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200 Jahre Kurhaus Baden-Baden

Preußens Chefarchitekt Karl Friedrich Schinkel lästerte über Weinbrenners „ungeschickte Architektur“

Das Kurhaus wird 200 Jahre alt. Es steht geradezu symbolisch für den Aufschwung Baden-Badens zur mondänen Kurstadt. Mit Friedrich Weinbrenner wurde 1821 der führende Architekt Badens beauftragt. Er griff modernste Tendenzen der Architektur auf.

Kurhaus mit Blick auf die Altstadt
Herrlicher Blick auf die Altstadt: Weinbrenners Konkurrent Schinkel lobt am Baden-Badener Kurhaus nur das treffliche ausgewählte Baugrundstück mit dem „Amphitheater der Stadt“. Foto: Ulrich Coenen

Was hat Friedrich Weinbrenner in Baden-Baden anders gemacht als Christian Zais in Wiesbaden? Weinbrenner bezieht sich bei der Gestaltung des Baden-Badener Kurhauses keineswegs ausschließlich auf das Vorbild des Wiesbadeners. Er greift auch auf eigene Projekte zurück.

Bereits während seiner Italienreise verfasste Weinbrenner 1794 einen Entwurf für ein Rathaus, der allerdings unrealisiert blieb. 1808 bis 1814 entstand nach Weinbrenners Plänen die katholische Pfarrkirche St. Stephan in Karlsruhe. Der Zentralbau mit Kuppel als Kernstück der Anlage interessiert in diesem Zusammenhang nicht.

Weinbrenners Entwurf von 1808 sah vor, den Sakralbau an vier Seiten mit Säulengängen und Eckpavillons für Pfarrhaus und Schule zu erweitern. Diese Säulengänge und die Eckpavillons erinnern an das Baden-Badener Kurhaus.

Weniger streng und weniger klassisch

Es zeigt sich also, dass Weinbrenner neben dem Wiesbadener Vorläufer in erheblichem Umfang aus dem eigenen künstlerischen Schaffen schöpft. Daraus ergeben sich neben den zahlreichen Gemeinsamkeiten mit dem von Christian Zais errichteten Kurhaus in Wiesbaden zwangsläufig Unterschiede.

Auffällig ist vor allem dass das Wiesbadener Kurhaus eine klassische Tempelfassade (Experten sprechen von einem Portikus) besaß. Dahinter erstreckte sich der längs ausgerichtete Festsaal mit rechteckigem Grundriss.

Der breit angelegte Mittelpavillon in Baden-Baden trägt im Gegensatz zu dem typischen Tempelgiebel in Wiesbaden ein Walmdach, das mehr an ein Wohnhaus als an einen Tempel erinnert. Hinter der Fassade verbirgt sich ein querrechteckiger Festsaal.

Der aus dem quergestellten Saal abgeleitete breite „Portikus“ ist die eigentliche Leistung Weinbrenners. Das Baden-Badener Kurhaus wirkt auf diese Weise weniger streng, aber auch weniger klassisch als das Kurhaus in Wiesbaden.

Weinbrenners schärfster Kritiker kam aus Berlin

Das rief Kritiker auf den Plan. Negativ äußert sich vor allem Karl Friedrich Schinkel, Chefarchitekt des Königreichs Preußen, der dabei seine tiefe Abneigung gegenüber Weinbrenner erkennen lässt. Auf seiner zweiten Reise nach Italien besuchte er am 19. Juli 1824 Baden-Baden und schrieb:

„In der Stadt angekommen, besuchten wir noch im Zwielicht die Badepromenade und die neuen Badesäle, das Theater und die dazugehörigen Hallen von der ungeschickten Architektur Weinbrenner´s. Die Lage der Partie ist jedoch trefflich gewählt; man hat das ganze Amphitheater der Stadt, das Schloß darüber, höher hinauf den Waldberg mit den Ruinen des alten Schlosses auf der Spitze, vor sich.“

Wissenschaftlich sind Schinkels Vorwürfe haltlos. In diesem Zusammenhang sind die zahlreichen Veröffentlichungen des Kunsthistorikers Ulrich Maximilian Schumann zu Weinbrenner nennen, der dessen Eigenständigkeit innerhalb des deutschen Klassizismus betont.

Der Präsident der Friedrich-Weinbrenner-Gesellschaft hat 2010 seine Habilitationsschrift veröffentlicht, in der er das moderne Raumverständnis Weinbrenners herausgearbeitet hat.

Kurhaus von Christian Zais, Rückseite, Aquatinta, gez. von Jakok Fürchtegott Dielmann, gestochen von Martens, um 1850
Das Wiesbadener Kurhaus von hinten: Die Aquatinta basiert auf einer Zeichnung von Jakok Fürchtegott Dielmann und wude von Martens um 1850 gestochen. Foto: Ulrich Coenen

Im Hinblick auf das Konversationshaus urteilt Schumann in seinem 2017 erschienen Buch über Weinbrenners Planungen für Baden-Baden:

„Hier zeigt sich auch die moderne Freiheit, mit der er sich über die klassischen Kategorien der Architektur hinwegsetzte. Die Front gehört ebenso zum Gebäude wie zur davorliegenden Promenade. Sie begleitet den langen Weg in einem Wechsel aus Zurückhaltung und Monumentalität und gibt dem Leben, das sich davor abspielt, Raum und zugleich einen Hintergrund.“

Viel Lob von der modernen Wissenschaft

Schumann beschreibt auch das Verhältnis von Architektur und Landschaft. Aus der engen Verzahnung zwischen Konversationshaus und Promenade heraus werde verständlich, warum Weinbrenner immer wieder direkt in die Gestaltung der Grünfläche vor dem Konversationshaus eingriffen habe und wie eng er in die Gestaltung auch der landschaftsgärtnerischen Bereiche einbezogen wurde.

Bei der Innenarchitektur des Festsaals fand Weinbrenner eine völlig andere Lösung als Zais in Wiesbaden. Dort gab es einen lang gestreckten Festsaal. Der Festsaal Baden-Baden ist hingegen ein querrechteckiger Raum hinter dem Portikus des Mittelbaus. Schumann schreibt:

„Ein Gebäude Friedrich Weinbrenners wird nur verständlich mit seinen Innenräumen. Deren starke Farbigkeit und opulente Ornamentik bildeten einen bewussten Gegenpol zu den Fassaden, denn diese waren gemäß ihres öffentlichen Charakters zurückhaltender gestaltet. … Das Baden-Badener Konversationshaus mit seinen repräsentativen Räumen zeigt diesen Kontrast in besonderem Maße – und zur gleichen Zeit die enge Verbindung zwischen Innen und Außen.“

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