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Erster Verhandlungstag

Stadtwerke-Affäre Pforzheim: Gefeuerter Chef kann mit Abfindung rechnen

Es ist wie bei einer Scheidung, am Ende wird nur noch ums Geld gestritten. Pforzheims Ex-Stadtwerke-Chef Roger Heidt (CDU) und sein Co-Geschäftsführer Thomas Engelhard klagen gegen ihren fristlosen Rauswurf vom Januar dieses Jahres. Nach dem ersten Verhandlungstag stehen die Chancen auf eine Abfindung gut.

Langer Prozess: Die Ex-Geschäftsführer Roger Heidt (links) und Thomas Engelhard (rechts) wollen in der Pforzheimer Stadtwerke-Affäre nichts falsch gemacht haben und klagen gegen ihre fristlose Entlassung.
Geduldspiel vor Gericht: Pforzheims früherer Erster Bürgermeister Roger Heidt (CDU), hier links auf einem Archivbild mit Anwälten, wehrt sich gegen seine fristlose Kündigung als Stadtwerke-Chef im Januar 2019. Foto: Jürgen Müller

Am ersten Verhandlungstag vor der auswärtigen Handelskammer des Landgerichts Karlsruhe in Pforzheim machen ihre Anwälte am Donnerstag klar, dass die beiden Manager sich zu Unrecht geschasst sehen in einer Affäre um waghalsige Geschäfte, verlorene Millionen und einem Haifischbecken voller politischer Interessen.

Hier wurden ehrenwerte Menschen öffentlich geschlachtet.

Die Verhandlung läuft noch keine halbe Stunde, da macht Silja Maul von der Mannheimer Kanzlei „Dr. Maul, Janson-Cermak, Eska“ klar, dass es auch bei dieser Scheidung um tiefe Verletzungen geht: „Hier wurden ehrenwerte Menschen öffentlich geschlachtet.“ Heidt und Engelhard hätten nichts falsch gemacht und stünden nun vor dem Trümmern ihrer Reputation und Existenz. Roger Heidt nickt sachte.

Jäher Absturz des ehemaligen Bürgermeisters

Der 59-jährige ehemalige Erste Bürgermeister der Stadt und frühere Tourismusdirektor des Landes Baden-Württemberg erlebte dieses Jahr einen jähen Absturz, der ein wenig an Stefan Mappus erinnert, den glücklosen Ministerpräsidenten aus Pforzheim, seinen Freund aus gemeinsamen Zeiten bei der Jungen Union. Zeiten, in denen CDU-Mehrheiten im Südwesten noch gottgegeben schienen.

Nun sitzt Roger Heidt in einem überhitzten Verhandlungszimmer wie versunken auf seinem Stuhl. Die Schultern hängen im Nadelstreifen-Zweireiher.

Stadtwerke Pforzheim: Heidt klagt gegen Rauswurf

Noch vor ein paar Monaten gehörte er zu den Honorationen der Stadt. Jetzt steht er öffentlich als „Niete in Nadelstreifen“ da. Seine eigenen Leute, so muss es ihm vorkommen, haben ihn dazu abgestempelt. Ausgerechnet Heidts Nachfolger im Rathaus Dirk Büscher hat ihn Ende Januar gefeuert.

Zuvor hatte die „Stadtwerke-Affäre“ um vermeintlich plötzliche Millionenverluste für einen politischen Eklat gesorgt – auch deshalb, weil eine bereits fest im notorisch klammen Stadthaushalt eingeplante Gewinnausschüttung von rund sechs Millionen Euro vom Aufsichtsrat kurzfristig gekappt wurde. Die Folge: OB Peter Bochs Haushaltsplan war plötzlich Makulatur. Büscher und Boch ließen ihren Parteifreund fallen. Das gestörte Vertrauensverhältnis mache eine weitere Zusammenarbeit unmöglich. Heidt und Engelhard hätten Informationen über Verluste im schon länger kriselnden und nun völlig aus dem Ruder gelaufenen Telesales-Segment erst verheimlicht und später durch Bilanztricks vertuschen wollen, so wurde kolportiert. Der Aufsichtsrat habe die Notbremse ziehen müssen.

Anwälte säen Zweifel an Version der Stadt Pforzheim

Inwiefern die folgenschwere Entscheidung des hauptsächlich von Pforzheimer Politikern (etwa FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke) besetzten Aufsichtsrats zwingend war, spielt in der Verhandlung auch eine Rolle. Vorsitzender Richter Bernd Kantlehner muss klären, ob die fristlose Kündigung gerechtfertigt war. 100-prozentig sicher sei das wohl nicht, so der Richter in einer ersten Einschätzung. Er wirbt für einen Vergleich. Regulär wäre der Vertrag von Roger Heidt noch mehrere Jahre gelaufen. Der Richter lässt durchblicken, dass es nicht gerade um geringe Beträge geht.

Nach dem ersten Verhandlungstag scheint klar, dass eine diskrete Einigung durchaus ihre Vorteile hätte. Ihre Anwälte säen jedenfalls geschickt Zweifel an der Version der Stadt: War die Situation tatsächlich so dramatisch? Welche Verantwortung hat der Aufsichtsrat? Wusste der Bürgermeister nicht doch schon früher von der Entwicklung?

Bis zum nächsten Verhandlungstermin am 7. November sollen die Parteien nun ausloten, ob eine finanzielle Einigung erzielt werden kann, oder ob womöglich viele Monate weiter verhandelt wird. Es geht also ums Geld, so oder so. Richter Kantlehner: „Am Ende muss eine Zahlung stehen.“

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