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SWR dreht drei Städte in einer

Das "Tatort"-Haus von Baden-Baden

Ermittlungen, Verhöre, Analysen: Wichtige Teile der Freiburger, Stuttgarter und Ludwigshafener "Tatorte" werden in Baden-Baden gedreht. SWR-Produktionsleiter Jürgen Weissenrieder erklärt, wie bei den Dreharbeiten mit Lena Odenthal und Co. auch mal getrickst werden muss.

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Drei Kommissariate in einem Gebäude: An der Breisgaustraße 19 in Baden-Baden werden Tatort-Folgen für Freiburg, Stuttgart und Ludwigshafen gedreht. Foto: SWR

Wenn es regnen soll, platscht Wasser an die Fensterscheibe. Wenn es schneien soll, schneit es. Aber ein kühles Kommissariat – das bekommen die Tatortmacher dann doch nicht hin. Schwülwarm ist es, als die Schauspieler Ulrike Folkerts und Peter Esperloe im Kommissariat über ihre Rollen als Ermittlerin Lena Odenthal und Kriminaltechniker Peter Becker sprechen.

An der Breisgaustraße 19 in Baden-Baden, einem mächtigen länglichen Bau mit vier Flügeln, wird neben dem Ludwigshafener „Tatort“ auch der Freiburger (Schwarzwälder) und Stuttgarter gedreht.

Jürgen Weissenrieder ist froh über die Möglichkeiten in der Breisgaustraße 19. „Wir wollten uns den permanenten Auf- und Abbau der Kommissariate nicht mehr leisten“, sagt der Produktionsleiter.

40 Menschen arbeiten hinter der Kamera, damit alles reibungslos läuft. „Ein Drittel von Hollywood, aber genauso effektiv“, sagt Weissenrieder.

Der Gaggenauer ist beim SWR der Tatortmacher. 17 Jahre lang war er Aufnahmeleiter, seit 21 Jahren ist er Produktionsleiter. Der Mann fürs Budget muss auch mal tricksen – wie, das zeigt Weissenrieder bei einem Rundgang.

„Am Nachmittag streiten wir uns meistens“

Im ersten Stock wartet Schauspielerin Folkerts mit ihrem Kollegen Esperloe, für sie ist der elfte Drehtag der neuen Folge gerade zuende gegangen. Die Folge soll Mitte November im Fernsehen laufen.

„Wenn man aus Berlin kommt, ist Baden-Baden vom Tempo her eine Vollbremsung“, sagt Folkerts. „Aber es ist der ideale Ort zum Drehen.“ 30 Drehtage pro Jahr, je zwei Folgen, haben die Ludwigshafener, Freiburger und Stuttgarter Ermittler im „Tatort“-Haus in Baden-Baden. Hier sind die Büros der Kommissare, Verhörräume, Staatsanwaltschaft und Gerichtsmedizin.

Vom Schwarzwald über Münster bis nach Berlin: 48 Ermittler sind in 22 Ausgaben am Werk. Aber drei „Tatorte“ in einem Gebäude – das gibt es nur in Baden-Baden. Im ersten Stock des früheren Kinderheims ermitteln die Ludwigshafener, im zweiten Stock die Freiburger und im dritten Stock die Stuttgarter.

Die Schauspieler Folkerts und Esperloe machen keinen Hehl daraus, dass sie nur ungern im noch wärmeren obersten Stock drehen würden. Bis zum Dreh wird gekühlt, dann müssen die mobilen Klimageräte still stehen. Über den Tag wird es wärmer, der Sauerstoff weniger. „Dann mehren sich die Versprecher“, berichtet Esperloe. „Am Nachmittag streiten wir uns meistens“, sagt Folkerts und lacht.

Im Erdgeschoss ist die Gerichtsmedizin aufgebaut

Erdgeschoss, die Gerichtsmedizin. Fließen, zwei Seziertische, braune Fläschchen mit Totenkopfsymbol. Nur der Geruch weist darauf hin, dass hier nie reale Leichen liegen. „Früher haben wir in der Pathologie im Karlsruher Krankenhaus gedreht“, sagt Weissenrieder. „Man hat einiges gesehen, was man nicht sehen will.“

Der Produktionsleiter öffnet eine von neun Türen der Kühlkammern und tatsächlich liegt eine präparierte „Leiche“ darin. Vier Stunden hat es gedauert, bis Maskenbildnerin Claudia Koch Schminke und angeklebte Gelatine für die Wunden bei Komparse Wolfgang Becker angebracht hat.

Doch wer hat ihn umgebracht? Das ermitteln einige Treppenstufen weiter oben die Freiburger Hauptkommissare Friedemann Berg und Franziska Tobler im Schwarzwald-„Tatort“.

Weissenrieder führt in eine Zelle. Grauer Boden, Liege, ein Waschbecken, eine Toilette. Dass den hohlen Wänden 40 Zentimeter bis zur Decke fehlen, wird die Kamera nicht filmen.

Aus dem Raum kann durch Umbauten auch ein Massageraum werden. „Bringt eine Masseurin, dann haben wir ein neues Motiv.“ Die Wände werden teilweise neu gestrichen. „Aber sie werden immer gebraucht aussehen. Unsere Maler sind Künstler“, sagt Weissenrieder und betont: „Film ist Fake.“

Riesiges Lager mit Möbeln aus allen Epochen

Dann führt der Produktionsleiter in die Wärmekammer: Das Stuttgarter Kommissariat, dritter Stock. „Im Stuttgarter Polizeipräsidium sieht es so natürlich nicht aus“, sagt er. Dort gibt es mehr Räume, kein Großraumbüro mit ewig langem Gang. „Wir brauchen aber diese Tiefen.“

Während sich die Kommissare über die Bildschirme hinweg unterhalten, sollen sich im Hintergrund Mitarbeiter bewegen. „Sie laufen zum immer gleichen Kopierer, aber sie laufen. Optik geht vor Logik.“

Jede Wasserflasche, jedes Familienfoto, jedes Sachbuch ist nummeriert. Der Aufbau wird so verändert, dass es in die jeweilige Situation passt. Originalmarken sind nicht zu sehen – auf sichtbaren Ettiketen sind ausgedachte Namen angebracht. Jedes Detail ist wichtig: Am Kantinenplan an der Pinnwand ist „Gebratenes Zanderfilet“ und „Herzhafte Erbsensuppe mit Marktgemüse“ angeschrieben.

In der Ecke steht eine Kiste für den nächsten Dreh, randvoll mit Illustrierten. In der Saarstraße in Baden-Baden hat der SWR ein großes Lager mit Gegenständen. „Möbel aus allen Epochen“, sagt Weissenrieder. „Wir können aus jedem Raum etwas machen.“

Eine Tatort-Folge kostet etwa 1,5 Millionen Euro

Auf eine Folge ist Weissenrieder besonders stolz: „Stau“, der 20. Fall des Stuttgarter Ermittlerduos Lannert und Bootz. Ein Mädchen stirbt auf der Autobahn – doch die originale Stuttgarter Neue Weinsteige konnte das Drehteam nicht wochenlang blockieren. Weissenrieder ließ in der Freiburger Messehalle 80 Meter nachbauen. 40 Autos mitsamt Komparsen, im Hintergrund wurden Originalbilder projiziert.

Es ist einer der teureren „Tatorte“ – es gibt auch eine Folge, die fast komplett im Baden-Badener Verhörraum spielt. Um die 1,5 Millionen Euro kostet eine Folge, heißt es am Rande des Rundgangs – auch wenn die Rechnung schwierig ist. Beim SWR arbeiten Festangestellte an der Produktion mit, andere Sender vergeben die Produktion an externe Firmen.

Richtig teure Schauspieler sind für das Budget nicht zu bekommen, betont Produktionsleiter Weissenrieder. Manche verlangen 8.000 Euro pro Drehtag. Andere gehen mit dem Preis auf die Hälfte, damit sie mal in einem „Tatort“ mitgespielt haben.

Der seit 1970 ausgestrahlte Krimi ist längst zu einer Marke geworden. Nach Drehjahren in der Hubertusstraße ist der Tatort seit 2006 aus den Gebäudeflügeln der Breisgaustraße 19 nicht mehr wegzudenken.

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