Führungskräfte der Daimler AG werden darauf geschult, möglichst schnell, effektiv und erfolgreich etwa 15 bis maximal 30-minütige Ausscheidungsgespräche mit Beschäftigten zu führen. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Daimler AG, Michael Brecht, hat jetzt auf BNN-Anfrage bestätigt, dass der Gesamtbetriebsrat erst jüngst auf entsprechende Berichte reagiert habe.
„Die Berichte haben inhaltlich gestimmt. Das gab einen Aufschrei, der aus meiner Sicht etwas Gutes hatte. Denn jetzt sind alle so sensibilisiert, dass es vermutlich keinen weiteren Aufschrei geben wird“, sagt Brecht, der auch die Existenz interner Papiere aus dem Personalbereich des Konzerns bestätigt. Diese seien bei einer Online-Schulung fotografiert worden und in die Hände der Stuttgarter Nachrichten gelangt.
Schon wenige Monate vor der Corona-Krise stand fest, dass im Daimler-Konzern im Zuge eines von Konzernchef Ola Kälennius auf den Weg gebrachten Sparprogramms Tausende Stellen in Deutschland abgebaut werden sollen.
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Das Unternehmen ächzt in Zeiten des Umbruchs der Automobilbranche unter Milliardenkosten und Gewinnrückgang. Zuletzt war davon die Rede, dass bis Ende des Jahres 2022 die Personalkosten um rund 1,4 Milliarden Euro gesenkt und mindestens 10.000 bis etwa 15.000 Stellen wegfallen sollen, zwei Drittel davon in Deutschland.
Neue Irritationen rund um den geplanten Job-Abbau bei Daimler
Michael Brecht, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Daimler AG, zeigte sich erst vor kurzem bei einem Termin in Baden-Baden alles andere als erfreut darüber, dass die Konzernleitung die Planzahlen zum Sparpaket bekanntgegeben hatte, „denn ich will keine Zahlen hören“, bekräftigte der 54-jährige Forbacher aus aktuellem Anlass jetzt noch einmal im Gespräch mit dieser Redaktion.
Erst vor kurzem nämlich drohte im Zusammenhang mit dem geplanten Job-Abbau beim Stuttgarter Autobauer neues Ungemach, auf das diese Redaktion erst durch E-Mails aus der hiesigen Belegschaft aufmerksam wurde.
Sollten Führungskräfte ausscheidenden Mitarbeitern drohen?
In dem internen Daimler-Papier habe es Passagen gegeben, in denen die Führungskräfte auf mögliche Reaktionen der Mitarbeiter vorbereitet und dazu aufgefordert werden, die Trennungsabsicht den Beschäftigten gegenüber unmissverständlich zu kommunizieren.
Wobei jeder Eindruck vermieden werden solle, dass es noch Verhandlungsspielraum gebe. Das Ganze verbunden mit dem Hinweis, dass sich eine Ablehnung des Angebots negativ auf die künftige Leistungsbeurteilung auswirken könnte.
„Wenn sich in einem Konzern die Prozesse verändern und die Effizienz gesteigert werden soll, dann geht das nur über die Anzahl der Beschäftigten“, sagt Brecht, der auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates und Betriebsratschef im Werk Gaggenau ist.
„Es gibt ein Personal-Ausscheidungsprogramm. Dass Führungskräfte für solche Gespräche geschult werden, ist normal. Aber es kommt auf das Wie an. Wenn Mitarbeitern gedroht wird, wenn sie zu etwas gezwungen werden sollen und auch die Führungskräfte entsprechend unter Druck gesetzt werden, ist das nicht gut. Es wäre sogar hirnrissig“, betont Brecht.
Der Betriebsratsvorsitzende erinnert daran, dass laut einer Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung bis Ende des Jahres 2029 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind und gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung für indirekte Bereiche (also alle außer der Produktion) und den Verwaltungsbereich die doppelte Freiwilligkeit gilt.Das heißt, es wird beim Personalabbau in Deutschland auf natürliche Fluktuation und auf freiwilliges Ausscheidenmit Altersteilzeit und Abfindungen gesetzt.„Auf etwa insgesamt vier Seiten hat es in besagtem Papier Formulierungen gegeben, die aus unserer Sicht bedenklich waren“, sagt Brecht.Es hat in dem Papier Formulierungen gegeben, die aus unserer Sicht bedenklich warenMichael Brecht, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Daimler AG
Konzernleitung hat Unterlagen inzwischen geändert
Der Gesamtbetriebsrat habe der Konzernleitung gegenüber deutlich gemacht, dass das so nicht gehe. Inzwischen sei die Führungsebene der Forderung des Betriebsrates nachgekommen, habe die Unterlagen entsprechend geändert und sich in einem sehr „dünnen Statement“ zu einem fairen Umgang bekannt.
„Die Beschäftigten sollen aus freien Stücken kommen – ohne Druck. Die Gespräche müssen von Respekt und Wertschätzung geprägt sein“, betont Brecht.
Die „kritischen Gespräche, zu denen die Mitarbeiter auf jeden Fall den Betriebsrat mitnehmen sollten“, hätten bisher noch nicht begonnen, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. Bislang sei lediglich mit jenen Mitarbeitern gesprochen worden, die sich freiwillig gemeldet haben.