Ein bisschen Baustellen-Flair hat es noch, das Krematorium in Baden-Baden. Hier und da stehen Kartons oder Werkzeugkisten herum, Glaswolle blitzt an Trägern hervor und Kabel liegen offen. Der neue Ofen aber läuft schon seit Wochen heiß - und das, obwohl dort nach wie vor keine Leichen verbrannt werden. Momentan geht es darum, das Bauwasser aus der Anlage zu bekommen.
Am 24. August soll das neue Krematorium laut Geschäftsführer Frank Geyer tatsächlich den Betrieb aufnehmen.
Die Kapazitätsgrenze des alten Ofens war längst überschritten.Frank Geyer, Geschäftsführer des Krematoriums
Das Aus für die alte Anlage kam Anfang März. „Sie hatte einfach einige Jahre auf dem Buckel, es hätten große Investitionen angestanden”, sagt Geyer.
Der Geschäftsführer nennt die Vorteile der neuen Anlage: Demnach verbrennt der Ofen sauberer, praktisch geruchlos, erleichtert den Mitarbeitern die Arbeit und kann theoretisch rund um die Uhr laufen.
„Die Kapazitätsgrenze des alten Ofens war längst überschritten”, erläutert er. „Ausgelegt war die Anlage für 800 Einäscherungen im Jahr, inzwischen haben wir mehr als 2.000.”
Aktuell werden die Verstorbenen in Pforzheim verbrannt
Obwohl seit Monaten niemand mehr in Baden-Baden verbrannt wird, rollen dennoch täglich Bestatter vor und schieben Leichen in den Kühlraum. Das Krematoriums-Personal erstellt weiterhin alle notwendigen Papiere und unterstützt den Amtsarzt bei der zweiten Leichenschau.
Zum eigentlichen Verbrennen bringen die Mitarbeiter die Verstorbenen derzeit nach Pforzheim. „Wir fahren täglich, bei Bedarf auch mehrfach”, sagt Geyer. „Das Projekt ist mit Pforzheim abgestimmt. Dort wurde gerade eine zusätzliche Ofenanlage fertig, die läuft derzeit nur für uns.”
Mehrkosten für die Fahrt nach Pforzheim übernimmt das Krematorium
Die Zeit von der Einlieferung bis zur Bestattung bleibt trotz der zusätzlichen Wege gleich, versichert Geyer. Auch teurer wird es - zumindest für die Hinterbliebenen - nicht. „Was an zusätzlichen Kosten entsteht, tragen wir. Für die Familie ändert sich nichts.”
Eine Einschränkung gibt es dennoch durch die Bauarbeiten: Wegen Lärm und Dreck ist ein Trauerraum momentan geschlossen.
Die Investition geht schnell in die Millionen Euro.Frank Geyer, Geschäftsführer des Krematoriums
Ganz unterschiedliche Gewerke vom Stahlbau über Tiefbau, Statik, Filtertechnik und Ofenbau waren in den vergangenen Monaten im Einsatz. Mehr als 40 Tonnen Ausbau- und Dämm-Material sind Geyer zufolge in der neuen Anlage verarbeitet.
Um die Baukosten im Plan zu halten, erledigten Friedhof-Mitarbeiter den Rückbau und die Verputz-Arbeiten selbst. Trotz dieser Einsparungen „geht die Investition schnell in die Millionen Euro”, wie Geyer sagt.
Energie kommt durch das Verbrennen der Vollholzsärge
Beim Start in der kommenden Woche wird der Ofen noch weiter hochgefahren. Mindestens 850 Grad muss er erreichen. Der überwiegende Teil der Energie kommt durch das Verbrennen der Vollholzsärge.
„Zusätzlich brauchen wir aber noch Gas, um den Ofen auf Temperatur zu bringen”, sagt Geyer. Rund 90 Minuten dauert es, bis eine Leiche verbrannt ist, bei stark übergewichtigen Menschen auch länger.
„Ein Mann, der 1,95 Meter groß und 150 Kilo schwer ist, verbrennt anders, denn Fett wird viel heißer.”
Mit dem Verlauf der Bauarbeiten zeigt sich der Chef sehr zufrieden. „Es gab ein paar Herausforderungen, etwa Deckenträger, die wider Erwarten nicht in der benötigten Stärke durchgehen”, sagt er.
„Aber einfach kann ja jeder.” Der Probelauf war ursprünglich für den 25. August geplant, jetzt wird es einen Tag früher.
Robert Koch wurde in Baden-Baden verbrannt
Seit 1909 werden Verstorbene auf dem Baden-Badener Hauptfriedhof eingeäschert. Das hiesige Krematorium ist damit eines der ältesten in ganz Deutschland. Die wohl bekannteste Person, die in Baden-Baden verbrannt wurde, ist der Arzt und Hygieniker Robert Koch.