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Kunst aus der Farbsprühdose

Ein Künstler und ein Stadtrat wollen Pforzheims Image mit Graffiti aufhübschen

Graffiti sind Kunst im öffentlichen Raum, die die Stadt Pforzheim voranbringen. Darin sind sich Stadtrat Andreas Sarow und Graffiti- und Streetart-Künstler Sven Döser einig. Graffiti sind nicht mit Schmierereien gleichzusetzen, wie durch Dösers Werk im Enzauenpark deutlich wird.

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Graffitikunst im Enzauenpark: An die Mauer hat Sven Döser (rechts) sein Werk gesprüht. Andreas Sarow hätte gerne weitere solcher Hotspots für Kunst im öffentlichen Raum. Foto: Ehmann

Graffiti sind Kunst im öffentlichen Raum, die die Stadt Pforzheim voranbringen. Darin sind sich Stadtrat Andreas Sarow und Graffiti- und Streetart-Künstler Sven Döser einig. Graffiti sind nicht mit Schmierereien gleichzusetzen, wie durch Dösers Werk im Enzauenpark deutlich wird.

Fast zärtlich fährt Sven Bruxmeier alias Döser mit der Hand den „Tags“, den Buchstaben seines Namens nach, die in einem überdimensionalen Gemälde aus Grau-, Blau- und Grüntönen zerfließen. Ob es eine Blüte, ein Gesicht, oder gar ein Coronavirus darstellen soll, ist beim ersten Anblick des Werks auf der etwa sieben mal sieben Meter großen Wand bei den japanischen Kirschbäumen im Enzauenpark nebensächlich.

Graffiti sind nicht gleich Schmierereien

Die vor einigen Tagen kunstvoll aufgesprühte Arbeit des 34-Jährigen zieht den Betrachter in Bann. Stadtrat und Installationskünstler Andreas Sarow sieht darin ein perfektes Beispiel dafür, dass Graffiti nicht mit Schmierereien gleichzusetzen sind.

Er wünscht sich mehr von dieser Kunst in seiner Heimatstadt und ist überzeugt: Über solche Hotspots wie jenen im Enzauenpark lasse sich mit wenig Aufwand eine große Wirkung in Pforzheim erzielen. „Legales Graffiti bringt die Stadt weiter.“ Um sie in Pforzheim zu etablieren, müssten mehr „Vorzeigeprojekte“ wie jenes von Döser entwickelt werden, meint Sarow.

Für ihn sind Orte wie der Enzauenpark oder der Stadtgarten prädestiniert, um einen „Place to be“ mit einem „Place of Art“ zu vereinen. „Man braucht etwas in der Stadt, um in die Öffentlichkeit rauszugehen“, sagt Sarow.

Im Enzauenpark hat den beiden Künstlern die Natur in die Hände gespielt: Die prachtvollen japanischen Kirschblüten waren Inspirationsquelle. „So was haben wir hier auch“, dachte sich Sarow, in Erinnerung an die Bonner Altstadt, die jedes Frühjahr zur Pilgerstätte wird. „Das hat mich veranlasst, diesen Ort hier über Instagram analog zum weltberühmten #kirschblütenbonn zu pushen.“

Sarow machte Selfies, verlinkte diese mit denen anderer Park-Besucher, und so entstand in sozialen Netzwerken das Hashtag #kirschblütenpforzheim.

Skeptische Passanten-Fragen nach der Erlaubnis

Dass die große steinerne Wand bei den Kirschbäumen geradezu perfekt zu einem Ort für Kunst im öffentlichen Raum taugen würde, war dann der nächste Schritt. Und so rückte der gebürtige Ötisheimer Döser eines Nachmittags mit Farbe und Sprühdosen an. Er säuberte die Riesen „Leinwand“ und legte los.

Nach zwei mal fünf Stunden Arbeit und unter manchen skeptischen Fragen, ob er denn dafür eine Erlaubnis habe, war das Kunstwerk fertig.

Kennengelernt haben sich Sarow und Döser 2015 im Zusammenhang mit der Schwarzen Villa, jenem bundesweit für viel Aufsehen sorgenden Projekt, bei dem Sarow über Nacht eine Jugendstilvilla schwarz angemalt hatte. Eine geplante Graffiti-Aktion verbot die Stadt damals, doch der Kontakt zwischen Stadtrat und Installationskünstler Sarow und dem Graffiti- und Streetart-Künstler Döser blieb bestehen.

Der gelernte Drucker Döser verdient seinen Lebensunterhalt vor allem im Stechen von Tattoos im Modhouse, hat aber auch etliche Kunstprojekte unter anderem in Mühlacker gemacht.

Mehr Hotspots für Kunst im öffentlichen Raum

„Er ist für mich einer der Besten, die wir in Pforzheim haben“, sagt Sarow über den Streetart-Künstler. Deshalb werde er sich als Stadtrat dafür einsetzen, dass Döser an anderen Flächen in der Stadt zum Einsatz kommt, an denen legale Graffiti möglich sind.

Sarow denkt etwa an das alte Bahngebäude der ehemaligen „Factory“ an der Untere Wilferdinger Straße und an die Unterführung beim Busbahnhof unterhalb der Nordstadtbrücke. Er sei im Gespräch mit dem Kulturamt. Auch Döser fallen einige Flecke in der Stadt ein, die unter künstlerischer Gestaltung gewönnen und zum öffentlich beachteten Hotspot werden könnten. Warum also nicht einen Brückenpfeiler an der Enz aus seinem grauen Kontext herausholen?

Dösers besprühte Wand im Enzauenpark hat Sarow in Instagram unter #thewallpforzheim eingeführt.

„Der Ursprung ist floral, das Zentrum einer Blüte“, erklärt Döser. Dass im Lauf der Arbeit ein Schädel oder auch eine an das Coronavirus erinnernde Form entstanden ist, habe er nicht beabsichtigt.

Sarow: Schmierereien müssen entfernt werden

Sarow zielt mit solchen Aktionen, die sich im Nu in sozialen Netzwerken verbreiten, darauf ab, das Image der Stadt zu verbessern. Dass es dazu einer Akzeptanz nicht nur bei Facebook- und Instagram-Nutzern bedarf, ist dem CDU-Politiker bewusst.

Viele assoziieren mit Graffiti insbesondere die „Tags“, die geschriebenen Namen der Künstler. „Wir müssen versuchen, Graffiti als figurale Streetart zu etablieren und mehr zeigen, als ’nur’ die Tags, die auch ihre Daseinsberechtigung haben, jedoch zunächst nicht dem bisher ablehnenden Betrachter dieser Kunstform vermittelbar sind.“ Auf der Wand im Enzauenpark hat Döser beide Techniken miteinander vereint.

Dass mehr Graffiti auch mehr Schmierereien in den öffentlichen Raum bringen könnte, will Sarow nicht ausschließen. Für ihn sind das Kollateralschäden, die man entfernen müsse. Weshalb er sich auch zum Einsatz des „Anti-Schmierereien-Mobils“ bekennt, wie er das Pforzheimer Vorzeigeprojekt von Stadt und Polizei deshalb in Abgrenzung zur Streetart bezeichnet.

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