Bei der Rastatter Feuerwehr ist die Lage brenzlig. Die Mitglieder des Verwaltungs- und Finanzausschusses befassen sich an diesem Montag mit dem Feuerwehrbedarfsplan. Eine externe Firma hat das Gutachten erstellt und kommt zu dem Schluss: Tagsüber ist die Verfügbarkeit der Einsatzkräfte an allen Standorten außer der Kernstadt kritisch oder sogar sehr kritisch. Die Experten empfehlen, das hauptamtliche Personal deutlich aufzustocken.
Das würde jährliche Folgekosten von rund 350.000 Euro nach sich ziehen. Der Feuerwehrbedarfsplan datiert ursprünglich aus dem Jahr 2005. Er bildet die Grundlage, um darüber zu entscheiden, wie groß der Personalbedarf bei der Feuerwehr ist.
Dabei gehört es zu den Pflichtaufgaben der Kommunen, eine den Verhältnissen angepasste, leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten. Der Plan bildete die Entwicklung bis 2011 ab, es folgte eine erste Fortschreibung bis 2016. Nun liegt die zweite Fortschreibung vor.
Die Experten kommen dabei zu dem Urteil, dass die Personaldecke sehr dünn ist. Von den 213 ehrenamtlichen Einsatzkräften stünden 60 Prozent werktags nicht zur Verfügung. Gleichzeitig fänden aber 60 Prozent aller Einsätze in diesem Zeitraum statt.
Auch Atemschutz ist ein Problem
Verschärfend komme hinzu, dass im gesamten Stadtgebiet nur sieben Atemschutzträger zeitnah anrücken können. „Weitere Atemschutzträger müssen oftmals erst von entfernteren Arbeitsorten anfahren“, heißt es in der Sitzungsvorlage der Ausschussmitglieder. Dabei sind die Einsatzkräfte stark gefordert.
Im Durchschnitt rücken sie 458 Mal im Jahr aus, hinzu kommen 50 Brandsicherheitswachen. „Im Jahresdurchschnitt absolviert die Freiwillige Feuerwehr Rastatt somit aktuell rein ehrenamtlich fast 1,5 Einsätze an jedem Tag“, lautet die Bilanz.
Im vergangenen Jahr wurden die Daten zu Verfügbarkeit und Einsätzen in der Realität überprüft. Dafür erhielten alle Feuerwehrmänner einen Transponder, in den verschiedenen Gerätehäusern wurden Erfassungsstationen installiert.
Verfügbarkeit laut Messung tagsüber kritisch
Das Ergebnis der Messung: Tagsüber ist die Verfügbarkeit kritisch bis sehr kritisch, nachts und am Wochenende dagegen befriedigend oder gut. Bislang besteht der hauptberufliche Personalstand aus Kommandant René Hundert, einer Verwaltungsfachangestellten und einer Reinigungskraft. Hinzu kommen sechs feuewehrtechnisch Beschäftigte, die rund um die Uhr die Einsatzzentrale besetzen und darüber hinaus für Wartungs-, Prüf- und Pflegearbeiten zur Verfügung stehen.
Die hohen Einsatzzahlen müssen ausschließlich mit ehrenamtlichem Personal bewältigt werden. In den kommenden Jahren wird sich die Situation laut Gutachten weiter verschärfen, da ein „nicht unerheblicher Teil“ der aktiven Feuerwehrleute die Altersgrenze erreicht.
Drei Vollzeitstellen sollen geschaffen werden
Als Lösung sieht der Bedarfsplan vor, drei Vollzeitstellen zu schaffen, um die Übernahme wichtiger Funktionen wie Atemschutzträger, Maschinist oder Gruppenführer zu gewährleisten. Darüber hinaus soll ein stellvertretender Feuerwehrleiter eingestellt werden. Hinzu kommt ein Werkstattkoordinator.
Außerdem soll die Verwaltungsstelle von aktuell 64 auf 100 Prozent aufgestockt werden. Unterm Strich sehen die Gutachter damit einen Personalbedarf von 5,36 Stellen. Die Stadtverwaltung empfiehlt den Ausschussmitgliedern, der Aufstockung und den damit verbundenen jährlichen Kosten in Höhe von 350.000 Euro zuzustimmen.
Ob der Brandherd bei der Feuerwehr damit dauerhaft gelöscht wird, ist allerdings offen. Im Bedarfsplan kommt zur Sprache, dass auch der Standort Kernstadt in den kommenden Jahren altersbedingt Federn lassen wird. Sollte der Mitgliederbestand dort nicht gehalten werden, könnte ein Personalbedarf von gleich sieben weiteren Stellen entstehen.
Kommentar
Das Wort „Freiwillig“ wird auch künftig noch seine Berechtigung im Titel der Rastatter Feuerwehr behalten. Nach Erkenntnissen der jüngsten Auflage des Feuerwehrbedarfsplans ist es aber wohl unvermeidlich, die Anzahl der hauptberuflichen Kräfte deutlich nach oben zu schrauben.
Die jährlichen Kosten sind zwar immens, trotzdem schlägt die Stadtverwaltung den Mitgliedern des Verwaltungs- und Finanzausschusses vor, den Personalstand aufzustocken. Rastatt würde damit nur dem Beispiel anderer Großen Kreisstädte folgen, die diesen Schritt bereits getan haben.
Die Verantwortlichen im Rathaus haben wenig Handlungsspielraum. Es ist eine Pflichtaufgabe der Stadt, eine leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen und zu unterhalten. Jahrzehntelang war das mit ehrenamtlichen Kräften möglich. Doch davon gibt es immer weniger. Das muss nicht an mangelnder Bereitschaft liegen.
Ein Hauptgrund sind die Anforderungen des modernen Arbeitslebens, die es den meisten Beschäftigten unmöglich machen, werktags zu einem Einsatz zu eilen. Dass die Feuerwehr deshalb verstärkt auf Hauptamtliche setzen muss, hat trotz hoher Kosten seine guten Seiten.
Rastatt verfügt über ausgedehnte Gewerbegebiete, über viele Kranken- und Pflegeeinrichtungen, Schulen, Kindergärten und nicht zuletzt Kulturdenkmäler. Die Einsätze für die Floriansjünger werden immer komplexer. Da tut es gut zu wissen, dass neben bestens ausgebildeten und engagierten Freiwilligen auch Profis am Werk sind.