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SPD Pforzheim wählt Mährlein

Neuer SPD-Chef in Pforzheim: Überraschende Attacke von Katja Mast kann Hück-Vertrauten nicht verhindern

Die SPD in Pforzheim hat Christoph Mährlein zu ihrem neuen Chef gewählt. Doch die Wahl des Vertrauten von Schwergewicht Uwe Hück wird von einem Zerwürfnis überschattet. Die langjährige Abgeordnete Katja Mast attackiert Mährlein, weil er Hück öffentlich als Bundestagskandidaten ins Spiel gebracht habe.

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ERNSTE GESICHTER: Die Abgeordnete Katja Mast und Kreisvorstand Christoph Mährlein bei einer Mitgliederversammlung im Dezember. Foto: None

Die Wahl des bisherigen Vize Christoph Mährlein zum Chef der SPD Pforzheim ist von einem Zerwürfnis um die Bundestagskandidatur überschattet worden. Mährlein hatte Stadtrat Uwe Hück als künftigen Abgeordneten ins Spiel gebracht. Katja Mast, langjährige Inhaberin des Mandats, schwieg dazu bislang. Vor den jetzigen Vorstandswahlen aber ging sie in die Vorwärtsverteidigung. Doch ihre überraschende Attacke auf Mährlein kann die Wahl des Hück-Vertrauten nicht verhindern.

Die Verbalattacke von Katja Mast kommt ohne Vorwarnung. "Ich stehe hier und fordere Anstand, Respekt und Klarheit ein“, ruft die Abgeordnete unvermittelt mit grimmiger Miene in den vorweihnachtlich dekorierten Saal.

Schlagartig ist den rund 70 anwesenden Genossen klar, dass dies kein normales Grußwort zu einer normalen Kreismitgliederversammlung wird, sondern von der Bundestagsabgeordneten soeben ein seit Monaten schwelender Streit zur öffentlichen Verhandlung aufgerufen wurde.

Naturgewalt Uwe Hück

Die  Rede ist von der anhaltenden Diskussion über die künftige Rolle des Genossen Uwe Hück. Der so prominente wie lautstarke Ex-Porsche-Betriebsratschef war zum Jahresbeginn wie eine Naturgewalt über die Pforzheimer SPD hereingebrochen - und hat inzwischen geliefert: Hück ist aus dem Stand Stimmenkönig im Pforzheimer Gemeinderat geworden und wird von seinen Fans für Höheres gehandelt.

Christoph Mährlein hatte schon vor Monaten öffentlich spekuliert, Hück könnte doch für den Bundestag kandidieren. Das Problem: Für den Wahlkreis Pforzheim kandidiert seit 2005 Katja Mast und will das erklärtermaßen auch weiterhin tun.

Mast mit Vorwärtsverteidigung

Mährlein, bislang der stellvertretende Kreischef, brachte eine mögliche Kandidatur Uwe Hücks schon vor Monaten ins Spiel. Doch nun wollte er Kreisvorsitzender werden, als Nachfolger der scheidenden Annkathrin Wulff, die gegenüber Katja Mast als sehr loyal galt. Ein Umstand, der offensichtlich Katja Mast dazu bewog, ihre diesbezügliche Strategie zu ändern und die Vorwärtsverteidigung zu wählen.

Ich will keine Überschriften lesen: Hück gegen Mast

"Es gab laufend Artikel und Getuschel. Laufen lassen und sich nicht verhalten. Das können wir nicht wollen", erklärt Mast dem verdutzten Publikum. In 15 Jahren als Bundestagsabgeordnete habe sie es nicht erlebt, dass laufend Parteiinterna in der Zeitung stehe, das habe erst im letzten Jahr angefangen. Doch dies schade dem Mandat und der Würde des Amtes. "Ich will keine Überschriften lesen, Hück gegen Mast."

Die SPD verschwende mit derlei Debatten viel Energie "und das raubt mir die Kraft für unsere Arbeit", ruft Mast, die sich sichtlich angefasst zeigt. Sie kämpft um ihr Mandat. Sie fragt: "Bin ich eine Funktionärin in Berlin? Oder bin ich eine von euch?" Sie betont die SPD-Erfolge in der Merkel-Regierung. Sie erinnert an ihre Verwurzelung an der Basis: "Ich weiß woher ich komme. Ich habe von Sozialhilfe gelebt."

Die Debatte trifft Mast, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag ist, in einer besonders Situation. Mit der Wahl der GroKo-Kritiker Saskia Esken aus dem Nachbarwahlkreis Calw und Norbert Walter-Borjans zu den neuen SPD-Bundeschefs ist die auch an der Pforzheimer Basis ungeliebte Regierungskoalition noch einmal fragiler geworden.

Erinnerung an CDU-Chefin AKK

Auf eine Weise, die mehrere Genossen später mit der Reaktion von CDU-Chefin von Annegret Kramp-Karrenbauer auf parteiinterne Kritiker vergleichen werden, fordert Katja Mast: "Wer glaubt, dass er es besser kann, der soll es hier ganz offen sagen."  Direkt an den sichtlich verdatterten Mährlein gewandt sagt sie: "Du hast öffentlich über das Mandat spekuliert".

Mast bemängelt, Mährlein habe dazu das Gespräch nicht gesucht. Als dieser später sagt, man habe sehr wohl miteinander gesprochen, etwa über die Position Hücks auf der Gemeinderatsliste, gibt es erneut heftig Kontra von der Abgeordneten. Mährlein habe aus bilateralen Gesprächen berichtet, das sei ein Vertrauensbruch. "Auch persönlich geht mir das sehr nah."

Hück schreit und weicht aus

Hück in den Bundestag? Der Hobby-Boxer selbst weicht auch an diesem Abend auf Fragen zu seinen Ambitionen so geschickt aus wie einst Cassius Clay Schlägen im Ring. Für ihn komme "zuerst Pforzheim, dann das Land Baden-Württemberg", Berlin interessiere ihn aktuell überhaupt nicht lässt er wissen. An diesem Abend poltert er: "Mit mir hat noch keiner gesprochen. Aber über mich redet man viel."

Hück schreit so laut, dass sich eine ältere Genossin beschwert, sie müsse ihre Hörgeräte aus den Ohren nehmen. Was er mache und was nicht, werde er dann sagen, wenn er sich selbst entschieden habe. "In einem  demokratischen Land ist das mein gutes Recht," macht Hück deutlich. Eine Unterstützungsgarantie für Katja Mast ist das nicht.

Solidarität von Stadträten

Solidarische Wortmeldungen für sie kommen unter anderem von den Stadträten Ralf Fuhrmann, Jacqueline Roos und Alt-Stadträtin Ellen Eberle. Sympathiebekundungen für Hück und Mährlein gibt es vor allem von jungen und neu eingetretenen Genossen.

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HARTE BANDAGEN? Uwe Hück beim Ausblick als Sprecher der Pforzheimer SPD-Ratsfraktion. Seine Rolle als möglicher Konkurrent der Abgeordneten Katja Mast (sitzend) überschattete die Vorstandswahlen. Foto: str

Das auf offener Bühne samt Pressevertretern ausgetragene Zerwürfnis entfaltet bei den anschließenden Vorstandswahlen durchaus Wirkung. Die Abstimmung über Mährlein als neuen Kreisvorsitzenden muss schließlich auch als Vertrauensfrage für Katja Mast gewertet werden.

Schlechtes Ergebnis für Mährlein und Hück

Mährlein, er ist der einzige Kandidat, packt es zwar, allerdings nur mit 30 Ja-Stimmen und 22 Nein-Stimmen von insgesamt 57 stimmberechtigten Mitgliedern.

Neue Vize-Chefs der SPD Pforzheim sind Johanna Kirsch und Eray Aydin. Schriftführer wird Jonathan Trapp, Pressesprecherin Anita Heger. Beisitzer sind Ralf Fuhrmann, Peter Heissenberger, Kristin Gegenheimer, Esad Esmer, Eva Stein, Monika von Felbert - und Uwe Hück.

Das Ergebnis zeigt: Vom Stimmenkönig ist Hück hier weit entfernt. Mit 33 Ja-Stimmen fährt er ein kaum besseres Ergebnis ein als der von Mast zum Buhmann gestempelte Mährlein.

Durchtrainierte Neu-Sozialdemokraten

Bemerkenswert ist das durchwachsene Ergebnis Hücks auch vor dem Hintergrund, dass er an diesem Abend in Begleitung von mehr als 20 Neu-Sozialdemokraten erscheint, die zum Teil Sportkleidung mit der Aufschrift "Lernstiftung Hück" tragen. Auch der Chef trägt Trainingsanzug: "Ich komme direkt vom Sparring, habe gerade einen umgehauen", sagte er noch augenzwinkernd zur Begrüßung. Jetzt ist seine Miene ernster.

Mast geht nachdenklich

Und Katja Mast? Sie muss das Ergebnis als Warnsignal begreifen. Eine knappe Mehrheit ist ihrer impliziten Wahlempfehlung, ihrem Misstrauensvotum gegen Mährlein nicht gefolgt. "Sie habe jetzt mehr Klarheit, "aber auch viel Stoff zum Nachdenken", sagt die Bundestagsabgeordnete nachdem sie dem neuen Kreisvorsitzenden Mährlein gratuliert hat. Dann macht Katja Mast auf den Heimweg.

Wenig später dirigiert Uwe Hück die Mitglieder des neuen Kreisvorstands in die richtige Position für das Gruppenfoto.

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SPD-Kreisvorstand Pforzheim Foto: str

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