „Wir sind Macher und Kämpfer, aber zaubern können wir nicht. Sterben unsere Betriebe, dann sterben auch die Volksfeste.“ Aus dem Sersheimer Winterlager würde dann ein Kirmes-Friedhof werden.

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