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Viele Konflikte

Baden-Baden will bei den Notunterkünften für Obdachlose neue Wege gehen

In Baden-Baden ist die Zahl der Obdachlosen gesunken. Doch in den Notquartieren kommt es immer häufiger zu Konflikten. So will die Stadt gegensteuern.

Konflikte erschweren Zusammenleben: In den Notquartieren in der Westlichen Industriestraße hat die Zahl der Straftaten und Ordnungsstörungen in diesem Jahr zugenommen.
Erschwertes Zusammenleben: In den Notquartieren in der Westlichen Industriestraße hat die Zahl der Straftaten und Ordnungsstörungen in diesem Jahr zugenommen. Foto: Henning Zorn

Rund 250 Obdachlose leben zurzeit in Notunterkünften der Stadt Baden-Baden. Dabei handelt es sich um Menschen, die nach dem Verlust ihrer Wohnung kein neues Zuhause gefunden haben oder aber schon längere Zeit ohne feste Unterkunft sind.

Sorgen bereiten der Verwaltung besonders die Zustände im Notquartier in der Westlichen Industriestraße. Darüber wurde am Mittwoch der Sozialausschuss des Gemeinderats informiert.

Trotz der starken Zugangsdynamik in den vergangenen Jahren, die auf wachsende Wohnungsnot hindeutet, gab es 2022 auch einen kleinen Lichtschimmer: Die Zahl der von der Stadt untergebrachten Obdachlosen ist erstmals gegenüber dem Vorjahr gesunken – um knapp zehn Prozent. Darauf wies Matthias Vogt vom Fachbereich Bildung und Soziales in seinem Vortrag in der Sitzung des Sozialausschusses hin.

Gebäude in der Westlichen Industriestraße sind größte Unterkunft

Die größte Gruppe der obdachlosen Personen in der Kurstadt weist die deutsche Staatsbürgerschaft auf (33 Prozent), gefolgt von rumänischen (acht Prozent), irakischen (sechs Prozent) und syrischen (vier Prozent) Staatsbürgerschaften. 65 Prozent der Menschen in den Notunterkünften sind männlich.

Ein Großteil der Obdachlosen (rund 80) ist in den Gebäuden der Westlichen Industriestraße untergebracht. Es handelt sich dabei überwiegend um alleinstehende Männer. Familien leben dort nicht. Darüber hinaus wird eine Vielzahl an Wohneinheiten im gesamten Stadtgebiet für eine „ordnungsrechtliche Unterbringung“ vorgehalten.

Das Zusammenleben in den Quartieren in der Westlichen Industriestraße gestaltet sich recht schwierig. Die Verwaltung führt dies auf die diversen Problemlagen der Bewohner – psychische und physische Erkrankungen, Sucht, Perspektivlosigkeit – sowie erhöhte Gewaltbereitschaft zurück.

So seien fast täglich Streitigkeiten zu verzeichnen. Zahlreiche Polizeieinsätze waren in den vergangenen zwei Jahren erforderlich, um Auseinandersetzungen und Ruhestörungen zu beenden, Körperverletzungen, Eigentumsdelikte oder Sachbeschädigungen zu protokollieren sowie Strafanzeigen einzuleiten. In diesem Jahr musste man noch eine Zunahme bei den Straftaten und Ordnungsstörungen feststellen.

Weiter heißt es im Bericht des Fachbereichs Bildung und Soziales zu diesen Problemen: „Das herausfordernde Verhalten der Bewohnerschaft bringt nicht nur ein erhöhtes Konfliktpotenzial in der Liegenschaft mit sich. Die psychosozialen Auffälligkeiten führen zudem zu einem konfliktträchtigen Verhalten gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialverwaltung sowie einer hohen dreistelligen Zahl an schriftlichen Anfragen der Bewohnerschaft.“ Dies habe eine überdurchschnittliche (zeitliche) Belastung des Personals zur Folge.

Stadt Baden-Baden setzt auf Sicherheitsdienst und Hausverbote

Um die Lage in der Industriestraße zu verbessern, wurden verschiedene Maßnahmen von der Stadt in die Wege geleitet. Dazu zählen zum Beispiel Unterstützungsangebote zur Vermeidung und Beseitigung von Wohnungslosigkeit. Seit Oktober dieses Jahres ist in der Westlichen Industriestraße zudem im Auftrag der Stadt ein Sicherheitsdienst im Einsatz. Damit konnte Konflikten gerade an Abenden, nachts und am Wochenende vorgebeugt werden.

Gegen Bewohner, die sich trotz mehrfacher Abmahnungen nicht an die Hausordnung halten, können Hausverbote über Tage ausgesprochen werden. Um Konflikte zu vermeiden, wurde außerdem die Zahl der Bewohner um rund zwölf Prozent reduziert.

Von der Fachstelle Wohnraumsicherung werden inzwischen auch neue Wege bei der Gewinnung von Wohnraum gegangen. Dazu gehört eine Kooperation mit regionalen Immobilienentwicklern und -investoren. Außerdem wurde die Zusammenarbeit mit bestehenden Betreuungs- und Hilfssystemen verstärkt. Die personelle Situation bei der Sozialarbeit für die Obdachlosen wird von der Verwaltung als nicht ausreichend angesehen. Hier fordert man die Schaffung weiterer Personalkapazitäten.

Auch bauliche Veränderungen an dem Gebäudeensemble in der Westlichen Industriestraße werden als nötig angesehen, um eine Befriedung der Situation zu erreichen. So hält man eine Verbesserung der Wohnbausubstanz sowie eine neue Zugangssituation für unabdingbar.

Durch den Umbau soll der Gebäudezuschnitt verändert werden. Die Verwaltung hat hierzu ein Konzept erarbeitet, in dessen Mittelpunkt der Neubau einer Einrichtung zur Unterbringung von Obdachlosen auf dem Gelände steht. Eine kurzfristige Realisierung ist aber nicht zu erwarten. Bürgermeister Roland Kaiser (Grüne) wies darauf hin, dass die Umbauplanung jetzt erst einmal anlaufe.

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