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Jahresbericht zur Spielzeit

Warum ein Kuss beim Märchen „Robin Hood“ in Baden-Baden zu Diskussionen führt

Baden-Badens Theater-Intendantin Nicola May verteidigt in der Hauptausschuss-Sitzung das Weihnachtsmärchen „Robin Hood“ gegen Kritik. Das Theater habe die Schulverwaltungen auch mit Infos zu dem Stück versorgt.

Gut besucht und viel kritisiert: Das Weihnachtsmärchen „Robin Hood“ im Theater am Goetheplatz.
Gut besucht und viel kritisiert: Das Weihnachtsmärchen „Robin Hood“ im Theater am Goetheplatz. Foto: Joachim Eiermann

Eine erfolgreiche, aber schwierige Spielzeit 2021/22 liegt hinter dem Theater Baden-Baden. Und die aktuelle ist auch nicht frei von Turbulenzen. Die Intendantin Nicola May stand dem Hauptausschuss des Gemeinderats in jüngster Sitzung Rede und Antwort.

Sie blickte zurück auf eine durch Corona-Hemmnisse geprägte Saison, die unter dem Motto „Berühren“ stand. Ein Kuss indes sorgt beim derzeitigen Kinder-Weihnachtstheater für Gesprächsstoff.

Kurt Hermann (AfD) berichtete von einem „Shitstorm“ von Eltern gegenüber Lehrern, die mit ihren Schülerinnen und Schülern im Klassenverbund das Weihnachtsmärchen „Robin Hood“ besucht hatten. „Die Minderjährigen waren verstört“, ließ er sich berichten, die Pädagogen ebenfalls.

Unangemessener Stoff für die Kinder

Angeblicher Stein des Anstoßes: Robin Hood ist in der Inszenierung ein Mädchen, das wiederum ein anderes Mädchen küsst. Seiner Ansicht nach ein völlig unangemessener Stoff für Kinder im Alter von fünf plus.

„Bei Jugendlichen hätte ich damit kein Problem“, so Hermann. „Sexuelle Diversität“, ließ Ansgar Gernsbeck (CDU) wissen, sei erst ab der vierten Klasse ein Thema im Unterricht.

Außerdem seien zu viele Emotionen in das Stück „hineingepfercht“ worden, bis hin zum gestreckten Mittelfinger. „Wenn man so rangeht an die Themen, hätte man vorher mit den Pädagogen sprechen müssen“, sagte Gernsbeck und forderte: „Ein Weihnachtsmärchen sollte für alle da sein.“ Auch für Kinder von „Eltern mit einem nicht liberalen Weltbild“.

Die künstlerische Freiheit steht an erster Stelle.
Rolf Pilarski, Gemeinderat (FDP)

„Ich habe ganz andere Rückmeldungen bekommen“, meldete sich Sabine Iding-Dihlmann (Grüne) zu Wort, der Kritik widersprechend. „Die Kinder haben viel Spaß und viel zu lachen.“

Eine Beobachtung, die auch Karin Fierhauser-Merkel (SPD) mit einer dritten Klasse machte: „Robin Hood“ habe den Schülern „total gut gefallen“, diese fanden das „cool“.

Negative Rückmeldungen der Eltern seien ausgeblieben. „Die künstlerische Freiheit steht an erster Stelle“, postulierte Rolf Pilarski (FDP), verbunden jedoch mit der Anmerkung: „In der jetzigen Zeit würde ich mir ein Weihnachtsmärchen wünschen, das die Kinder verzaubert.“

„Wir sollten nicht jedem Sturm im Wasserglas nachlaufen“, befand Markus Fricke (Freie Bürger). Was die Kuss-Szene anbelangt, verwies er auf die Fußball-WM in Katar und die Normalität von „knutschenden“ jungen Männern beim Torjubel.

Ein Kuss auf der Bühne sei für Kinder „immer igittigitt“, erklärte Intendantin May, gehöre aber nun mal zum Theater-Kitzel.

Die temporeiche und slapstickartige Aufführung habe mit sexueller Aufklärung nichts zu tun, in „Robin Hood“ komme gar kein Liebespaar vor. Der Inhalt, räumte sie ein, sei „nicht ganz unproblematisch“ unter dem Aspekt, dass begangenem Unrecht mit anderem Unrecht begegnet werde.

Schulen sollten Schüler auf Weihnachtsmärchen vorbereiten

Auf die Kritik in den sozialen Medien hin seien alle Schulverwaltungen mit Informationen versorgt worden, um den Theaterbesuch entsprechend vorbereiten zu können.

May lud Hermann abschließend ein, sich das äußerst gut gebuchte Weihnachtsmärchen anzusehen und selbst ein Urteil zu bilden. Dieser sagte spontan zu.

Auf die Bürger zuzugehen, das hatte sich auch bewährt, als im letzten Drittel der Spielzeit 2021/22 die Besucherresonanz einzubrechen drohte. „Die Schauspieler haben gesagt, wir gehen raus und machen auf uns aufmerksam“, berichtete die Intendantin. Die Werbeaktionen in der Stadt zeigten Wirkung, der Kartenverkauf zog wieder an.

Als richtig erwiesen habe sich auch, das Theater-Abo in der Krisenzeit nur auszusetzen, aber nicht aufzugeben. Als sich der Vorhang wieder öffnete, wurde der Umfang der Vorstellungen etwas reduziert mit der verblüffende Wirkung, dass die Abo-Zahlen erstmals wieder anstiegen. May: „Das hatten wir lange nicht mehr.“

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