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Im Kurhaus-Casino

Topverleger kämpfen bei Baden-Badener „Book Night“ fürs gute Buch

Hat das Buch noch eine Zukunft? Bei der „Book Night“ in Baden-Baden fiel die Antwort vielschichtig aus.

Trotz der Absage der Leipziger Buchmesse hat die alternative Pop Up-Messe im Frühjahr Tausende Bücherfreunde angelockt. Das gibt auch dem corona-gebeutelten Buchhandel Auftrieb.
Die alternative Pop Up-Messe im Frühjahr in Leipzig hat Tausende Bücherfreunde angelockt. Das gibt auch dem Corona-gebeutelten Buchhandel Auftrieb. Foto: Jan Woitas/dpa

Alles ist teurer geworden und die aktuelle Inflation treibt die Preise weiter nach oben, nur das Buch bleibt seit Jahrzehnten günstig – während ein Hardcover früher um die 49,80 D-Mark gekostet hat, liegt der Preis des gebundenen Buchs heutzutage immer noch bei unter 23 Euro.

Der Preis kann also nicht als Ausrede dienen, das gute Buch neben den allgegenwärtigen Apps und Social-Media-Kanälen zu vernachlässigen.

Natürlich wird in Deutschland immer noch viel gelesen, ist der Buchmarkt ein Milliardengeschäft mit einem laut Börsenverein des Buchhandels seit Jahren recht konstanten Gesamtumsatz von rund 9,3 Milliarden Euro.

Aber zwischen den Kinder- und Jugendbüchern als umsatzstarken Absatzmarkt und der weiterhin lesefreudigen bildungsbürgerlichen Mittelschicht (ab 50 Jahre) klafft eine Lücke. Diese soll geschlossen werden, sagen rund 65 deutsche Topverleger und Buchhändler bei der ersten „Book Night“ (Bücher-Nacht) des Baden-Badener Unternehmens Media Control.

Stimmung bei „Book Night“ im Kurhaus-Casino in Baden-Baden ist ambivalent

Im Kurhaus-Casino ist die Stimmung bei Verlagen wie beim Buchhandel ambivalent. Auf der einen Seite gestiegene Kosten, weniger Kauflaune angesichts vieler Krisen und Corona-Auswirkungen, die dem wichtigsten Standbein des Buchgeschäfts, dem stationären Buchhandel, zu schaffen machen, denn Kundenströme sind noch nicht in die Innenstädte zurückgekehrt.

Andererseits sieht Media-Control-Geschäftsführerin Ulrike Altig aktuell viel Stabilität am Buchmarkt: Vom Januar bis Mai 2022 gebe es im Vergleich zu 2020 eine Umsatzsteigerung von 6,9 Prozent. Aber den Absatz-Rückgang von zirka 20 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit haben die Verlage, so ist in Gesprächen zu hören, längst nicht aufgeholt.

Hinzu kommt: „Die Jungen spielen im Buchmarkt so gut wie keine Rolle“, sagt Geschäftsführerin Altig. Stephanie Lange vom Börsenverein formuliert das positiver: „Die Menschen lesen gerne, wir haben sie verloren, weil sie keine Zeit mehr haben.“

Mit Ratgebern oder Unterhaltungsliteratur will man versuchen, diese große Gruppe fürs Gedruckte zu gewinnen, bei einigen ist es geschafft. Sebastian Fitzek, der Entertainer unter den jüngeren Autoren, liegt ganz vorne in den Charts bei jüngeren Lesern – gefolgt von Anne Fleck, Bestseller-Autorin und „Ernährungs-Doc“, oder die Kinderbuchautorin Margit Auer mit ihrer Reihe „Die Schule der magischen Tiere“.

Bei den Young Adults (dazu zählen die 15- bis 39-Jährigen) hat die Baden-Badener Buchhändlerin Tanja Eger (bei Straß/Mäx und Moritz) gar einen Trend zum Jugendbuch ausgemacht – und bei den unter 13-Jährigen einen Hang zu Mangas, Comics für Erwachsene.

Nicht alle Eltern lesen ihren Kindern vor

Aber vor allem Menschen aus bildungsfernen Schichten, das deckt sich alljährlich mit den Erhebungen der Stiftung Lesen in Mainz, sind schwer fürs Lesen zu gewinnen, auch nicht fürs Vorlesen.

Ein gutes Drittel der Eltern in Deutschland liest den eigenen Kindern selten oder nie vor. Diese Zahl ist seit Jahren konstant. Dabei findet der Nachwuchs Vorlesen eigentlich prima und profitiert ganz enorm in seiner sprachlichen Entwicklung davon.

Auch das Haptische hilft: Das Buch strukturiert das Lesen bei Kindern, die sonst eher beim Scrollen auf dem Tablet den Faden der Geschichte verlieren und damit auch den Inhalt. „Enorm wichtig für die Lebenskompetenz“, sagt die Baden-Badener Buchhändlerin Eger.

Sie findet, alle Beteiligten müssten mithelfen, auch die Politik, damit wieder mehr zum Buch greifen – das müsste bereits bei der Lehrerausbildung ansetzen, denn viele Lehramtsstudenten, die Digital Natives, hätten selbst keinen Bezug mehr zum Buch. Da geht viel Substanz verloren.

Stefan Aust: „Man kommt ins Bewusstsein der Menschen“

Bei allen Podcasts, Hörbüchern und digitalen Leseangeboten ist das Buch keine altmodische Sache. Medienmann Stefan Aust, Herausgeber der „Welt“, ehemals Chefredakteur des „Spiegels“, zugeschaltet zur „Book Night“ via Video, unterstreicht: „Mit Büchern kommt man ins Bewusstsein der Menschen, in ihr Gedächtnis, manchmal sogar in ihr Herz.“ Und da will der Buchhandel die Leser packen.

Im Grunde werden am Buchmarkt vor allem zwei Welten bedient. Diejenigen gut beraten, damit sie weiterhin regelmäßig in die Buchhandlungen kommen – und dort nicht nur preisgekrönte Belletristik finden, sondern auch mal etwas Leichtes empfehlen – einen Liebesroman oder vielleicht einen Krimi?

Während Media Control in der breiten Bevölkerung mit E-Commerce-Handelspanels ein Ranking der Lesemotive aufstellt – vom sich entspannen, orientieren bis zum Nervenkitzel –, hat der Börsenverein die Urlauber ins Auge gefasst, in der Hoffnung auf einen Reisesommer mit ganz viel Buchlektüre im Gepäck.

Und die Frage, ob Unterhaltung automatisch seicht sein muss und den Leser nicht auch fordern und fördern darf, ist bei allen Bemühungen eher zweitrangig. Dabei könnte es bei einem guten Buch sein wie beim guten Essen und guten Wein – der Anspruch wächst, wenn nur einmal davon gekostet wurde.

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