Cholerisch, ein Kontrollfreak, aber liebevoll zu den Kindern: Am zweiten Verhandlungstag vor dem Schwurgericht Karlsruhe beschrieben Angehörige des Angeklagten am Mittwoch ihre Beziehung zu dem Familienvater, der am 25. Mai 2019 seine Frau und seinen Sohn in Tiefenbronn-Mühlhausen mit dem Küchenmesser erstochen hat.
Die Lichtbilder, die der Vorsitzende Richter Leonhard Schmidt vor großem Publikum an die Wand des Gerichtssaals projiziert hat, sind unerträglich. Sie zeigen den Tatort kurz nach der Bluttat. Eine Kriminaltechnikerin schilderte, was sie vorgefunden hat: Betäubungsmittel, Blutspuren und zwei Leichen mit klaffenden Wunden am Hals.
Wie berichtet, hatte der damals 60-jährige Diplom-Ingenieur im Haus der Familie zunächst seine 38-jährige Frau umgebracht und anschließend seinen achtjährigen Sohn.
Zum Thema:Sein elfjähriger Sohn konnte sich schwer verletzt ins Freie retten. Der Vater wollte sich anschließend selbst töten und legte sich mit einem Cocktail aus Alkohol und Medikamenten ins Bett und erwachte erst im Krankenhaus wieder.
Finanzielle Notlage - oder nicht?
„Nahe null“ beschrieb ein Kriminalbeamter die Stimmung des Mannes bei der Vernehmung am Krankenhausbett vier Tage später. Der Familienvater sei erschüttert gewesen über seine Tat, die er damit begründete, seiner Familie „alles ersparen“ zu wollen.
Hintergrund:Mit „alles“ habe er die familiäre und geschäftliche Situation gemeint, die laut dem Angeklagten ein „Desaster“ gewesen sei, sagte der Kriminalbeamte aus. Mit dem Kauf des Hauses in der Schweiz habe er sich finanziell übernommen, so dass bald kein Geld mehr da sei.
Die beiden Söhne kämen auf der Privatschule in der Schweiz nicht mit und seien unglücklich. Und auch ein geschäftliches Projekt sei zum Scheitern verurteilt.
Es gebe keinen Hinweis auf eine finanzielle Notlage, Geld sei genug da, hat dagegen der Hauptsachbearbeiter der Polizei bei Ermittlungen festgestellt.
Schwester spricht von psychischer Erkrankung
Eine Erklärung für die unterschiedlichen Sichtweisen hat die Schwester des Angeklagten: Er sei manchmal realitätsfremd und sehe Dinge schlechter als sie sind, beschrieb sie den Angeklagten bei der polizeilichen Vernehmung.
Die Tat hätte sie ihm nie zugetraut. Sie schiebt sie auf seine Krankheit, in Kombination mit äußeren Einflüssen, die einfach zu viel geworden seien. Ihr Bruder habe ihr von seiner bipolaren Störung erzählt, dass er psychiatrisch behandelt werde und Medikamente nehme. Aggressionen habe sie bei ihm aber nie erlebt.
Das hat aber die Ex-Frau des Angeklagten, mit der er 17 Jahre lang verheiratet war. Sie beschrieb ihn als jähzornig und ehrgeizig: Als junger Mann habe er das Ziel verfolgt, bis 40 seine erste Million verdient zu haben. Als sie ihm schließlich sagte, dass sie ihn verlassen wolle, habe er sie mit beiden Händen am Hals gepackt und gewürgt.
Escort-Girls, Aggressionen und ein liebevoller Familienmensch
Sein Geschäftspartner in der Praxis für Strahlentherapie bezeichnete den Angeklagten als „Macher“ mit autoritärem Führungsstil und Visionen von Großprojekten.
Er erzählte von Eheproblemen, weil der Angeklagte seine Frau häufiger betrog und die Dienste von Escort-Damen in Anspruch genommen habe, so der Geschäftspartner. Mit einer Paartherapie habe sich die Ehe schließlich wieder stabilisiert.
Der Bruder der getöteten Ehefrau sagte aus, seine Schwester habe eine normale Ehe geführt, von Problemen habe er nichts mitbekommen.
Das Verhältnis des Angeklagten zu den gemeinsamen Kindern sei „liebevoll“ gewesen. „Er hätte alles für sie gemacht“, sagte er unter Tränen aus. Der ältere Sohn des Paars lebt nun mit Unterstützung des Jugendamts beim Schwager und der Großmutter. Es sei in therapeutischer Behandlung und momentan stabil. Er habe Angst vor dem Vater, sei traurig und zurückgezogen, so der Schwager.
Der Prozess wird am Freitag, 6. März, um 9 Uhr fortgesetzt.