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Innenstadt mit Problemen

Baden-Baden fehlen die Besucher aus Übersee

Der Schwarzwald-Bazar schließt seine Pforten für immer. Baden-Baden verliert ein weiteres Traditionshaus. Das Coronavirus und das Internet machen es dem Einzelhandel schwer.

Ein Tourist mit Kamera um den Hals zückt seinen Geldbeutel. Die Verkäuferin wickelt seine Einkäufe ein.
Erfolgreiche Schnäppchenjagd: Mathias Zurmühl aus dem Hohenlohekreis kauft zwei kleine Teddys für seine Enkel. Foto: Catrin Dederichs

Mathias Zurmühl aus dem Hohenlohekreis marschiert aus dem Schwarzwald-Bazar. Zufrieden betrachtet er seine Beute: diverse Kinderbücher und zwei „Steiff-Bärle” für die Enkel. Die Spielwaren hat er allesamt zum Schnäppchenpreis ergattert.

Nach 135 Jahren in Baden-Baden schließt das Traditionshaus Ende August für immer - und Inhaberin Christina Horn versucht, Bücher, Puzzle, Nussknacker und Kuckucksuhren mit reduzierten Preisen auf die Schnelle an den Mann zu bringen.

Die Situation ist aber nicht dramatisch.
Roland Seiter, Pressesprecher der Stadt Baden-Baden

Der Schwarzwald-Bazar ist nicht der einzige Einzelhändler in Baden-Baden, bei dem aktuell ein Räumungsverkauf läuft. Laut Roland Seiter, Pressesprecher der Stadt, hat ein Uhrmacher in der Lange Straße ebenfalls seine Geschäftsaufgabe angekündigt.

Schilder wie „Abschiedswochen” und „Wir schließen” im Schaufenster des Uhrenhändlers bestätigen das. Außerdem sagt Seiter, es gebe „drei, vier Leerstände” in der Innenstadt. Insgesamt sei die „Situation aber nicht dramatisch”.

An einer Schaufensterscheibe klebt ein rotes Schild: Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe.
Aus nach 135 Jahren: Das Traditionshaus Schwarzwald-Bazar schließt Ende August. Aktuell läuft ein Räumungsverkauf. Foto: Catrin Dederichs

Ähnlich klingt es bei Matthias Vickermann, dem Vorsitzenden der Einzelhändler-Initiative Baden-Baden Innenstadt (BBI). Er spricht von „ein paar Schließungen”, aber auch von zwei Neueröffnungen. „Solange neue Geschäfte reinkommen, bin ich ganz happy”, sagt er. „Zu langer Leerstand ist gar nicht gut.”

Für exklusive Güter wie hochwertige Kleidung oder Schmuck zeichnet er allerdings ein recht düsteres Bild. „Es fehlt einfach am Publikum. Es sind zwar Leute in der Stadt - aber wer von ihnen hält schon eine Tüte in der Hand?”

Verkaufsoffene Sonntage entfallen in Baden-Baden, Kongresse sind abgesagt

Als Ursache nennt Vickermann verkaufsoffene Sonntage, die entfallen, Hotels mit leeren Betten und abgesagte Kongresse in Baden-Baden. „Der Handel hatte schon immer zu kämpfen, aber Corona ist jetzt der Zündstoff.”

Das bestätigt Seiter. „Durch Corona fehlen Besucher aus den USA, aus Asien und auch aus dem arabischen Raum kommt fast niemand. Gerade im Sommer lassen sie sonst ihr Geld da.”

Weitere Gründe zählt Seiter für ein drohendes Innenstadtsterben auf: erstens steigende Einkäufe im Onlinehandel, zweitens ein Nachfolgeproblem. „Wer will heute noch von Montag bis Samstag im Laden stehen?”, fragt er.

Ein Mann bezahlt ein Buch. Die Verkäuferin steckt es in eine Tüte. An der Wand hinter den beiden hängt eine Reihe voll Kuckucksuhren.
Zufriedenheit auf beiden Seiten: Mathias Zurmühl macht Schnäppchen, Horn bekommt ihren Laden leer. Foto: Catrin Dederichs

Das Geschäft im Internet zwingt auch den Schwarzwald-Bazar in die Knie. „Bei hohen Fixkosten ist es in meinem Sortimentssegment fast unmöglich, gegen den Onlinehandel bestehen zu können”, sagt Horn. Ferner sei das Weihnachtsgeschäft nicht mehr das, was es einmal war.

„Da gibt es nichts mehr, was mich motiviert weiterzumachen.” Immerhin läuft ihr Abverkauf. „Mehr als die Hälfte ist schon weg. Wenn das in dem Tempo so weitergeht, könnte ich bald zumachen”, sagt sie.

BBI-Vorsitzender kritisiert monatelange Sperrung der Kreuzstraße

Vickermann dagegen nutzt den Onlinehandel inzwischen für sich und vertreibt einen Teil seiner Schuhe im Netz. „Die Hauptsache ist, wir kriegen den Auftrag”, sagt er. Damit steht er in Baden-Baden nach eigenen Worten bislang recht alleine da. Im Kampf für die Innenstadt wünscht sich der BBI-Vorsitzende mehr Unterstützung von der Verwaltung. „Die Stadt macht halt ihr Ding”, sagt er.

Seine Kritik zielt vor allem auf die monatelange Sperrung der Kreuzstraße und auf die Parkplatzsituation. „Parken und Logistik sind hier ein großes Thema. Uns werden Parkplätze geklaut und hinterher kommen die Knöllchen.”

Solange neue Geschäfte reinkommen, bin ich ganz happy.
Matthias Vickermann, Vorsitzender der Einzelhändler-Initiative Baden-Baden Innenstadt

Seiter hingegen berichtet von einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die die Stadt in die Wege geleitet hat. Erstens veranstalte sie Events wie das Oldtimer-Meeting oder den Christkindelsmarkt, „um Gäste anzulocken”. Zweitens sei die Veraltung dabei, die Innenstadt zu sanieren, „um die Stadt attraktiver zu machen”.

Und nicht zuletzt gebe sie dem Einzelhandel 125.000 Euro für Werbung und sonstige Aktionen. „Uns ist der Einzelhandel wichtig”, betont er. „Eine Stadt ohne Geschäfte ist eine tote Stadt.”

Ein „repräsentatives Geschäft” soll Nachfolger des Schwarzwald-Bazars werden

Das Ladenlokal des Schwarzwald-Bazars soll übrigens nur kurze Zeit „ohne Geschäft” bleiben. Horn sagt, ihr Vermieter spreche von einem „repräsentativen Geschäft als Nachfolger”. Sie selbst ist noch unschlüssig, wie es für sie weitergehen soll. „Ich bin natürlich todtraurig und will erst einmal meinen Kopf frei kriegen”, sagt sie.

Erinnerungen aus ihrem Laden will sie jedenfalls keine mitnehmen - außer einer besonderen für ihre Eltern: So hängt jetzt bei Mama und Papa in Nordrhein-Westfalen eine original Schwarzwälder Kuckucksuhr an der Wand.

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