Einige Minuten stehen Matthias Stickl und seine Mitstreiterin Jian Bender alleine an dem eigens aufgebauten Tisch in der Bahnhofstraße. Der Auftakt zu den offiziellen Nachbarschaftsgesprächen der Stadt im Bahnhofsviertelgerät eher etwas schleppend. Mit dem Angebot will die Stadt ein Meinungsbilderhalten, herausfinden, wie dieser Bereich , in dem rund 2.300 Bewohner aus verschiedenen Kulturen leben, aufgewertet werden könnte.
Stickl ist bei der Stadt Rastatt für die Gemeinwesenarbeit Bahnhof/Industrie zuständig. Die Ergebnisse der Gespräche, die in den nächsten Wochen noch ihre Fortsetzung finden, werden gesammelt und ausgewertet. Ende Oktober ist dann eine Veranstaltung in größerem Rahmen in der Reithalle geplant, bei der es auch um die konkrete Umsetzung der Ideen geht.
Nun bei dem ersten Nachbarschaftsgespräch vor dem Supermarkt Cevahir, kommen nach der zögerlichen Auftaktphase schon die drängendsten Probleme auf den Tisch. Hürriyet Cevahir, Inhaber des Supermarktes, liegt vor allem das Parkproblem am Herzen. Und dass auf der Bahnhofstraße Tempo 30 gilt, sei kaum zu glauben: „Da halten sich die wenigsten dran, es sollte viel öfter geblitzt werden, eine Beschilderung reicht nicht aus.“
Cevahir wünscht sich zudem noch mehr Geschäfte in der Straße, denn „dann herrscht auch noch mehr Leben durch die Kunden“. Seit 1997 führt er seinen Supermarkt – unsicher gefühlt habe er sich nie: „Ich habe hier keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht“.
Anwohner sorgen sich um Sicherheit
Jamil Shinwari aus Afghanistan stört sich ebenfalls daran, dass in der Bahnhofstraße, zu heftig aufs Gaspedal getreten wird. „Wir wünschen uns mehr Kontrolle und fühlen uns sicherer, wenn wir Polizei sehen“,meint Shinwari, der beruflich als Dolmetscher arbeitet. Er stört sich auch über den Anblick alkoholisierter Leute, die in der Straße zu sehen sind: „Im Vergleich zu der Situation vor fünf Jahren, ist das aber etwas besser geworden“, sagt er.
Der Syrer Henidi Awas macht indessen kein Hehl aus seinen Ängsten und sieht die Lage kritischer: „Das Sicherheitsgefühl ist schlechter geworden, man traut sich nicht, hier nachts alleine zulaufen“, erklärt Awas, der sich bei der Caritas ehrenamtlich engagiert und auch bei der Aktion „saubere Stadt“ in Rastatt schon mitgewirkt hat.
Geschäftsinhaber Fatih Günes hält es vor allem für wünschenswert, die Fahrradfreundlichkeit zu verbessern: „Es müssten in der Straße und vor den Geschäften mehr Fahrradständer aufgestellt werden“. Ein weiteres Anliegen formuliert er im Gespräch mit Stickl ganz vehement: „Es gibt hier viel zu wenige Mülleimer, deshalb landet der Abfall oft auf dem Boden“.
Überdies glaubt er, die Szenerie nicht nur in der oft als „Angstraum“ wahrgenommenen Bahnhofsunterführung durch künstlerisch gestaltete Graffiti-Wände aufwerten zu können: „Auch in der Bahnhofstraße sollte es Stellwände geben, die mit professioneller Graffiti-Kunst bemalt werden“. Im Blick auf die Verkehrssituation plädiert Günes für Tempo 50 am Tag und Tempo 30in der Nacht: „Das wäre ein Kompromiss.“
Gar nicht wohl fühlt sich die 76-jährige Anwohnerin Erika Pagel im Umfeld der Bahnhofstraße: „Die Leute sollten sich anständig benehmen. Wenn ich nicht schon so alt wäre, würde ich hier wegziehen.“ Matthias Stickl notiert alle Aussagen, die er hört. Er lässt keinen Zweifel, dass gerade im Blick auf die Landesgartenschaubewerbung in der Bahnhofstraße etwas verändert werden muss. Mehr Grün am Straßenrand etwa kann er sich vorstellen.
Auch die Errichtung so genannter Parklets, Stadtmöbel, die als Sitzmöglichkeiten entlang der Straße dienen, hat er auf seiner Liste, um die Optik der Gegend zu verschönern. Weitere Idee: Auf einem aufblasbaren Stuhl sollen sich Anwohner der Straße fotografieren lassen: „Es könnten kleine Porträts entstehen und dann in einer Ausstellung in der Reithalle gezeigt werden, meint Stickl.
Im Übrigen: Das kleine Bahnhofstraßenfest, das im vergangenen Jahr auf gute Resonanz stieß und in diesem Jahr wegen Corona ausfällt, soll auch wieder eine Neuauflage erfahren, verspricht er.