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Leben vom Fischfang

Corona leert Seychellen-Strand: Fischerboot wird für badischen Insulaner zum Rettungsanker

Seit 23 Jahren lebt Roland Becker aus Steinmauern auf den Seychellen. In diesem Inselparadies verdient der 60-Jährige seinen Lebensunterhalt als Betreiber einer kleinen Ferienanlage auf der Seychellen-Hauptinsel Mahé. Im Moment hat er aufgrund der Corona-Pandemie keine Gäste, er lebt vom Fischfang.

Ungewohnte Leere: Am Anse Takamaka Beach auf der Hauptinsel Mahé ist aufgrund der Corona-Pandemie aktuell keinerlei Betrieb.
Ungewohnte Leere: Am Anse Takamaka Beach auf der Hauptinsel Mahé ist aufgrund der Corona-Pandemie aktuell keinerlei Betrieb. Foto: pr

Wenn Roland Becker über sein „Paradies auf Erden“ spricht, dann kommt er aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Was nicht verwundert. Schließlich bietet sein „Platz an der Sonne“ eine 365-tägige Schönwettergarantie mit Temperaturen nie unter 24 Grad, Puderzucker-Sandstrände, romantische Badebuchten am türkisblauen Meer und eine Tropenlandschaft wie aus dem Bilderbuch. Also all das, was das Herz eines jeden Urlaubers höherschlagen lässt – in normalen Zeiten jedenfalls.

Seit dem 11. Januar 1997 lebt der gebürtige Steinmauerner auf den Seychellen. In diesem Inselparadies im Indischen Ozean hat er sich sein eigenes kleines Paradies geschaffen. Der 60-Jährige verdient seinen Lebensunterhalt im Tourismus, im Südwesten der Seychellen-Hauptinsel Mahé betreibt er die Ferienanlage „Anse Takamaka View Guesthouse“ mit Haupthaus, Bungalows, Pool, Liegewiese, Terrasse und Hausstrand. Im Moment fehlen in seinem Guesthouse allerdings die Gäste – und schuld daran ist die globale Corona-Pandemie.

Leere Strände, geschlossene Hotels

„Es ist sehr ruhig bei uns geworden“, teilt Becker via E-Mail mit. „Die Strände sind leer. Die meisten ausländischen Arbeitskräfte im Tourismus mussten die Insel verlassen. Die Hotels sind alle geschlossen. Der Flugplatz ist für Passagiere gesperrt. Unsere Airline fliegt nur noch Transporte nach Abu Dhabi, Dubai und Johannesburg. Yachten und Kreuzfahrtschiffen ist die Einreise in seychellische Gewässer momentan untersagt“, erzählt der badische Insulaner, der das alles „im Grunde mal ganz gut“ findet. „Wären da nur nicht die enormen finanziellen Einbußen“, schreibt er.

„Wir haben schwere Zeiten vor uns. Die Pandemie trifft uns hart, weil wir hauptsächlich vom Tourismus, Fischfang und der Vergabe von Fischereirechten leben. Aber wir werden auf dieser kleinen Insel schon durchkommen – irgendwie.“ Im Moment sei er froh, dass er ein Fischerboot besitzt. Mit dem fahren er oder sein Stiefsohn täglich raus, um sich selbst, die Verwandtschaft und Freunde mit Meeresfrüchten zu versorgen. Was übrig bleibt, wird verkauft.

Verstärkt Anrufe in Deutschland aus Sorge um die 91-jährige Mutter

Infos zur Corona-Pandemie beschafft sich Becker aus dem Internet. Aber auch deutsches Fernsehen kann er auf den Seychellen empfangen. „Oft telefoniere ich jetzt auch mit meiner 91-jährigen Mutter, der Becker-Sofie, in Steinmauern. Sie versichert mir immer, dass sie, wenn’s klingelt, nicht die Tür öffnet, sondern ans Fenster geht.“ Er selbst hat keine Angst vor Corona.

„Wir hatten hier bis 14. April elf bestätigte Fälle, aber keine Toten und, ich klopf’ mal auf Holz, keine weiteren Fälle. Im Moment wollte ich an keinem anderen Ort der Welt sein“, betont der 60-Jährige, der darauf hofft, dass sich das Virus in den Tropen nicht so rasch ausbreitet. Generell gilt seit dem 9. April auf den Seychellen, was auch schon in Deutschland und in anderen Ländern gilt. Um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, sollen die Menschen, soweit möglich, soziale Kontakte vermeiden und zu Hause bleiben.

Einschränkungen vorerst bis 29. April

Weitere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gelten bis 4. Mai. Mit Hinweis auf die Ansprache von Präsident Danny Faure zur Covid-19-Situation am 14. April erklärt Becker: „Ich finde, dass die Regierung einen guten Job macht. Sie kommt uns auch entgegen. So werden für Kleinbetriebe die Löhne der nächsten drei Monate übernommen. Kredite können drei Monate pausieren.“

Wie lange die Corona-Krise anhält, wie lange es dauert, bis wieder alles läuft, wie groß die Angst sein wird, wieder Touristen ins Land zu lassen – all das wisse niemand. „Vielleicht sind die Menschen auch so verängstigt oder finanziell geschwächt, dass ihnen andere Dinge erstmal wichtiger sind als Urlaub auf den Seychellen. Niemand weiß das“, so der gelernte Zahntechniker.

Vor 23 Jahren kam er im Auftrag eines Bietigheimer Zahntechnik-Unternehmens auf die Inseln. Er sollte dort ein Dentallabor mit 54 Mitarbeitern aufbauen. Als die Firma 2004 aufgelöst und verkauft wurde, blieb Becker auf Mahé hängen. „Ich bin also kein Aussteiger, sondern habe mich einfach in diese Insel verliebt und wollte nie wieder weg“, so Becker, der neben der deutschen auch die Staatsbürgerschaft der Seychellen hat.

Die Musik ist sein Steckenpferd – abgesehen von den Pferden, die er bei seinen Heimaturlauben im Visier hat. Vor bald 40 Jahren begann er als Kameramann des Rennbahnfernsehens die Vollblüter bei ihrer Galoppade über das Iffezheimer Geläuf zu filmen. Beim Frühjahrsmeeting 2020 laufen diese erstmals ohne Publikum.

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