Egon Burg versteht die Welt nicht mehr, was noch milde formuliert ist. Denn der Baden-Badener Allgemeinmediziner ist stinksauer und kann nur noch den Kopf schütteln.
Grund: „Der Hausverwalter hat mir erst mit Kündigung gedroht und jetzt das Mietverhältnis zum 15. August 2024 gekündigt“, berichtet der Hausarzt, der seit 14 Jahren seine Praxis im „Haus Victoria“ am Leopoldsplatz hat und seit vielen Monaten auch gegen Corona impft.
„Er hat mich angerufen und mir erklärt, dass ich meine Patienten, die zum Impfen kommen, auf der Straße warten lassen oder alle zusammen in die Praxis nehmen soll. Vor der Tür und im Treppenhaus hätten sie nichts verloren. Das sei kein Wartebereich“, erzählt der Mediziner und präsentiert die Kündigung.
Hausverwalter kündigt Mietverhältnis zum Vertragsende
In der steht geschrieben: „An der vereinbarten Verlängerung um weitere fünf Jahre haben wir kein Interesse und kündigen daher bereits heute das Mietverhältnis zum Vertragsende.“ Burg hält die Vorwürfe für absurd und in der momentan sehr angespannten Lage für ein völlig falsches Signal.
„Daher habe ich mich an die Landesärztekammer gewandt.“ Der Grund für ein solches Verhalten, „noch dazu in einer Zeit, in der jede Impfung zählt“, ist Burg schleierhaft.
Die Probleme begannen erst in der vergangenen Woche
„Ich impfe jetzt seit April gegen Corona und bisher hat die Hausverwaltung nie etwas gesagt. Das fing erst letzte Woche an. Dabei sollten im Moment doch alle froh sein, dass die älteren Menschen ihre Impfung auffrischen möchten und auch immer mehr Junge kommen“, betont Burg, der nur einmal pro Woche Impfwillige empfängt. Und zwar immer mittwochs.
„Wegen der Pandemie habe ich im Frühjahr meinen freien Nachmittag aufgegeben und biete jetzt zusätzlich zum normalen Praxisbetrieb eine offene Impfsprechstunde für alle an, also auch für Leute, die nicht meine Patienten sind.“
Jeden Mittwoch ab 15 Uhr impft Burg maximal eine Stunde lang. Im Schnitt kommen seinen Angaben zufolge etwa 20 Personen, darunter viele Hochbetagte. „Die kann ich doch nicht auf der Straße warten lassen“, sagt der Arzt. „Ich frage mich, wie man nur so inhuman sein kann, dass man so etwas von mir verlangt?“
Ich frage mich, wie man so inhuman sein kann.Egon Burg, Hausarzt
Da er auf Sicherheit achten müsse, dürfe er gar nicht alle Menschen gleichzeitig in die Praxis lassen. Somit sei es auch nicht zu verhindern, dass sie einige Zeit vor der Tür beziehungsweise im Treppenhaus warten.
„Sie stehen dort aber nur kurz und immer mit dem nötigen Abstand, der sich in diesem riesigen Treppenhaus problemlos gewährleisten lässt“, betont Burg, der immer nur sechs Personen in die Praxis holt. Dann seien die nächsten an der Reihe. Das gehe sehr flott.
Der Offenburger Hausverwalter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, erklärt gegenüber dieser Redaktion: „Wenn jeder Mieter seine eigenen Regeln aufstellt und jeder Arzt seine Patienten im Treppenhaus warten lässt, führt das zum Chaos.“ Es könne nicht sein, dass sich eine Partei bestimmte Rechte herausnehme, die andere nicht haben.
Es kann nicht sein, dass sich eine Partei bestimmte Rechte herausnimmt.Hausverwalter
Er verweist auf die Hausordnung, die auch Mediziner zu beachten hätten. In dieser stehe geschrieben, dass das Treppenhaus freizuhalten sei. Es sei somit nicht zulässig, dass es als Wartebereich genutzt werde.
Regelmäßig hätten sich die anderen Mieter bei ihm beschwert, weil sie sich vom Andrang im Treppenhaus gestört fühlten, berichtet der Hausverwalter.
Doch der Arzt habe sich uneinsichtig gezeigt. „Wir erwarten von ihm, dass er seinen Praxisbetrieb so organisiert, dass die Patienten in den Praxisräumen und nicht auf den allgemeinen Flächen warten.“ Gegebenenfalls könne er ja auch ein Impfzelt anmieten, meint der Hausverwalter.
Hausverwaltung fordert andere Organisation des Praxisbetriebs
Egon Burg weiß nichts von Beschwerden anderer Mieter. „Es gibt in diesem Abschnitt des Hauses sechs Mietparteien und drei Ärzte, die sich aber kaum begegnen, da die Treppe so gut wie nie benutzt wird. Fast jeder hier fährt im Aufzug.“ Beim Treffen vor Ort bestätigt sich diese Einschätzung. Weit und breit kein Mensch – außer den Patienten. Nur der Fahrstuhl fährt hoch und runter.
Und was sagt die Firma „Schroff Immobilien“ als Hauseigentümerin dazu? Ingrid Schroff: „Mein Vertreter hat Ihnen bereits alles gesagt. Ich möchte mich über diese Auskünfte hinaus nicht zu der Angelegenheit äußern.“