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Aktion ist ein Volltreffer

Chorprobe mal anders: Ötigheimer singen in ihren Autos

In der Corona-Krise sind schon viele kreative Ideen geboren und umgesetzt worden. Aber eine "Autochorprobe", wie sie der MGV Ötigheim jetzt auf die Beine gestellt hat, gab es in der Region vermutlich noch nie. Mehr als 50 Fahrzeuge haben an der Premiere teilgenommen. Die Aktion war ein Volltreffer.

So voll kennt man den Parkplatz der Volksschauspiele nur bei Aufführungen auf dem Tellplatz. Am Donnerstag ging dort die erste Autochorprobe über die Bühne.
So voll kennt man den Parkplatz der Volksschauspiele nur bei Aufführungen auf dem Tellplatz. Am Donnerstag ging dort die erste Autochorprobe über die Bühne. Foto: None

In der Corona-Krise sind schon viele kreative Ideen geboren und umgesetzt worden. Aber eine "Autochorprobe" wie sie der MGV Ötigheim jetzt auf die Beine gestellt hat, gab es in der Region vermutlich noch nie. Mehr als 50 Fahrzeuge haben an der Premiere teilgenommen. Die Aktion war ein Volltreffer.

Als am Donnerstagabend gegen 18.40 Uhr die ersten Autos anrollen, stehen auf dem Parkplatz der Volksschauspiele Ötigheim Parkplatzordner mit Weste und Mund-Nase-Schutz parat, winken die Fahrzeuge herbei und weisen sie ein. Schon nach kurzer Zeit stehen mehr als 50 Autos ordentlich in Reih und Glied, vor allem aber in großem Sicherheitsabstand zueinander.

„Was geht denn hier ab?“, fragt eine Passantin, die mit ihrem Hund gerade in Richtung der Ställe des Ötigheimer Reitervereins unterwegs ist und sich über die vielen Autos wundert. Die Antwort liefert der MGV 1863 Ötigheim, der auch in Zeiten der Corona-Pandemie überaus aktiv ist und gerade in der häuslichen Isolation ganz neue Wege geht.

Verein will ein Stück zurück zur Normalität

Die Sänger machen sich bereit für eine bislang einmalige „StimmKultur“-Aktion, mit der sich der Verein wieder ein kleines Stück in Richtung Normalität bewegen möchte. „Dafür haben wir jetzt eine Möglichkeit gefunden“, sagt Vereinssprecher Sebastian Kühn, kurz bevor die Choristen des Ötigheimer Traditionsvereins in ihre „erste Autochorprobe“ starten und – dem Vorbild von Autokinos und Autokonzerten folgend – etwas mehr als eine Stunde lang gemeinsam proben.

Wir wollen mit der Autochorprobe ein Zeichen gegen die Vereinsamung setzen.
Sebastian Kühn, MGV 1863 Ötigheim

Eigentlich bietet sich solch ein Bild mit so vielen Autos nur an Tagen, an denen auf der Freilichtbühne irgendetwas aufgeführt wird. Doch in diesem Jahr wird gar nichts aufgeführt, denn die Saison wurde wegen Corona abgesagt und ins nächste Jahr verschoben.

Gerade eben kommt Bürgermeister Frank Kiefer mit Söhnchen Philipp im Schlepptau angeradelt, freut sich und erklärt mit einem breiten Grinsen im Gesicht, dass es solche Aktionen wirklich nur in Ötigheim gebe. Auch Gemeinderat Nicolas Späth hat sich auf den Drahtesel geschwungen und schaut vorbei, um das ungewöhnliche Event der surrealen Art eine Zeitlang zu beobachten.

Der musikalische Leiter des MGV, Matthias Böhringer, hat schon vieles dirigiert, aber noch nie Menschen in Autos - auf einer zur Bühne umfunktionierten Lkw-Ladefläche.
Der musikalische Leiter des MGV, Matthias Böhringer, hat schon vieles dirigiert, aber noch nie Menschen in Autos - auf einer zur Bühne umfunktionierten Lkw-Ladefläche. Foto: Ralf Joachim Kraft

In der Corona-Krise wurden aus der Not heraus schon viele kreative Ideen geboren und umgesetzt. Aber eine dermaßen ungewöhnliche Chorprobe mit Eventcharakter gab es in der Region vermutlich noch nie. Der Verein habe dafür die „allerneueste Silent-Event-Technik“ gemietet, sagt Kühn - und schon nimmt die Aktion ihren Lauf.

Auf einem Lkw der Volksschauspiele wurde eine Bühne für den musikalischen Leiter, Matthias Böhringer, aufgebaut. Der Dirigent sitzt am E-Piano, umringt von ziemlich viel Technik. Die Sänger sitzen derweil in ihren Autos, manche allein, etliche zu zweit oder auch mit der ganzen Familie. Fast alle haben die Fenster geöffnet, nur bei wenigen sind sie geschlossen. Aber das können sie selbst entscheiden.

Drohne filmt Aktion von oben

Über dem Parklatz schwebt eine Drohne, die die Premiere von oben filmt. Die Organisatoren, die alle Mund-Nase-Schutz und Handschuhe tragen, haben desinfizierte Kopfhörer verteilt. Und die Sänger sind jetzt alle happy, dass sie sich nach so langer Zeit endlich mal wieder treffen, aus dem Auto heraus zusammen singen und Lieder wie zum Beispiel den „Riversong“, das Lied „Evening Rise“ oder den Hit „Let’s Get Loud“ von Jennifer Lopez anstimmen dürfen.

Dank der geöffneten Fenster ist der Gesang gut zu hören. Zwischendurch lassen die Sänger immer wieder die Lichthupe aufleuchten oder geben kleine Hupkonzerte. „Zugegeben, das ist schon ein bisschen verrückt, was wir da machen. Zumindest ist es nicht normal“, bekenn Kühn.

Der Gesang kam aus Gesang aus 50 Fahrzeugen.
Der Gesang kam aus Gesang aus 50 Fahrzeugen. Foto: Kraft

„Bisher habe ich solch ein Konzept für einen Chor auch noch nicht gesehen. Aber wir finden, es hat eine Chance verdient und deshalb wollen wir dieses Konzept auch noch weiter ausbauen“, betont der Vereinssprecher, der nach der gelungenen Premiere voller Freude verkündet: „Ich bin sehr glücklich, wie das alles gelaufen ist. Es war sehr intensiv. Das hat uns alle überrascht. Am 28. Mai treffen wir uns zur zweiten Autochorprobe.“

In der aktuell gerade für die Sänger sehr schwierigen Situation gehe es vor allen Dingen darum, ein Zeichen gegen die Vereinsamung zu setzten und zu zeigen, dass wir alle zusammengehören, die Musik lieben und auch mit Abstand und Distanz ein wirkliches Gemeinschaftsgefühl entstehen kann“, erklärt der Vereinssprecher, der anfangs betonte, dass es sich eher um ein Event und nicht um eine richtige, sprich ernsthafte Chorprobe handele.

Am Ende hat Kühn seine Meinung freilich geändert: „Letzten Endes war dieses Treffen doch mehr Chorprobe als Event.“

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