Wolfgang Scheidtweiler ist Kümmerer und Macher; einer, der sich freut, wenn Dank seiner vielen Talente auch das Allgemeinwohl profitiert. Wer ihn nicht wirklich kennt, würde ihn vielleicht als Hansdampf in allen Gassen bezeichnen. Doch das trifft es nicht. Scheidtweiler ist zwar vielerorts zwischen Bodensee und der Eifel für seine Projekte und Firmen unterwegs. Aber er ist kein rastloser Wichtigtuer.
Was er zweifelsohne ist: ein Optimist. „Bei allen Dingen denke ich erst mal: Das kriege ich hin. Dass der Teufel im Detail steckt, ist eh klar.“ Der 72-Jährige hat „großes Gottvertrauen“, wie er sagt. Das und die Familie sind für ihn Kraftquellen.
Auch wenn er nach außen hin das Gesicht der Pforzheimer Scheidtweiler-Gruppe ist, ist ihm bewusst, dass auch andere zählen: seine Frau Andrea, Tochter Dorothee, der Schwieger- und der Patensohn, die ebenfalls im Firmengeflecht den Überblick haben. Und auf die Mitarbeiter komme es an – die Firmengruppe hat umgerechnet immerhin an die 900 Vollzeitstellen. Wobei: Firmengruppe, das hört sich für einen wie Wolfgang Scheidtweiler viel zu hochtrabend an. „Wir leben das Familiäre“, betont er.
Scheidtweiler ist ein Perfektionist
Der Pforzheimer ist auch Perfektionist. Ein Beispiel: Da schlendert er mit seinem BNN-Besucher durch den 1912 erbauten und umfunktionierten Gasometer in Pforzheim, in dem nach Rom nun das von Künstler Yadegar Asisi geschaffene 360-Grad-Panorama des Great Barrier Reef Besucherscharen anlockt – über 650 000 seit der Neueröffnung im Jahr 2014. Scheidtweiler erzählt von den technischen Details des früheren Gasspeichers der Stadt, den er als Industriedenkmal erhalten hat. Von der Rolle des Wassers als Dichtmittel und dass er ein sogenannter Glockengasbehälter war. Oder er erklärt die Klänge im Unterwasserwelt-Spektakel. „Das ist Original Wal-Gesang.“ Dann entdeckt er irgendwo einen LED-Strahler und greift beherzt zu. „Der ist nicht richtig eingestellt.“
Oder seine Hotels. Die Betten habe er getestet, bevor man Gäste hatte. Und man biete bei den Doppelbetten eine weiche und eine harte Matratze an. Der Kunde wisse es zu schätzen, wenn er eine solche Auswahl hat, sagt Scheidtweiler.
Streben nach Perfektionismus auch beim Bier. Top-Qualität bieten und Besonderheiten, das zähle – so wie er bereits 1978 als erste Brauerei im Südwesten ein Naturtrübes abfüllen ließ.
Damals, beim Studium in Weihenstephan, hat er Roland Berger kennengelernt und auch später Vorträge der Unternehmerberater-Legende besucht. Diese sah den Untergang der kleinen Brauereien. Und auch heute, Jahrzehnte später, schütteln viele den Kopf, wenn Scheidtweiler munter Brauereien kauft und mit viel Liebe zum Detail wieder etwas aus ihnen macht.
Seine Kollegen aus der Brauer-Branche sind längst aber nicht mehr skeptisch. Denn der 72-jährige hat ihnen mehrfach bewiesen: Er kann’s. Die bisherigen Brauereien sind alle rentabel, bei der 2018 zugekauften Hatz-Moninger werde in absehbarer Zeit die Gewinnschwelle erreicht. „Bier ist auch ein wichtiges Kulturgut“, sagt Scheidtweiler und hebt dabei mahnend beide Hände in die Luft.
"Mehr als essen und trinken können wir nicht"
Die Scheidtweiler-Familie ist nicht auf Gewinnmaximierung aus. „Mehr als essen und trinken können wir nicht“, sagt der Chef. Sie investiert lieber kontinuierlich. Immer etwas Neues wagen. Immer eine Herausforderung. Dann nennt Scheidtweiler, der Ungeduld als seine Schwäche nennt, Beispiele. Er sprüht geradezu vor Ideen: bei den Brauereien, bei den Hotels, bei angedachten Projekten für Pforzheim. Eine Stadt, die Scheidtweiler – man sieht es an seinen funkelnden Augen – mag und schätzt. „Ich mache nur noch, was mir Spaß macht“, sagt der Mann, der eben nicht in Rente will. Es wäre unfair, an dieser Stelle nur eine seiner vielen Ideen herauszugreifen – alle zu erklären, würde diese Seite sprengen. Seine größte Leidenschaft sei es jedenfalls, „alte Häuser zu erhalten“.
„Et kütt, wie et kütt“ und „Et hätt noch immer jot jejange“. Es sind zwei Lebensweisheiten aus dem Rheinland, die Scheidtweiler bislang geholfen haben. Übersetzt: „Es kommt, wie es kommt“ und „Es ist immer noch gut gegangen.“ Aufgewachsen ist er in Wachendorf, einem 640-Einwohner-Ort in der Eifel, mit zwei älteren Geschwistern. Der Vater ist Jurist, Dr. Scheidtweiler. Und der gründet 1960 eine Brauerei, obwohl er es bis dahin nicht allzu sehr mit Bier hatte. „Als ich zwölf Jahre alt war, war klar, dass ich Brauer werden musste“, sagt Wolfgang Scheidtweiler verschmitzt.
Im Gymnasium bleibt er sitzen. Er meistert die vom Vater erwünschte Brauerlehre und über den zweiten Bildungsweg im Brauer-Olymp Weihenstephan den Diplom-Braumeister sowie den Diplom-Ingenieur Brauwesen – beides in gerade einmal neun Semester. Parallel leitet er die heimische Brauerei, weil der Vater kurz nach dem Studienbeginn des Juniors gestorben ist. Und er lernt in Weihenstephan seine heutige Frau Andrea kennen. Deren Familie besitzt die Brauerei Ruppaner in Konstanz und eben das Brauhaus Pforzheim. Sie ziehen dort hin, lernen die Stadt erst kennen und dann lieben.
Das Multitalent Scheidtweiler findet in seinen vielen Projekten zugleich seine Hobbys. Ja, er wandere auch gerne. Bei den Reisen, die seine Frau für dieses Jahr gebucht hat, muss er schon kurz über die Ziele sinnieren. Das Great Barrier Reef in Australien ist nicht dabei, auch weil Scheidtweiler lange Flüge nicht so mag. Aber er hat’s in Pracht ja im Gasometer Pforzheim vor der Haustür – und macht damit großen wie kleinen Besucher eine Riesenfreude.