Erstmals seit wohl sehr langer Zeit hat das Baden-Badener Tierheim zu einer Notlösung greifen müssen: Seit vergangener Woche ist das Haus im Märzenbachweg (Oberbeuern) aufgrund von personellen Engpässen für den öffentlichen Betrieb weitgehend geschlossen.
Die Versorgung der Tiere, so versichert Jessica Reichynek vom Verein Tierschutz Baden-Baden, der das Heim betreibt, sei aber in vollem Umfang gesichert. Man hofft, schon bald wieder die Türen ganz normal öffnen zu können.
Sehr ungern haben die Tierschützer den Schritt zur zeitweisen Schließung vollzogen, doch man habe keine Wahl gehabt, erklärt Reichynek. Im Heim seien momentan „zu viele Pfoten für zu wenig Hände“.
Das Tierheim braucht zwei Vollzeitkräfte mehr
Mit der personellen Ausstattung hat man im Heim schon länger Probleme. Eigentlich braucht man angesichts von in der Regel rund 100 Bewohnern etwa sechs Vollzeitkräfte zur Erledigung der großen Palette an Aufgaben.
Dazu gehören neben der ständigen Reinigung der Tierhäuser und der Fütterung auch Dinge wie der Publikumsbetrieb, das Einsammeln von Tieren aus behördlichen Beschlagnahmungen, das manchmal stundenlanges Ausharren erfordernde Einfangen von Jungtieren verwilderter Katzen oder auch die Aufzucht von Wildtierbabys wie etwa Eichhörnchen, denen dann tagsüber und nachts alle zwei Stunden die Schoppenflasche gegeben werden muss.
Trotz der vielen Arbeit muss das Tierheim-Team aber mit nur vier Vollzeitkräften auskommen. Dies ist laut Reichynek eine Folge des Fachkräftemangels bei Tierpflegern. Man bilde zwar immer wieder einmal Azubis aus, doch letztlich sei hier die Nachfrage recht gering geworden.
Nicht wenige würden auch wieder abspringen, weil die Belastungen eines solchen Pflegeberufs nicht den Erwartungen entsprechen. Dies betrifft zum Beispiel die Arbeitszeit, die sich auch über Wochenenden und Abende erstrecken und auch nicht im Homeoffice erledigt werden kann.
Baden-Badener Tierpfleger werden teilweise erheblich angefeindet
Hinzu komme, so betont Jessica Reichynek, dass die Arbeit im Tierheim gerade für Auszubildende auch eine seelische Belastung mit sich bringen könne. Dies sei zum Beispiel gelegentlich der Fall, wenn man sehr verängstigte Hunde aufnehmen muss, die Schlimmes erlebt haben und nur ganz langsam wieder Vertrauen erlangen.
Ebenso verstörend sei manchmal der Umgang mit den Zweibeinern, denn das Tierheimpersonal sieht sich zuweilen erheblichen Anfeindungen und auch aggressivem menschlichen Verhalten ausgesetzt. Dazu kann es kommen, wenn man akut aufgrund von Platzmangel keine Tiere aufnehmen kann.
Mit unfreundlichen Reaktionen muss man sich auch manchmal auseinandersetzen, wenn es um aufgenommene Fundtiere geht. Kann deren Halter ermittelt werden, ist dieser zuweilen nicht rundum glücklich, den eigenen Hund oder die Katze zurückzubekommen.
Vielmehr wird dann darüber geschimpft, dass jemand das Tier überhaupt ins Heim gebracht habe. Dies sei doch völlig unnötig gewesen.
Auch bei der Vermittlung kommt es manchmal zu Auseinandersetzungen
Und dann ist die Vermittlung von Heimbewohnern nicht selten mit unangenehmen Spannungen und Ärger verbunden, wenn etwa Interessenten das von ihnen gewünschte Tier nicht in die Hände gegeben wird. Aber man habe in jedem Fall die Verantwortung, so Reichynek, darauf zu schauen, ob Mensch und Tier überhaupt zusammenpassen.
So gebe es eben Hunde, die keinesfalls längere Zeit allein bleiben können. Ebenso sei es viel zu riskant, einen Hund mit einem Beißvorfall zu einer Familie mit Kindern zu vermitteln. Und manchmal müsse man auch ablehnen, wenn ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität einen Schäferhund mitnehmen wollen.
Neben den Herausforderungen für das Personal macht dem Tierheim der hohe Bestand an tierischen Bewohnern zu schaffen. Bei den Hunden ist vor allem der Anteil an verhaltensauffälligen Vierbeinern, die im Heim abgegeben werden, stark gestiegen.
Einen Grund dafür sieht Reichynek in der falschen Auswahl des Hundes durch die Halter. So werde zu wenig auf mögliche charakterliche Eigenschaften geschaut. Ein besonderes Problem sei der zunehmende Import von verängstigten Auslandstieren, die dann an irgendwelchen Autobahnparkplätzen an Interessenten übergeben würden, die manchmal schon bald mit der Haltung überfordert seien.
Für die Aufnahme gibt es in Baden-Baden eine Warteliste
Bei den Katzen wiederum sorgt die mangelnde Bereitschaft der Halter, ihre Tiere kastrieren zu lassen, für überfüllte Tierheime. Im Baden-Badener Asyl besteht zurzeit für die Tieraufnahme eine Warteliste, denn „wir sind voll belegt“, unterstreicht Jessica Reichynek. Nur bei Notfällen versuche man, diese Tiere noch irgendwie unterzubringen.
Dies alles sind aktuelle Rahmenbedingungen für den hiesigen Tierheimbetrieb in personell angespannter Situation, die aber auch in anderen Heimen anzutreffen ist.
Nachdem nun vor kurzem wegen Urlaub und Krankheit zwei weitere Helferinnen ausgefallen waren, sah man sich gezwungen, das Heim für die Öffentlichkeit zu schließen. Die Tiere werden aber natürlich trotzdem voll versorgt, auch im medizinischen Bereich. Ebenso wird die Arbeit mit verhaltensauffälligen Hunden fortgesetzt.
Unangemeldete Besuche zu festen Öffnungszeiten konnten allerdings zuletzt nicht ermöglicht werden. Es war aber weiterhin möglich, Termine telefonisch zu vereinbaren.
Jessica Reichynek geht davon aus, dass das Baden-Badener Tierheim in der nächsten Woche wieder öffnen und seinen normalen Betrieb aufnehmen kann.