Mit dem englischen „Good-good Life“ könnten die Menschen oftmals nichts anfangen, wisse er aus vielen Gesprächen: „Warum also nicht die badische Gemütlichkeit reinbringen?“ Damit komme man wieder zum Ursprünglichen, sagt Görtzel. „Wenn man schon Wert auf Tradition legt.“ Wie der Badener tickt, das glaubt Görtzel ganz gut zu wissen, immerhin ist er in der Kurstadt geboren und aufgewachsen. Und auch eine Außensicht bringt der 50-Jährige mit, der schon viel auf der Welt rumgekommen ist und bereits in Frankfurt, Berlin und Leipzig gewohnt hat. Seit 2006 lebt er in Köln.
Dass er seine Berufsausbildung zum Industriekaufmann einst bei einem Bestattungsunternehmen absolviert hat, habe nichts mit seiner Lebenslust zu tun, sagt er auf eine entsprechende Frage schmunzelnd: „Ich habe einen Mix aus badischer Gemütlichkeit und Kölscher Frohnatur.“ Stolz ist er auf seine beiden Töchter (zehn und 17 Jahre alt), die wechselweise bei ihm und seiner Ex-Frau, die aus Peru stammt, leben und für die er auch beruflich etwas kürzer getreten sei.
Als „hart, gerecht und in den Entscheidungen immer nachvollziehbar“, würden die Mädchen („beides Papa-Kinder“) ihren Vater wohl beschreiben, sagt Görtzel. Fußballfan sei er nicht – und so muss er sich im Herzen auch nicht zwischen KSC und 1. FC Köln entscheiden. Bei Karneval oder Fastnacht sei er einer, der sich gerne von der Menge treiben lasse, berichtet der Wahl-Kölner, den es nun wieder nach Baden-Baden zieht.
Als erstes will Görtzel die Mitarbeiter im Rathaus kennenlernen
20 Jahre habe er in der Entertainmentbranche gearbeitet, vor allem für Pilotprojekte im IT- und Sales-Bereich, blickt Görtzel, der sich als „Freelancer“ bezeichnet, auf seinen beruflichen Werdegang zurück. Nun also das Projekt OB: Aus Gesprächen mit Freunden und Verwandten in der alten Heimat, deren Entwicklung er auch über das Lesen des Badischen Tagblatts aus der Ferne mitverfolge, sei die Idee für seine Kandidatur entstanden.
Er habe aber auch das Gespräch mit anderen Menschen in der Stadt gesucht und positive Rückmeldungen erhalten, „so dass ich meine Unterstützerunterschriften pünktlich einreichen konnte. Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt der OB-Aspirant.
Es gehe ihm nicht darum, über Menschen zu bestimmen, sondern mit ihnen. „Dafür muss man ihnen zuhören“, betont Görtzel, „und dann bereit sein für eine Entscheidung, aber auch für Veränderungen, falls sich etwas als nicht so erfolgreich rausstellt.“ Er sei lösungsorientiert, wolle Probleme schnell benennen und anpacken, „sonst verwaltet man irgendwann nur noch den Ist-Zustand“, sagt Görtzel. Kommunikation, Kompromiss- und Integrationsfähigkeit sieht er als seine Stärken an. Er sei auch risikofreudig, „es muss sich aber um ein kalkulierbares Risiko handeln. Ich würde im Casino nicht alles auf die Null setzen, eher auf Rot oder Schwarz.“
Als Stadtoberhaupt wolle er als erstes die Mitarbeiter im Rathaus kennenlernen. „Es geht um Wertschätzung. Man muss zeigen, dass man gemeinsam an einer Sache arbeitet.“ Auch neue Arbeitsprozesse seien vorstellbar. Wichtig sei, „den Mitarbeitern Vertrauen zu schenken, so wie ich gerade um einen Vertrauensvorschuss bei der OB-Wahl bitte“, betont Görtzel.
Görtzel sieht Vorteil in Außenseiterposition
Der politische Quereinsteiger weiß um seine Außenseiterposition. „Oftmals ist es aber besser, man steht nicht an der Startlinie, sondern beobachtet das Feld und legt dann los“, sagt er dennoch selbstbewusst zu seinem noch etwas stockenden Wahlkampfauftakt. Er arbeite noch an seiner Website, auf Plakate habe er eigentlich verzichten wollen. „Doch die Menschen haben zu mir gesagt, dass ich meinen Bekanntheitsgrad erhöhen muss.“
Keinen Hehl macht er daraus, dass „Geld bei mir eine endliche Ressource ist. Meine Mittel sind sehr, sehr begrenzt. Die muss ich zielgerichtet einsetzen.“ Sponsoren habe er keine. „Die möchte ich auch nicht“, legt er Wert auf Unabhängigkeit. „Ich bin lange genug aus der Stadt raus, dass man mir nicht nachsagen kann, Deals mit irgendjemanden zu machen.“
An seine Chance glaubt er: „Es ist eine Zeit des Wandels, die Menschen wollen Veränderung und weniger Show.“ Kostenloses Parken in der Innenstadt will er angehen, eine bessere Durchmischung der Geschäfte und den Augustaplatz – sein Lieblingsort in Baden-Baden – „aufpeppen, aber nicht komplett umgestalten“.
Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten
Die BNN stellen in loser Folge die Bewerberinnen und Bewerber für die OB-Wahl in Baden-Baden vor. Auf www.bnn.de findet sich dazu jeweils auch ein Video-Porträt. Erschienen sind bereits das Porträt über Margret Mergen (CDU), Rolf Pilarski (FDP), Roland Kaiser (Grüne), Bettina Morlok (FBB), Dietmar Späth, Peter Hank (Die Basis, 25. Februar) und Stefan Bäuerle (parteilos, 28. Februar). Zudem veranstalten BNN und BT am Freitag, 4. März, um 17 Uhr ein gemeinsames Wahlforum mit OB-Kandidatinnen und -Kandidaten, das auf bnn.de und badisches-tagblatt.de im Livestream zu sehen ist.