Von Karl-Heinz Fischer
„Sie haben dem Handwerk Glanz verliehen“, erklärte Klaus Günter von der Handwerkskammer Karlsruhe, als am Dienstag der Seifriz-Preis für erfolgreiche Kooperation von Wissenschaft und Handwerk an die Firma Vickermann und Stoya in ihren Räumen in der Merkurstraße überreicht wurde.
Das Unternehmen, das für seine in Handarbeit hergestellten Maßschuhe bekannt ist, wurde zusammen mit vier Handwerksbetrieben und Wissenschaftlern mit dem Preis des Vereins Technologietransfer Handwerk ausgezeichnet, weil sie gemeinsam die automatisierte Herstellung von Maßschuhen mit Hilfe digitaler Technologien bis zur Marktreife entwickelt haben.
Matthias Vickermann erzählte, wie es zu der neuartigen Produktidee kam. Vor etwa drei Jahren erreichte die Maßschuhmacher ein Anruf von Studenten des Instituts für Produktentwicklung und Gerätebau der Leibniz Universität Hannover. Sie stellten ihr Projekt zur Anfertigung individuell passender Schuhe mittels eines digitalen Prozesses vor.
Kunden-App entwirft Schuhmodell
Unter der Leitung von Professor Roland Lachmayer hatten sie eine App entwickelt, mit der Kunden ganz einfach mit dem Handy ihre Füße aus drei verschiedenen Perspektiven fotografieren und dann ein Schuhmodell auswählen können. Den Rest übernimmt die Technik. Mittels komplexer Algorithmen wird ein Modell des Fußes erstellt, für den dann der passgenaue Schuh hergestellt wird.
Möglich wurde dies auch durch eine umwälzende Veränderung in der Schuhindustrie. „Früher“, so erklärte Martin Stoya, „wurde das Leder gestanzt. In den Schuhfabriken gab es ganze Lagerhallen voller Stanzeisen. Heute kann man das Leder mittels CNC-gesteuerter Maschinen millimetergenau schneiden.“
Das ermöglicht eben auch, das Leder für jeden einzelnen Schuh passgenau zuzuschneiden und diese Möglichkeit macht sich das neue Verfahren der automatisierten Maßschuhherstellung zunutze. Zusammen mit den Wissenschaftlern haben Vickermann und Stoya das Verfahren weiterentwickelt.
Nachdem alle technischen Probleme gelöst waren, galt es Schuhhersteller zu finden, die bereit waren, nach dem neuen Verfahren individuelle Schuhe nach Maß herzustellen. Das ist inzwischen gelungen und damit hat das neue Produkt auch seine Marktreife erreicht.
Ohne Digitalisierung komme heute kein Unternehmen mehr aus.Michael Auer Vorstand Steinbeis-Stiftung
Gleichwohl werden bei Vickermann und Stoya auch künftig Schuhe ganz individuell nach Maß und in Handarbeit hergestellt. Aber die automatisiert hergestellten Maßschuhe können aufgrund ihres deutlich niedrigeren Preises in größerer Stückzahl hergestellt werden. Natürlich, so räumt Vickermann ein, wird er den einen oder anderen Kunden durch das neue Produkt verlieren, er hofft aber, dass dies wettgemacht wird durch die finanzielle Beteiligung, die das Baden-Badener Unternehmen für die automatisiert hergestellten Maßschuhe erhält.
Michael Auer vom Vorstand der Steinbeis-Stiftung erläuterte, warum die Jury unter seiner Leitung klar und einstimmig dieses Projekt unter sehr vielen Bewerbungen für den mit insgesamt 15.500 Euro dotierten Seifriz-Preis ausgewählt hatte. „Ohne Digitalisierung komme heute kein Unternehmen mehr aus“, sagt er. Im Unterschied zu anderen Bewerbern für den Preis aber habe Vickermann und Stoya nicht nur ein hochkomplexes, neuartiges Verfahren entwickelt, sondern auch ein neues Geschäftsmodell geschaffen und so Technologietransfer von der Wissenschaft zum Handwerk auf sehr hohem Niveau erreicht.
Thomas Gräßle von der Signal-Iduna-Gruppe, die den Preis zusammen mit der Holzmann-Mediengruppe gesponsort hatte, überreichte den Preis und die Urkunde schließlich an Matthias Vickermann, Martin Stoya und Gesellin Lisa Haag.