Dass das kein Spaziergang wird, darüber sind sich sowohl die beiden Baden-Badener Athleten, deren Trainer als auch Angehörige und Vereinsmitglieder einig.
Gemeint ist die olympische Disziplin im 50-Kilometer-Gehen, die in der Nacht vom 5. auf den 6. August live aus dem japanischen Sapporo im deutschen Fernsehen übertragen wird. Sapporo ist neben Tokio der zweite Gastgeber der Olympischen Spiele.
Die Temperaturen werden heiß sein, aber immer noch etwas kühler als 2019 bei der Leichtathletik-WM in Katar. Zwei der drei Geher im deutschen Team leben und trainieren in Baden-Baden. Nathaniel Seiler (25, TV Bühlertal) aus Haueneberstein ist Olympia-Neuling, während sein Kollege Carl Dohmann (31, SCL Heel) bereits 2016 in Rio de Janeiro in den olympischen Genuss kam. Die treuen Fans der Beiden fiebern zuhause mit. „Unsere Nächte sind derzeit schlaflos“, sagt Jürgen Brügel vom TV Bühlertal.
Der Förderer und „Mentor“ von Nathaniel Seiler fiebert dem Wettkampf seit Tagen entgegen. Um live dabei sein zu können, hat er ein „Public Viewing“ für den engsten Kreis organisiert. Doch das ist nicht so einfach.
„Wegen Corona haben wir keine Gastwirtschaft gefunden, die ein Public Viewing genehmigt hat. Darüber hinaus läuft die Übertragung viel zu spät“, berichtet Brügel. In Deutschland wird der Wettkampf erst um 22.30 Uhr (5.30 Uhr Ortszeit in Japan) übertragen: „Die Zielgerade wird erst ab 1 Uhr übertragen. Das ist ja gerade das Spannendste.“
Plakataktion mit Sportlern
Deshalb hat Brügel sich entschlossen, den harten Kern samt Seiler-Familie zu einer gemütlichen Fernsehnacht in seinen Garten einzuladen. „Wir schauen dann mal, wie wir das Ganze dekorieren, vielleicht mit Postern, Fahnen und einem Kasten alkoholfreies Bier“, sagt er. So soll sich auch Bühlertals Bürgermeister Hans-Peter Braun (CDU) für einen kurzen Besuch bei den Brügels angekündigt haben.
Bühlertal steht seit Tagen im Zeichen einer Plakataktion, mit der sich die Gemeinde gemeinsam mit dem TV Buehlertal an einer Aktion des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) beteiligt. Auf drei Großflächenplakate und zwei Ortseingangstafeln ist Nathaniel Seiler ebenso zu sehen wie auf zahlreichen Postern in Schaufenstern.
Auch die Stadt Baden-Baden hat sich nach der Qualifikation der beiden Geher dazu entschlossen, an der Kampagne #MeinWeg des DOSB teilzunehmen. Die gestalteten Plakate von Dohmann und Seiler sind an Info-Säulen in städtischen Dienstgebäuden und an Bushaltestellen im Stadtkreis zu sehen.
Außerdem ist die Stadtbuslinie 201 mit einem Motiv der Kampagne unterwegs. Vor der Stadtbibliothek an der Einmündung Luisenstraße/Kaiserallee und auf dem Dach des Rathauses werden sogar die Olympischen Flaggen gehisst.
Beim SCL Heel fiebern die Vereinsmitglieder mit ihrem Kameraden Carl Dohmann auch mit. „Er ist unser Top-Athlet, vielleicht sogar der Einzige, den wir je haben werden, aber gewiss der Erste, den wir je hatten“, sagt Vorsitzender Bernd Hefter. „Das Rennen wird spannend, vor allem die letzten zehn Kilometer.“
Eigentlich wäre Hefter zusammen mit Dohmanns Eltern nach Sapporo geflogen, doch wegen der Corona-Pandemie wurden die Reisepläne abgeblasen: „Wir waren auch schon in Rio dabei. Genauso wie in Italien, Berlin und Zürich.“ Diesmal wird er den Wettkampf alleine vor dem Fernseher verfolgen.
Eltern sind stolz auf ihre Kinder
Claus Heinrich wird den Wettkampf seines Sohnes Carl Dohmann auch nur im Fernsehen verfolgen. „Wenn er zurückkommt, machen wir vielleicht im Nachgang ein Familienfest“, sagt er.
Bei der Leichtathletik-WM 2019 in Katar zeigte sich Dohmann kreativ, indem er beim 50-Kilometer-Gehen gegen die erdrückende Hitze alle zwei Kilometer eine neue Mütze mit Eiswürfeln trug. „Er kann gut mit Krisen umgehen“, sagt Heinrich über seinen Sohn.
Über die Plakate seines Sohnes zeigt er sich amüsiert: „Man fühlt sich etwas beobachtet.“ Ein paar Plakate möchte er sich als Andenken noch sichern.
Dietmar Seiler, dem Vater von Nathaniel Seiler, geht es ähnlich: „Es ist ein gutes Gefühl, dass die Stadt unsere Jungs so unterstützt.“ Die Eltern des 25-jährigen Olympia-Neulings wären gerne mit nach Japan geflogen, haben aber aufgrund der Corona-Pandemie darauf verzichtet.
Stattdessen konzentriert man sich auf einen kleinen Empfang. „Entweder wir fahren nach Frankfurt oder wir holen ihn hier am Bahnhof ab. Die Oma wird dann wahrscheinlich auch dabei sein. Das entscheiden wir tagesaktuell“, sagt Seiler.
Ein wenig Sorge macht sich der Familienvater vor dem Wettkampf schon: „Ich hoffe, dass sein Kreislauf stabil bleibt und er sich nicht überhitzt.“ Dem Start fiebert die ganze Familie entgegen. In Brügels Garten wollen alle bis spät in die Nacht die beiden Geher anfeuern.