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Händler-Initiative plädiert für Ladenöffnungen

„Das ist totaler Kokolores“: In Baden-Baden hält sich die Begeisterung für Click&Collect in Grenzen

Seit Montag haben Einzelhändler die Möglichkeit, „Click&Collect“ anzubieten: Kunden können online Waren bestellen und im Laden abholen. Doch den meisten Geschäftsinhabern geht dieses Angebot nicht weit genug.

Ein Glücksfall: Als Abholstation darf der Baden-Badener Buchhändler Josua Straß die Durchreiche nutzen, die eigentlich zum benachbarten Lokal „Löwenbräu“ gehört. „Da bin ich sehr dankbar.“
Ein Glücksfall: Als Abholstation darf der Baden-Badener Buchhändler Josua Straß die Durchreiche nutzen, die eigentlich zum benachbarten Lokal „Löwenbräu“ gehört. „Da bin ich sehr dankbar.“ Foto: Christiane Widmann

Seit Montag haben Einzelhändler die Möglichkeit, „Click&Collect“ anzubieten: Kunden können online Waren bestellen und im Laden abholen. Doch die Begeisterung hält sich bei Händlern in Baden-Baden in Grenzen.

„Das ist alles lieb und nett gemeint, aber das ist totaler Kokolores“, sagt Matthias Vickermann. „Die Geschäfte müssen wieder offen sein“ – sei es auch mit Auflagen. „Dann hat der Handel eine Chance.“

Da bleibt nichts hängen.
Matthias Vickermann, Vorsitzender der BBI

Vickermann ist der Vorsitzende der Einzelhändler-Initiative Baden-Baden Innenstadt (BBI). Sein Eindruck: „Es gibt fast keinen, der Click&Collect anbietet.“

Das hat einen einfachen Grund: Damit die Kunden überhaupt auf die Idee kommen zu bestellen, müssen sie ganz genau wissen, was sie wollen und wo sie es bekommen. Viele Geschäfte haben jedoch keinen Webauftritt, auf dem ihr komplettes Sortiment einsehbar oder bestellbar ist. „Wie soll der Kunde denn mitbekommen, was der Händler hat?“

Online-Angebot ist keine Erfolgsgarantie

Es sei leichter gesagt als getan, ein solches Online-Angebot aus dem Boden zu stampfen, bekannt zu machen und auf dem Laufenden zu halten.

Das koste Zeit und Geld – und habe angesichts etablierter Versandhändler keine Erfolgsgarantie. Zudem stelle sich die Frage, ob sich das überhaupt rechnet. „Wie viel muss denn bestellt werden, dass es sich für den Händler lohnt, den ganzen Tag im Geschäft zu bleiben?“ Vickermann glaubt: „Da bleibt nichts hängen.“

Das sind Prozesse, die man nicht aus dem Ärmel schütteln kann.
Franz Bernhard Wagener, Geschäftsführer der Wagener-Häuser

Statt einen Online-Shop übers Knie zu brechen, nutzt der wohl bekannteste Einzelhändler in Baden-Baden, Franz Bernhard Wagener, aktuell den „kleinen Dienstweg“. „Wenn sich jemand bei uns meldet und etwas haben will, werden wir es ihm selbstverständlich verkaufen“, sagt er. Zur Auswahl stehen Abholung, Lieferung und Versand. „Wir wollen das noch mehr ausbauen.“ Auch Online-Angebote sind vorgesehen. „Aber das sind natürlich Prozesse, die man nicht aus dem Ärmel schütteln kann.“

Wagener sagt jedoch unumwunden: „Click&Collect ist ein Service. Ein Befreiungsschlag ist es ganz bestimmt nicht.“ Gerade die Modebranche sei in einer schwierigen Situation. Davon abgesehen, dass viele Kunden gerne vor Ort nach dem passenden Kleidungsstück stöberten, sei die Rücklaufquote selbst bei etablierten Versandhändlern hoch. 50 bis 70 Prozent der Bestellungen kommen zurück – nicht selten getragen oder beschädigt.

Ich rechne nicht damit, dass ich dieses Jahr Geld verdienen werde.
Felix Kaiser, Lederwarenhändler

„Ich finde es gut, dass Click&Collect erlaubt ist“, sagt Felix Kaiser. „Jeder Euro zählt.“ Er betreibt die Lederwaren-Geschäfte „Inka“ und „No. 8“ in der Sophienstraße. Doch er sagt offen: Die Menge der Bestellungen, ob zum Liefern oder zum Abholen, „hält sich sehr in Grenzen“.

Der Lederwaren- und Schuhhandel habe ganz allgemein große Verluste zu verkraften. Kaiser bemerkt auch genau das Problem, das Matthias Vickermann angesprochen hat: Sein Sortiment liege mangels Online-Shop und mit einer noch jungen Instagram-Seite unter dem Radar – das der großen Versandhändler nicht. „Es ist ein völlig anderer Markt im Internet.“

Die Händler wollen Klarheit für die nächste Order-Saison

Klar ist deshalb: „Für uns ist Aufmachen das Wichtigste.“ In seinen Geschäften herrsche sowieso „nie so viel Andrang“, dass sich die Kunden auf den Füßen stehen. „Es ist für uns leichter, die Abstände und Regeln einzuhalten als beispielsweise für einen Bäcker.“ Je früher bekannt werde, wann es wieder losgehen kann, desto besser. „Bald ist wieder die Order-Saison für Herbst und Winter. Es ist sehr schwierig zu wissen, was und wie viel man bestellt.“ Seine Hoffnungen sind ganz bescheiden: „Ich rechne nicht damit, dass ich dieses Jahr Geld verdienen werde“, sagt er. Doch er hofft, dass zumindest „der Verlust nicht gigantisch wird“.

Ich hatte das Gefühl, dass es Leute gibt, die dankbar sind, dass sie wieder raus dürfen.
Josua Straß, Buchhändler

Der Buchhändler Josua Straß ist einer derjenigen, die Click&Collect anbieten. Nachdem seine Buchhandlung und der Partnerbetrieb „Mäx+Moritz“ bereits mit ihrem Lieferservice auf sich aufmerksam gemacht haben, gibt es nun in beiden Geschäften auch die Möglichkeit zur Abholung. „Das Angebot wurde vom ersten Tag an angenommen“, berichtet er. Das erleichtert nicht nur logistische Fragen – die Lieferfahrten mit E-Bike und Auto wollen schließlich effizient geplant und bewältigt sein. Es tue auch den Kunden gut: „Ich hatte das Gefühl, dass es Leute gibt, die dankbar sind, dass sie wieder raus dürfen.“

Die vielen Leerstände bereiten Unbehagen

Eines bereitet Straß jedoch Unbehagen: „Die vielen Leerstände sind besorgniserregend.“ Er fürchtet um die Einkaufskultur in Baden-Baden. „Man sieht ja an anderen Städten das schleichende Sterben. Das kippt irgendwann. Dann hilft es mir auch nicht, dass ich halbwegs unbeschadet durch die Corona-Krise gekommen bin.“

Besonders wichtig findet er neue inhabergeführte Geschäfte. Sie füllten Nischen, hätten einen eigenen Charakter und treue Kunden, die die Stadt gezielt wegen solcher Lieblingsläden aufsuchten. Seiner Ansicht nach sollte die Stadt solche Geschäfte stärken. Denn „so, wie es ist, kann’s nicht bleiben.“

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