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Shutdown an der Enz?

OB Boch ohne Mehrheit: Haushalt kurzfristig erneut vertagt

Ein Hauch von Shutdown an der Enz: Oberbürgermeister Peter Boch sah sich am Dienstag im Gemeinderat Pforzheim erneut gezwungen, die Abstimmung über seinen Haushaltsplan kurzfristig abzusagen. Wichtige Projekte bleiben nun erst einmal liegen.

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IMAGE-282155 Foto: N/A
Ein Hauch von Shutdown an der Enz: Oberbürgermeister Peter Boch sah sich am Dienstag im Gemeinderat Pforzheim erneut gezwungen, die Abstimmung über seinen Haushaltsplan kurzfristig abzusagen.

Formal brachte Boch sein Vorhaben als Vorschlag der Verwaltung vor dem Eintritt in die Tagesordnung ein. Nach Stellungnahmen der Fraktionen und Gruppierungen sah sich der OB bestätigt und strich die entsprechenden Tagesordnungspunkte. Die Entscheidung soll "Luft aus dieser emotional angespannten Situation herausnehmen", so der OB in seiner Begründung am Dienstagnachmittag vor dem Gemeinderat.

Ablehnung zeichnete sich ab

Im Vorfeld hatte sich ein mehrheitliches Nein zum Finanzplan der Verwaltung abgezeichnet. Nun soll es neue Gespräche mit den Fraktionen geben. Im Februar könnte das Thema wieder auf die Tagesordnung kommen. Boch leitete die eigens für den Haushalt angesetzte Sitzung mit dem Vorschlag ein, das Thema direkt wieder zu streichen und zu vertagen. „Ich musste leider erkennen, dass es aktuell keine Mehrheit für den von mir vorgelegten Haushaltsentwurf geben wird“, sagte Boch vor dem Gremium. Das sei bitter, weil man ohne Haushalt keine neuen Stellen besetzen könne. Auch wichtige Projekte bleiben erstmal liegen. Dem Pforzheimer Kurier sagte der OB daher, er fühle sich gefühlsmäßig an den Shutdown in den USA erinnert.

Fraktionen üben Kritik

Nach den Stellungnahmen der Fraktionen und Gruppierungen durfte sich Boch in zweifacher Weise bestätigt sehen. Niemand widersprach seinem Vorschlag, den Haushalt zu vertagen und die Gespräche darüber in den nächsten Tagen fortzusetzen. Gleichzeitig zeigte sich auch, dass der OB mit seiner Einschätzung richtig lag, dass sein Entwurf keine Mehrheit finden würde. Die Sprecher der politischen Kräfte formulierten ihre vorbereiteten Haushaltsreden am Dienstag mehr oder weniger im Konjunktiv und signalisierten – abgesehen von der CDU und den immerhin konstruktiv klingenden Bündnisgrünen – nach derzeitigem Stand ihre klare Ablehnung.

"Erschüttertes Vertrauen"

Knackpunkt war für einige das Vorgehen der Rathausspitze nach der Gewinnwarnung der Stadtwerke im Dezember. Boch hatte zügig einen Weg gefunden, die Verluste im Haushalt auszugleichen – für viele ging das im Gegensatz zu den langwierigen Haushaltsberatungen verdächtig schnell. Christof Weisenbacher (WiP/Die Linke) sprach von „erschüttertem Vertrauen“. Axel Baumbusch (Grüne Liste) sagte sinngemäß, er wisse zwar, dass sich die Finanzsituation nicht verändert habe – dem Bürger sei eine Absage an andere Projekte aus finanziellen Gründen aber schwer vermittelbar. Hans-Ulrich Rülke (FDP/FW) verknüpfte den Haushalt nun wieder stärker mit den Bädern und kritisierte, dass dafür das Geld fehle, während der OB so schnell einen Weg gefunden habe, das durch die SWP entstandene Loch auszugleichen.

OB verteidigt sich

Boch sagte in seiner Rede, man könne lange darüber diskutieren, ob er bereits einen Tag nach dem Gewinneinbruch bei den Stadtwerken einen Gegenfinanzierungsvorschlag für den Doppelhaushalt hätte präsentieren sollen. „Fakt ist aber: Die Haushaltsverbesserungen, über die wir jetzt glücklicherweise verfügen können, sind nicht vom Himmel gefallen.“ Es gebe sie auch in anderen Großstädten Baden-Württembergs. Er habe es als seine Pflicht angesehen, schnellstmöglich eine Gegenfinanzierung zu finden.

"Totalblockade verantwortungslos"

Konstruktiv klang Felix Herkens (Bündnisgrüne): „Ich kann nicht nachvollziehen, dass man sich über finanzielle Verbesserungen nicht einfach freut.“ Man solle nicht im Angesicht der Kommunalwahl am 26. Mai Personen zerstören, sondern vielmehr den Schwung aus den Haushaltsberatungen mitnehmen. Dafür erhielt er Zustimmung aus der CDU-Fraktion, die eingangs der Debatte als einzige ihre klare Zustimmung zum Etatentwurf formulierte. Fraktionsvorsitzende Marianne Engeser sagte in Richtung der anderen Parteien: „Wir halten eine Totalblockade für verantwortungslos.“

Andere kritisierten die Kommunikation des Rathauschefs. Ralf Fuhrmann (SPD): „Wir haben zuletzt mehr mit der Presse über den Haushalt gesprochen als mit der Rathausspitze.“

Furcht vor verhärteten Fronten

Mit der Verschiebung des Themas will Boch nun „Luft aus dieser emotional angespannten Situation herausnehmen“ und in neuerlichen Gesprächen den Durchbruch suchen. Im Rathaus befürchtete man, durch eine Abstimmung am Dienstag hätten sich die politischen Fronten womöglich weiter verhärtet. Bereits der erste Termin zur Haushaltsverabschiedung Mitte Dezember war kurzfristig abgesagt worden.

Haushalt vertagt: Die Begründung von OB Boch

Der Pforzheimer Kurier dokumentiert die Rede von Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) am Dienstagnachmittag vor dem Gemeinderat im Wortlaut gemäß des Redemanuskriptes:


"Eigentlich könnte heute schon der Doppelhaushalt 2019/20 verabschiedet sein und vor uns auf dem Tisch liegen. Wir waren im Dezember schon sehr viel weiter, als wir es jetzt sind. Denn gemeinsam hatten wir während der Haushaltsberatungen einen guten Kompromiss ausgehandelt: Ich selbst habe dafür auf fünf Punkte der geplanten Gewerbesteuersenkung verzichtet. Und auch viele von Ihnen sind über Ihren Schatten gesprungen, haben Abstriche von Ihren eigenen Vorstellungen gemacht und eine Zustimmung zum Haushalt signalisiert.

OB: Verpflichtung für Pforzheim

Und dann ist ein Ereignis eingetreten, das sich niemand von und gewünscht hat und niemand von uns vorhergesehen hat: Die Entscheidung des Aufsichtsrats der SWP - aus uns bekannten Gründen -, für das Geschäftsjahr 2018 keine Gewinnausschüttung an die Stadt Pforzheim vorzunehmen. Nun kann man lange darüber diskutieren, ob ich bereits einen Tag später einen Gegenfinanzierungsvorschlag für den Doppelhaushalt hätte präsentieren sollen oder ob es besser gewesen wäre, noch damit zu warten.

Fakt ist aber: Die Haushaltsverbesserungen, über die wir jetzt glücklicherweise verfügen können, sind nicht vom Himmel gefallen. Es gibt sie auch in anderen Großstädten Baden-Württembergs und sie fallen dort überwiegend noch viel umfangreicher aus.

Ich als  Oberbürgermeister habe habe es als meine Verpflichtung angesehen, für den Gewinnausfall schnellstmöglich eine Gegenfinanzierung zu finden und damit auch die Handlungsfähigkeit der Verwaltung unter Beweis zu stellen. Das halte ich auch im Nachhinein für richtig! Allerdings habe ich auch erkennen müssen, dass die Stimmung hier im Gemeinderat vor Weihnachten emotional so aufgeladen war, dass eine Abstimmung über den Doppelhaushalt keinen Sinn gemacht hätte.

Emotionen aus Debatte nehmen

Mit unserer Entscheidung, die Abstimmung zu verschieben, wollte ich Luft aus dieser emotional angespannten Situation herausnehmen. Dennoch war ich davon überzeugt, dass der von mir vorgelegte Haushaltsentwurf mit etwas zeitlichem Abstand mehrheitsfähig sein würde.

Mehrheitsfähig, weil wir einen Kompromiss bei der Gewerbesteuer erzielt haben. Mehrheitsfähig weil wir uns während der Haushaltsberatungen darauf verständigt haben, Schwerpunkte zu setzen und in bestimmten Bereichen gezielt mehr Geld auszugeben.

Beispielsweise für Radwege, beispielsweise für die Jugendhilfe, beispielsweise für die Musikpflege oder die Sportförderung.

Mehrheitsfähig aber auch, weil sich durch die Haushaltsverbesserungen weitere Spielräume eröffnen,  die wir nutzen können, um zusätzlich zehn Millionen Euro im Bäderbereich zu investieren. Gleichzeitig können wir die Kreditaufnahmen 2019 und 2020 um jeweils vier Millionen Euro auf die Höhe der Tilgung senken.

Allerdings habe ich in den letzten Tagen sehr genau die Berichterstattung in den Medien und gestern auch die Diskussion im Haushaltsstrukturausschuss verfolgt. Mir ist nicht entgangen, wie Sie sich - die einzelnen Fraktionen und Gruppierungen - geäußert haben.

Keine Mehrheit für Haushalt erkennbar

Ich musste leider erkennen, dass es aktuell keine Mehrheit für den von mir vorgelegten Haushaltsentwurf geben wird. Das ist bitter, weil wir ohne Haushalt, keine neuen Stellen besetzen und keine neuen Projekte beginnen können. Dennoch macht es keinen Sinn, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Eine Ablehnung des Doppelhaushalts wäre eine Niederlage für die gesamte Bürgerschaft. Deshalb möchte ich Ihnen vorschlagen, heute nicht über den Doppelhaushalt abzustimmen.

Die gestrige Sitzung des Haushaltsstrukturausschusses hat gezeigt, dass wir uns erneut, vielleicht auch in unterschiedlichen Konstellationen zusammensetzen müssen, um nach Lösungen zu suchen und zu ringen.

Dabei wird uns klar sein müssen, dass niemand seine Maximalvorstellungen wird durchsetzen können. Dennoch muss es uns gelingen Brücken zueinander zu bauen. Und das kann uns gelingen, das haben die Haushaltsberatungen gezeigt! Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, mit den ersten Gesprächen noch diese Woche zu beginnen.

Eigentlich könnte heute schon der Doppelhaushalt 2019/20 verabschiedet sein und vor uns auf dem Tisch liegen. Wir waren im Dezember schon sehr viel weiter, als wir es jetzt sind. Denn gemeinsam hatten wir während der Haushaltsberatungen einen guten Kompromiss ausgehandelt: Ich selbst habe dafür auf fünf Punkte der geplanten Gewerbesteuersenkung verzichtet. Und auch viele von Ihnen sind über Ihren Schatten gesprungen, haben Abstriche von Ihren eigenen Vorstellungen gemacht und eine Zustimmung zum Haushalt signalisiert. Und dann ist ein Ereignis eingetreten, das sich niemand von und gewünscht hat und niemand von uns vorhergesehen hat: Die Entscheidung des Aufsichtsrats der SWP - aus uns bekannten Gründen -, für das Geschäftsjahr 2018 keine Gewinnausschüttung an die Stadt Pforzheim vorzunehmen.

Die Haushaltsverbesserungen, über die wir jetzt glücklicherweise verfügen können, sind nicht vom Himmel gefallen.

Fakt ist aber: Die Haushaltsverbesserungen, über die wir jetzt glücklicherweise verfügen können, sind nicht vom Himmel gefallen. Es gibt sie auch in anderen Großstädten Baden-Württembergs und sie fallen dort überwiegend noch viel umfangreicher aus.

Ich als  Oberbürgermeister habe habe es als meine Verpflichtung angesehen, für den Gewinnausfall schnellstmöglich eine Gegenfinanzierung zu finden und damit auch die Handlungsfähigkeit der Verwaltung unter Beweis zu stellen. Das halte ich auch im Nachhinein für richtig! Allerdings habe ich auch erkennen müssen, dass die Stimmung hier im Gemeinderat vor Weihnachten emotional so aufgeladen war, dass eine Abstimmung über den Doppelhaushalt keinen Sinn gemacht hätte.

Mit unserer Entscheidung, die Abstimmung zu verschieben, wollte ich Luft aus dieser emotional angespannten Situation herausnehmen.

Mit unserer Entscheidung, die Abstimmung zu verschieben, wollte ich Luft aus dieser emotional angespannten Situation herausnehmen. Dennoch war ich davon überzeugt, dass der von mir vorgelegte Haushaltsentwurf mit etwas zeitlichem Abstand mehrheitsfähig sein würde.

Mehrheitsfähig, weil wir einen Kompromiss bei der Gewerbesteuer erzielt haben. Mehrheitsfähig weil wir uns während der Haushaltsberatungen darauf verständigt haben, Schwerpunkte zu setzen und in bestimmten Bereichen gezielt mehr Geld auszugeben.

Beispielsweise für Radwege, beispielsweise für die Jugendhilfe, beispielsweise für die Musikpflege oder die Sportförderung. Mehrheitsfähig aber auch, weil sich durch die Haushaltsverbesserungen weitere Spielräume eröffnen,  die wir nutzen können, um zusätzlich zehn Millionen Euro im Bäderbereich zu investieren.

Allerdings habe ich in den letzten Tagen sehr genau die Berichterstattung in den Medien und gestern auch die Diskussion im Haushaltsstrukturausschuss verfolgt. Mir ist nicht entgangen, wie Sie sich - die einzelnen Fraktionen und Gruppierungen - geäußert haben.

Ich musste leider erkennen, dass es aktuell keine Mehrheit für den von mir vorgelegten Haushaltsentwurf geben wird. Das ist bitter, weil wir ohne Haushalt, keine neuen Stellen besetzen und keine neuen Projekte beginnen können. Dennoch macht es keinen Sinn, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Eine Ablehnung des Doppelhaushalts wäre eine Niederlage für die gesamte Bürgerschaft. Deshalb möchte ich Ihnen vorschlagen, heute nicht über den Doppelhaushalt abzustimmen.

Am Ende wird es nicht darum gehen, wer sich gegen wen durchsetzt, sondern gemeinsam zum Wohle unserer Stadtgesellschaft zu handeln

Die gestrige Sitzung des Haushaltsstrukturausschusses hat gezeigt, dass wir uns erneut, vielleicht auch in unterschiedlichen Konstellationen zusammensetzen müssen, um nach Lösungen zu suchen und zu ringen.

Dabei wird uns klar sein müssen, dass niemand seine Maximalvorstellungen wird durchsetzen können. Dennoch muss es uns gelingen Brücken zueinander zu bauen. Und das kann uns gelingen, das haben die Haushaltsberatungen gezeigt! Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, mit den ersten Gesprächen noch diese Woche zu beginnen. Am Ende wird es nicht darum gehen, wer sich gegen wen durchsetzt, sondern gemeinsam zum Wohle unserer Stadtgesellschaft zu handeln."

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