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Mitgefühl unter Tierpflegern

Nach Zoobrand in Krefeld: Tiere im Wildpark Pforzheim hätten bessere Chancen als die Affen

Der verheerende Zoobrand von Krefeld mit 30 toten Affen beschäftigt auch die Tierpfleger vom Wildpark in Pforzheim. Warum dergleichen hier nicht geschehen könnte - und warum es nicht immer leicht ist, das richtige Maß an Distanz zu wahren.

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Eine gewisse Distanz zwischen Mensch und Tier möchte sich Wildpark-Leiter Carsten Schwarz bewahren. Seine Mitarbeiterin Maja Rosenberg ist da etwas offener für engere Bindungen zu ihren Schützlingen. Foto: Jürgen Müller

389 Kilometer trennen den Krefelder Zoo und den Tierpark Pforzheim. Für Maja Rosenberg, Tierpflegerin im Pforzheimer Wildpark, sind diese Distanzen allerdings seit Silvester Makulatur. Seit am Niederrhein 30 Affen in einem verheerenden Feuer verbrannten, nur zwei Schimpansen überlebten das Inferno . Auch in Pforzheim bleiben die Tier-Profis von diesen Nachrichten nicht unberührt – auch wenn sie nicht jede Reaktion nachvollziehen können.

„Ich stelle mir das ganz, ganz furchtbar vor“, sagt Rosenberg, die seit 13 Jahren im Tierpark arbeitet. „Menschenaffen-Pfleger haben noch einmal intensivere Bindungen als wir. Die Tiere sind teilweise von Hand aufgezogen worden. Das ist dann wie ein Kind für dich.“

Entsprechend halte sie es auch überhaupt nicht für übertrieben, dass über eine psychologische Betreuung der Pfleger nachgedacht werde. „Es ist ja auch noch einmal ein Unterschied, wie das geschehen ist.“ Normalerweise habe man mit kranken Tieren zu tun, begleite sie beim Sterben. Hier „konnte man nichts tun“, sagt sie. Gerade für einen Pfleger sei das entsetzlich.

Ruhige Silvesternacht am Wildpark

Über die Sozialen Medien und diverse Tierpfleger-Gruppen sei auch sie regelrecht bombardiert worden mit diesen Nachrichten, sagt Rosenberg, die Besitzerin eines Pferdes ist, dessen Stall ganz in der Nähe des Pforzheimer Silvester-Brandherdes in Keltern-Weiler steht. „Für mich hätte das Jahr 2020 deutlich besser starten können“, sagt Rosenberg. Wenigstens im Tierpark blieb es ruhig. Sie selbst habe an Neujahr keine Böller auf dem Gelände gefunden und nur wenige Reste auf dem Parkplatz. „Da hatte ich mit mehr gerechnet.“

Rosenberg scheut enge Bindungen zu Tieren nicht

Ob es bei all dieser Emotionalität nicht besser sei, als Tierpfleger auf professionelle Distanz zu seinen Schützlingen zu gehen? Da ist man beim Tierpark nicht einheitlich. Rosenberg etwa bestreitet diese These vehement. „Dann dürfte ich auch keine Beziehung zu Menschen aufbauen, die sterben irgendwann auch“, sagt sie. Und so war ihr schlimmster Verlust in 13 Jahren auch nicht ihr erster Schützling, sondern ein Kaltblüter, der etwa 2011 gestorben ist. „Der war sehr pflegeintensiv“, sagt Rosenberg. „Da muss ich mich jetzt noch zusammenreißen, dass ich nicht weine.“

Schwarz: "Es kann nicht viel passieren bei uns"

Anders geht Tierpark-Leiter Carsten Schwarz mit dem Thema Abschied um. „Ich versuche schon, die Distanz zu wahren“, gibt er zu. Auf die Nachrichten aus Krefeld reagierte er pragmatisch. „Ich habe im Kopf gleich durchgespielt: Kann das auch bei uns passieren?“ Um einfach auf Nummer sicher zu gehen.

Schwarz’ Fazit: „Es kann eigentlich nicht viel passieren bei uns.“ Dabei seien die Ställe auch nicht unbedingt feuerfest. Aber die Tiere würden in Pforzheim eben nachts nicht eingesperrt, anders als die Krefelder Affen. „Sie haben Fluchtmöglichkeiten“, sagt Schwarz. Und die erst im Juli 2019 gebaute Waldrappvoliere? „Da kann nichts brennen.“

Wenn Raubtiere "knuddelig" werden

Obwohl man selbst im Team beraten habe, inwieweit man auf die Krefelder Katastrophe reagiert, sieht Schwarz in dem gigantischen Rummel um die Katastrophe auch Schattenseiten. Dabei gehe es ihm um eine zunehmende Entfremdung der Menschen mit dem Thema Tod. „Es wird immer schwieriger, den Menschen zu vermitteln, dass auch im Tierpark gestorben wird“, sagt Schwarz. „Wir haben als Gesellschaft immer mehr Abstand zur Natur.“

Das fange bei harmlosen Geschichten an, etwa dem verstorbenen Berliner Eisbär Knut. „Das war dieser Bambi-Effekt“, sagt Schwarz. Dass der Eisbär eines der bedrohlichsten Raubtiere der Welt ist, wurde da systematisch ausgeblendet. „Die Leute sehen das ja nicht. Die sehen nur das Knuddelige.“ Und dann gebe es ja noch Tiere erster und zweiter Klasse, mit denen man entsprechend mehr oder weniger mitfühle. „Das hat mit dem kindlichen oder menschlichen Aussehen zu tun“, sagt Schwarz. Für ein Profi wie ihn sei das natürlich ein No-Go.

"Können nicht immer die Wahrheit sagen"

Diese Form von Tiervernarrtheit führe auch ernstere Probleme mit sich. „Die Menschen können das Wohlbefinden von Tieren teilweise gar nicht mehr an ihren Gesten erkennen“, klagt Schwarz. Das könne zu Ängsten führen. Und dann gebe es doch noch dieses „Helfersyndrom, das wir immer spüren“, so Schwarz weiter.

„Tiere werden bei uns abgegeben und dann hat man seine Schuldigkeit getan, erwartet aber, dass das Tier unbedingt überlebt.“ Nur: Das klappt eben nicht immer. „Da können wir nicht immer die Wahrheit sagen.“ Etwa, dass man das Tier nur noch von seinen Qualen erlösen konnte. Auch dafür fehle es teilweise an Verständnis.

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