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Coronavirus in Pforzheim

Reserve-Anästhesist muss eventuell Entscheidungen über Beatmung, Leben und Tod treffen

Wenn es bei den Pforzheimer Kliniken personell eng werden sollte, stehen niedergelassene Kollegen bereit, einzuspringen - wie Anästhesist Frank Theurer. Im Interview spricht er über seine Befürchtungen, über Leben und Tod entscheiden zu müssen – und warum er sich dennoch freiwillig gemeldet hat.

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Vor einer ungewohnten Herausforderung könnte Dr. Frank Theurer stehen. Der Mediziner ist bereit, am Helios-Klinikum einzuspringen, wenn es die Situation erfordert. Foto: Fix

Wenn es bei den Pforzheimer Kliniken personell eng werden sollte, stehen niedergelassene Kollegen bereit, einzuspringen - wie Anästhesist Frank Theurer. Im Interview spricht er über seine Befürchtungen, über Leben und Tod entscheiden zu müssen - und warum er sich dennoch freiwillig gemeldet hat.

Noch können die Pforzheimer Kliniken mit ihrem eigenen Personal die Lücken schließen, die sich durch mit dem Coronavirus infizierte Ärzte ergeben. Für den Notfall stehen aber niedergelassene Ärzte bereit, um einzuspringen, auch in Pforzheim und Enzkreis. Einer von ihnen ist der Pforzheimer Anästhesist Dr. Frank Theurer. Im Interview mit BNN-Redakteur Sebastian Kapp spricht er über seine Befürchtungen, über Leben und Tod entscheiden zu müssen – und warum er sich dennoch freiwillig gemeldet hat.

Herr Dr. Theurer, derzeit agieren Sie noch als ambulanter Anästhesist. Doch Sie haben schon früh Kontakt zum Helios-Krankenhaus aufgenommen und sich als Reservist angeboten, sollte dort Not am Mann sein. Warum?

Theurer: Unsere Anästhesisten haben sich eigentlich alle eingebracht. Ich verfüge über viel intensivmedizinische Erfahrung, ich kann aushelfen, wenn es eng wird. Wenn die Situation so ist wie jetzt, muss man ja handeln!

Ich bin für Covid-19 bereit, aber auch für das Ambulante.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Sie wie bereits die Ärzte in Frankreich oder Italien darüber entscheiden müssen, wer beatmet wird und wer nicht?

Theurer: Die Dynamik wage ich nicht vorherzusagen. Ich weiß auch noch überhaupt nicht, wie ich eingesetzt würde. Da gibt es noch keine Absprachen. Ich bin für Covid-19 bereit, aber auch für das Ambulante – das muss ja auch weiterhin stattfinden. Da gibt es immer noch den ein oder anderen Notfall, der behandelt werden muss. Auch wenn bei sogenannten Wahloperationen natürlich massiv reduziert wurde.

Noch sieht es also personell gut aus?

Theurer: Jein. Bislang kam etwa das Helios mit seinen Ressourcen zurecht. Generell fehlen aber Pflegekräfte. Intensivmedizin ist immer Teamarbeit. Da spielt die Pflege eine ganz, ganz wichtige Rolle. Das fängt beim Drehen des Patienten an und geht bis zur Überwachung. Da sind die Pfleger viel näher am Patienten dran. Als Ärzte sind wir da für Hinweise immer dankbar.

Als Anästhesist lernt man mit der Zeit, dass es in der Intensivmedizin nicht immer ein Happy-End gibt.

Es könnte aber passieren, dass Sie am Beatmungsgerät über Leben und Tod entscheiden müssen. Wie gehen Sie damit um?

Theurer: Als Anästhesist lernt man mit der Zeit, dass es in der Intensivmedizin nicht immer ein Happy-End gibt und damit zu leben. Das liegt vorwiegend an Vorerkrankungen des Patienten. Das gilt aber nicht für die Anästhesie bei Wahloperationen. Bei weit über 20.000 Eingriffen hatte ich noch nie eine schwerwiegende Komplikation.

Haben Sie dann nicht Sorge, dass Sie unter dem, was da noch kommen könnte, zusammenbrechen?

Theurer: Wenn ich die Bilder verzweifelter Ärzte sehe in Frankreich oder Italien, dann bedaure ich meinen Entschluss nicht. Und solche schwierigen Entscheidungen trifft man auch nicht alleine, sondern im Team. Ich weiß schon ziemlich genau, was zu tun ist. Man kann sich schon eine Menge überlegen, etwa, dass alle Mundschutz tragen. In meinem Mikrokosmos kann ich das schon viel früher umsetzen als die Gesellschaft.

Also sind die Zustände in Frankreich, Italien und Spanien weit weg?

Theurer: Ich schaue schon hin, wenn in den Nachrichten darüber berichtet wird. Das lässt keinen kalt, das ist ja ganz klar. Das ist nicht weit weg, und das droht auch bei uns. Ich habe aber nicht gehört, dass es jemand fachlich nicht schafft. Es fehlt da eher an Manpower und an Reserven.

Dennoch ist es auch für Sie nicht alltäglich, über Leben und Tod entscheiden zu müssen. Was genau ist so anders bei Corona?

Theurer: Das ist eine extrem schwierige Entscheidung, die ich mir vor Kurzem noch nicht vorstellen konnte. Also dass man eine sogenannte Triage auch in der Intensivmedizin durchführen muss. Aus der Notfallmedizin ist das schon bekannt, etwa bei Lawinenunglücken. Da liegt es aber meistens am begrenzten medizinischen Personal oder es geht um die Frage, ob eine Behandlung ab einem gewissen Punkt noch sinnvoll ist. Dass aber nicht genug Material vorhanden ist, das ist neu.

Ich habe zwar versucht, mich zu informieren, aber es gibt sehr viel Ungewissheit.

Merken Sie denn schon im Ambulanten eine gestiegene Belastung?

Theurer: Ich muss jeden Patienten als potenziell infektiös behandeln und mir zum Beispiel nicht nur nach jedem Patientenkontakt die Hände waschen. Sondern auch jeden potenziell kontaminierten Gegenstand nach Benutzung gründlich reinigen. Das ist furchtbar anstrengend. Denn das bedeutet auch, zum Beispiel jedes Spray zu säubern, das wir vielleicht kontaminiert haben.

Wie sicher ist denn, dass man sich darüber anstecken kann?

Theurer: Die Meldungen sind dermaßen widersprüchlich, dass ich vom Schlimmsten ausgehe, um sicher zu sein. Ich habe zwar versucht, mich zu informieren, aber es gibt sehr viel Ungewissheit.

Haben Sie denn Angst, dass Sie selbst erkranken könnten? – Immerhin sind Sie 58 Jahre alt.

Theurer: Ich persönlich habe da keine große Angst. Ich bin sehr gesund, wenn auch etwas älter. Aber natürlich sind einige Ärzte besonders gefährdet, wie HNOs, Zahnärzte – und Anästhesisten.

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