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Ausstellung im Kurhaus

Ausstellung „Digital Dreams” in Baden-Baden zeigt Kunst aus Millionen von Pixeln

Die „Digital Dreams” im Baden-Badener Kurhaus sind mehr eine Erfahrung als eine Ausstellung - eine Erfahrung, die viele Kunstfreunde aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland in die Stadt locken.

Der Höhepunkt: Im Bénazetsaal ist die Datenskulptur „Bosporus” zu erleben - es ist das beliebteste Fotomotiv in der Ausstellung „Digital Dreams”.
Der Höhepunkt: Im Bénazetsaal ist die Datenskulptur „Bosporus” zu erleben - es ist das beliebteste Fotomotiv in der Ausstellung „Digital Dreams”. Foto: Wilfried Lienhard

Marie-Noëlle Vincent und Jean-Marc Nigon sind aus Straßburg gekommen. Beide sind Designer. Von der Ausstellung „Digital Dreams” versprechen sie sich auch die eine oder andere kreative Anregung, haben die Messlatte aber sehr hoch gelegt.

Im Konferenzraum des Baden-Badener Kurhauses, einem von drei Ausstellungsräumen, ist Marie-Noëlle Vincent schon angetan, wenn auch etwas verhalten. Im „Runden Saal” geht nach wenigen Sekunden ihr Daumen nach oben, und im Benazétsaal schließlich sind die Gäste aus dem Elsass ebenso gefangen von der Medienkunst wie die anderen Besucher.

Das Kopfkino steht nicht still

Die Bewunderung zeigt sich in vielen filmenden Smartphones und in einer geradezu andächtigen Stille. Doch was heißt hier eigentlich Ausstellung? Was hier noch bis zum 4. September zu sehen ist, ist mit „Experience Baden-Baden”, wie es in der Stadt auf einem Banner geschrieben steht, deutlich besser überschrieben.

Die Datenskulpturen des 1985 in Istanbul geborenen und an der University of California in Los Angeles am Lehrstuhl für Design Media Arts lehrenden Medienkünstlers Refik Anadol sind genau das - eine Erfahrung, die eine Vielzahl von Bildern auf die Netzhaut lenkt und das Kopfkino nicht stillstehen lässt.

Es ist eine Erfahrung, die viele Kunstfreunde machen wollen, wie Felix Brenner sagt. „Die Resonanz ist durchweg sehr gut”, freut sich der Medienreferent der Baden-Baden Events. Sechs Wochen läuft die Ausstellung bereits, und der selbst gesetzte Anspruch werde erfüllt: „Wir wollten in dieser Corona-Zeit für zwei Monate etwas zeigen, das auf der einen Seite die Menschen aus Baden-Baden und der Region anspricht und auf der anderen Seite auch Gästen aus ganz Deutschland und dem Ausland anzieht.”

Beides sei gelungen, freut sich Brenner: „Wir haben viele Einheimische hier, die intensive Werbung in der Stadt, das Kurhaus einmal auf eine ganz andere Art kennenzulernen, hat sich ausbezahlt.” Wie zum Beweis warten zwei einheimische junge Pärchen auf den Einlass. Sie haben die einladenden Poster in der Stadt gesehen und sich davon zu einem Besuch überzeugen lassen.

Konzept garantiert genug Platz für alle

Brenner registriert aber auch viele Besucher aus ganz Deutschland und aus dem Elsass. Buchungen habe es zudem aus England, den Benelux-Staaten, Österreich und der Schweiz gegeben - die „Digital Dreams” machen Baden-Baden zu einem attraktiven Reiseziel.

Drei Räume werden im Kurhaus „bespielt”, das Lenkungskonzept für die Besucher garantiert ein geräumiges Flanieren; alle 20 Minuten ist Einlass, maximal 30 Personen werden gleichzeitig eingelassen.

„Melting Memories”: Das ist der Titel der Installation im Runden Saal. Die Datengrundlage sind Gehirnströme.
„Melting Memories”: Das ist der Titel der Installation im Runden Saal. Die Datengrundlage sind Aufzeichnungen von Gehirnströmen. Foto: Wilfried Lienhard

Wer sich auf die Kunst aus Abermillionen Pixeln einlässt, kann die unwirtliche Corona-Wirklichkeit für einige Zeit komplett ausblenden und eintauchen in fremde und doch natürliche Welten.

Die „Nature Dreams” machen den Anfang, und das Versprechen von Refik Anadol, per Video gesendet, Jung und Alt anzusprechen, ist an diesem Nachmittag erfüllt: Alle Generationen sitzen auf den Hockern im Konferenzraum und betrachten ein fließendes Kunstwerk aus mehr als 46 Millionen Bildern.

Datenkunst basiert auf EEG-Messungen von Freiwilligen

Die „Melting Memories” nebenan sind Datenkunst gewordene Erinnerung: Die Daten basieren auf den Gehirnströmen von Freiwilligen, die während eines EEG längst Erlebtes aus dem Langzeitgedächtnis abrufen. Der Betrachter schwimmt derweil auf seinen eigenen Gedankenwellen dahin, sie tragen ihn in den Bénazetsaal, wo nach dem Motto „Das Beste kommt zum Schluss” die Daten mit ihrer Kunstmacht überwältigen.

„Das ist das absolute Highlight hier, besonders wenn man von der Empore herabschaut”, meint Olaf Arnold aus Baden-Badern, der diese Möglichkeit bei einer Führung hatte. Wie ein Schwimmbecken wirkt der Saal - die Datenskulptur „Bosphorus” ist von den Hochfrequenz-Radardaten des Marmarameers inspiriert.

Hallenbad im Kurhaus: Wie ein Schwimmbecken wirkt die Installation im Bénazetsaal.
Hallenbad im Kurhaus: Wie ein Schwimmbecken wirkt die Installation im Bénazetsaal. Foto: Wilfried Lienhard

Anadol verwandelt die Daten der Meeresoberflächenaktivitität über eine Dauer von 30 Tagen in ein Erlebnis auf zwei Ebenen, auf der Leinwand und auf dem Boden. „Das ist das beliebteste Motiv in der Ausstellung”, weiß Felix Brenner.

Geografisch ist es nicht korrekt, aber es scheint, als habe die Blaue Grotte auf Capri einen Abstecher ins Kurhaus gemacht - einer von vielen Eindrücken einer sinnesgesättigten Stunde.

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