Wer sich mit seiner Frisur oder Matte in den letzten Tagen vorkam wie Janis Joplin oder die Beatles in ihren wildesten Zeiten, der hat seit Montag wieder gut lachen. Die Zeit, in der Mann und Frau mit mal mehr, mal weniger Erfolg selbst Hand anlegen mussten, ist vorbei. Auch der Friseur meines Vertrauens darf nach wochenlanger Corona-Zwangspause unter strengen Auflagen den Betrieb wieder aufnehmen. Ein Selbstversuch unseres Redakteurs Ralf Joachim Kraft.
Den Termin habe ich vorab vereinbart, denn „Walk-in-Termine“, sprich spontane Kunden-Besuche, müssen die Friseure vermeiden. Schon bei der Terminvergabe, die nur digital oder telefonisch möglich ist, wird mir mitgeteilt, dass bei Krankheitssymptomen das Geschäft nicht betreten werden darf.
Mit einem komischen Gefühl stehe ich jetzt vor dem Salon von Friseurmeister Reiner Muckenfuss in Rastatt und freue mich, dass auf meinem Kopf bald wieder Ordnung herrscht. Allerdings weiß ich nicht so recht, was mich da drin gleich erwartet.
Ich betrete das mir vertraute Geschäft mit einer Mund-Nasen-Bedeckung, die während des gesamten Aufenthalts getragen werden muss – genauso wie die Beschäftigten, die ihre Schutzmasken nach jedem Kunden wechseln müssen, wie mir der Saloninhaber mitteilt. Das alles wirkt irgendwie gespenstisch, auf jeden Fall sehr eigenartig.
„Ich bin vor diesem Neustart selbst etwas aufgeregt. Ich habe die Nacht zuvor fast kein Auge zugetan“, verrät Muckenfuss, der sich im Moment vor Terminanfragen kaum retten kann. Fast pausenlos klingelt das Telefon. „Der Mai ist gerettet“, freut sich der Friseur, der schon vor Corona Umsatzeinbußen durch eine Großbaustelle vor seinem Geschäft verzeichnete und noch auf die Auszahlung der Soforthilfe wartet.
Eine halbe Milliarde Euro Umsatzeinbußen
Bundesweit haben Friseure durch die Zwangspause mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz verloren. So schätzt es zumindest Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, laut Nachrichtenagentur dpa.
Ich bin vor diesem Neustart selbst etwas aufgeregt. Ich habe die Nacht zuvor fast kein Auge zugetan.Friseurmeister Reiner Muckenfuss
Die Öffnung sei rechtzeitig gekommen. Alle Unternehmen hätten ihre Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt, sagt Müller. „Das hat natürlich auch Entlassungen verhindert und diese Mitarbeiter werden jetzt bei der Wiedereröffnung händeringend gebraucht.“ Viele Friseure setzten ihre Beschäftigten nun in Schichten ein, um länger öffnen zu können und den Kundenstrom zu entzerren.
Trotz des traditionellen Ruhetags der Branche haben am Montag nahezu sämtliche Salons in Deutschland wieder geöffnet. „Sowohl die Friseure als auch die Kunden haben sich nach der Zwangspause sehr auf diesen Tag und diese Termine gefreut“, sagt Müller.
Friseurmeister Muckenfuss bittet höflich darum, im Wartebereich, „der für Kunden geschlossen ist“, meine Hände zu desinfizieren oder diese mit Flüssigseife zu waschen. Ich entscheide mich für die Desinfektion. Im Eingangsbereich fällt mein Blick auf eine Infotafel mit Hinweisen auf den Mindestabstand von 1,5 Metern und die Hygieneregeln. Bodenmarkierungen zeigen die Bewegungszonen an.
Außer dem Friseur, einer Mitarbeiterin und mir selbst befindet sich noch eine weitere Kundin im Laden des Karlsruhers, der neben seinem Stammgeschäft in der Fächerstadt seit 21 Jahren seinen Salon in Rastatt betreibt. Die Anzahl der Personen, die sich im Laden aufhalten dürfen, richtet sich nach der Salongröße und den Gegebenheiten vor Ort.
Haare waschen ist jetzt Pflicht
Um die nötige Distanz wahren zu können, wird nur an jedem zweiten von insgesamt sieben Friseurstühlen gearbeitet. Vor dem Schneiden bekomme ich erst mal die Haare gewaschen. Das ist so vorgeschrieben, „um eventuell darin haftende Viren zu vernichten“, erklärt der Friseur, der mir ein Handtuch über die Schultern legt. Dann geht’s rüber zum Friseurstuhl.
Ich erhalte einen Einmal-Kundenumhang aus transparenter Plastikfolie, der danach in den Mülleimer wandern wird. Auch der Chef und seine Mitarbeiterin tragen Schutzkittel, die nach jedem Kunden gewechselt und später gewaschen werden müssen.
Die Konversation beim Haareschneiden verläuft mit Gesichtsschutz anderes als gewohnt, nämlich eher stumm. Eigentlich soll überhaupt nicht geredet werden. So schreiben es die strengen Regeln der Landesregierung vor.
Mehr zum Thema:In der Corona-Verordnung für Friseurbetriebe in Baden-Württemberg steht: „Während der Tätigkeit an der Kundschaft ist die Kommunikation mit dieser auf ein Minimus zu beschränken und darf nur mit Blickkontakt über den Spiegel erfolgen; die direkte Kommunikation ist nicht zulässig.“
Für mich als Kunden ist das ein seltsames Gefühl. Denn mit wem spricht man lieber über Gott und die Welt als mit seinem Friseur? Auch auf die übliche Bewirtung muss ich im Salon verzichten. Getränke oder Zeitschriften hätte ich mitbringen dürfen, diese aber auch selbst entsorgen müssen.
Rasieren oder Wimpern färben darf der Friseur nicht
Wäre ich gekommen, um mich auch noch rasieren zu lassen, hätte ich Pech gehabt, denn alle „Dienstleistungen, die das Gesicht betreffen“ sind verboten. Das betrifft nicht nur die Bärte der männlichen Kunden, sondern bei Augenbrauen und Wimpern auch die weiblichen. Außerdem schreibt die Corona-Verordnung vor: „Auf das Föhnen der Haare soll nach Möglichkeit verzichtet werden.“
Vor einem Plexiglas-Schutzschild bezahle ich denselben Preis wie immer. Ich freue mich, dass ich endlich wieder einen ordentlichen Haarschnitt habe, hinterlasse meine Kontaktdaten und beobachte noch, wie die Haare weggefegt, der Stuhl und die Ablagen gereinigt werden und das Werkzeug desinfiziert wird. Der nächste Kunde wartet bereits – draußen vor der Tür.