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Angeklagter spricht

Mordprozess um Schmuckhändler aus Pforzheim: Vertuschungsaktion statt Mord aus Habgier?

Im Mordprozess um den getöteten Pforzheimer Schmuckhändler beschrieb der Angeklagte die Umstände des letzten Treffens der beiden Männer. Der Schmuckhändler soll plötzlich bewusstlos geworden sein. Laut Obduktionsbericht ist der 57-Jährige erwürgt worden.

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Die Umstände am Todestag des Pforzheimer Schmuckhändlers schilderte der Angeklagte am dritten Verhandlungstag am Landgericht Karlsruhe. Foto: Torsten Ochs

Es klang wie eine große Vertuschungsaktion, als der Angeklagte die Umstände im Mordprozess um den getöteten Pforzheimer Schmuckhändler schilderte. Am dritten Verhandlungstag am Karlsruher Landgericht beschrieb der 37-Jährige auf der Anklagebank am Mittwoch seine Beziehung zum Schmuckhändler und den genauen Ablauf an dessen Todestag.

Lange war der Schmuckhändler der Kunde des Angeklagten aus dem Landkreis Calw, der die Pforzheimer Firma seiner Mutter übernommen hatte und mit Edelsteinen handelte. 2018 wollte er sein Geschäft mit einer eigenen Schmuckkollektion erweitern.

Da der Schmuckhändler gut vernetzt war, bot der 37-Jährige ihm an, in das Projekt miteinzusteigen, erzählte er im Schwurgericht vor großem Publikum. Der Schmuckhändler sollte die Modell liefern – einfache Ringe mit einem Solitär und später auch Trauringe.

Schmuckhändler bot Kollektion mehreren Firmen an

Verwundert sei er allerdings gewesen, als er bei anderen Kunden festgestellt habe, dass der Schmuckhändler die Kollektion ohne Absprache auch anderen Firmen angeboten habe, sagte der Angeklagte, der den Schmuckhändler auf die Sache ansprechen wollte: bei einem Treffen am 21. Juni 2019 in seinem Büro in Pforzheim.

Es sei eine glückliche Phase in seinem Leben gewesen, beschrieb der 37-Jährige seine Stimmung vor dem fatalen Termin. Kurz zuvor habe er erfahren, dass seine Frau schwanger ist. Außerdem schien das Schmuckprojekt, in das er 80.000 Euro investiert hatte, Früchte zu tragen.

Schmuckhändler sitzt bewusstlos im Stuhl

Beim Treffen mit dem 57-jährigen Schmuckhändler machte er deutlich, dass er es nicht in Ordnung fand, dass dieser seine Kollektion auch anderen verkaufte und hatte vor, eine Abschlagszahlung zu verlangen. Er ging in die Küche, um Sushi zu holen und fand bei seiner Rückkehr den Schmuckhändler bewusstlos im Stuhl sitzend vor. Er habe versucht, ihn wachzurütteln und dran gedacht, einen Notarzt zu rufen, sagte der 37-Jährige aus.

Warum er das nicht gemacht hat, begründete er auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Alexander Lautz mit der Angst vor der Untersuchungshaft. Wie berichtet, saß der Beschuldigte wegen Besitzes von kinderpornografischer Bilder und Videos in den USA und in Deutschland in Haft.

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Mit Metalldetektoren haben Polizeibeamte Anfang Juli 2019 am Enzufer nach Hinweisen auf den ermordeten Pforzheimer Schmuckhändler gesucht. Tage später wurde ein Tatverdächtiger festgenommen. Foto: Ehmann

Ablenkungsmanöver aus Angst vor U-Haft?

Er habe den Schmuckhändler verdächtigt, das Reinigungsmittel auf dem Schreibtisch, das wie K.o.-Tropfen wirkt, absichtlich geschluckt zu haben, um seinem Geschäftspartner später die Schuld zuschieben zu können, sagte er weiter aus.

Die Angst vor der Haft sei auch der Grund gewesen, warum er das Handy und das Auto des immer noch bewusstlosen Schmuckhändlers genommen und vor dessen Firmensitz in der Abnobastraße abgestellt habe. Auch die SMS und die Sprachnachrichten auf der Mailbox des Schmuckhändlers dienten Stunden später dem Zweck, davon abzulenken, dass der 57-Jährige immer noch auf dem Boden seines Büros lag.

Er habe ihn am Hals und Arm gepackt und versucht, ihn wieder auf den Stuhl zu setzen, was nicht klappte. Er machte einen Kundenbesuch und als er zurück kam, sei der Schmuckhändler tot gewesen.

Geschäftspartner rieten, Leiche loszuwerden

In seiner Panik habe er zwei Geschäftsfreunde kontaktiert, die ihm rieten, die Leiche loszuwerden, „am besten verbrennen und am besten im Ausland“, schilderte der Angeklagte. Er habe den toten Schmuckhändler abends in sein Auto geschleppt und sei mit ihm ins Elsass gefahren, wo er ihn mit Benzin überschüttet und angezündet habe.

Anschließend sei er ezu einem Kunden nach Antwerpen weitergefahren, um einen Grund für seine Reise angeben zu können. Ein Paket mit Altgold, das die beiden Geschäftsfreunde für sich beanspruchten, habe er einschmelzen lassen.

Ich habe die Falschen um Rat gefragt

Angeklagter im Mordprozess

Oberstaatsanwalt Harald Lustig wies darauf hin, dass der 57-Jährige an den Folgen einer Strangulation starb.

„Ich habe die Falschen um Rat gefragt“, sagte der Angeklagte auf die Frage des Richters, ob er sich für den Tod des Schmuckhändlers verantwortlich fühle. „Ich habe aber keinen Grund gehabt, ihm etwas anzutun.

Mithäftlinge sollen kinderpornografisches Material geschickt haben

Den zweiten Vorwurf – der Besitz von kinderpornografischem Material – führte er auf den Kontakt mit ehemaligen Mithäftlingen zurück. Sie hätten ihm die Bilder und Videos über das Darknet geschickt, so der Angeklagte.

Der Prozess geht am Donnerstag, 23. April,  ab 9 Uhr mit der Befragung von vier Zeugen weiter.

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