Kim Hughes trägt schwarze Handschuhe und schüttelt die Spraydose. Die Metallkugeln im Inneren der Dose mischen die lila Farbe und sorgen für das gewohnte Klappern. Die 17-jährige Schülerin setzt an und verleiht der grauen Betonwand einen neuen Anstrich. Der Farbnebel steigt auf – Kim sprayt nicht zum ersten Mal.
Vor ein paar Jahren habe sie schon einmal gemeinsam mit einem Freund geübt, erklärt sie. Sie ist zu Besuch bei ihrer besten Freundin Pia in Baden-Baden und kommt eigentlich aus Garmisch-Partenkirchen, ihr Graffito widmet sie ihrer Schwester. Pia hat sich und ihre Freundin zu dem Workshop in der Jugendbegegnungsstätte (Jube) angemeldet.
Profi-Sprayer Moter begutachtet Kims Werk und schaut der talentierten Anfängerin über die Schultern. Er sprüht bereits seit 20 Jahren und begleitet den Workshop. In Kooperation mit dem Karlsruher Hip-Hop-Kulturzentrum COMBO findet der Kurs bereits zum zweiten Mal statt.
Über die jungen Talente staunt er nicht schlecht: „Alle Teilnehmer arbeiten sehr fokussiert.” Das COMBO stehe in regem Austausch mit der Fächerstadt, dort gebe es viele Legal Walls, erklärt Moter. Legal Walls sind Wände, an denen Sprayer ihrer Leidenschaft nachgehen dürfen – ganz legal und ohne Konsequenzen versteht sich.
Die Stadt hat Nachholbedarf
In Baden-Baden gibt es derzeit nur sechs solcher Betonklötze, allesamt stehen sie vor der Jube. In der Kurstadt gibt es demnach noch Nachholbedarf. Moter hat eine Art Wende der Spray-Kultur miterlebt. Früher seien Graffiti verrufen gewesen: „Wir waren eine Randbewegung”, erklärt er. Mittlerweile findet die Bildende Kunst jedoch mehr Akzeptanz.
Die Graffiti-Kunst gehört fest zur Jugendkultur.Teresa Deusch, Treffleiterin
Ein paar Meter weiter bereitet Teresa Deusch gerade den Grill für das Abendessen der Kursteilnehmer vor. Seit 2012 arbeitet die Treffleiterin bereits in der Jube. So lange stehen auch schon die massiven Betonwände draußen im Grünen. Vorher seien es eher instabile Holzwände gewesen, erklärt sie und muss schmunzeln. Der Workshop erstreckte sich über drei Tage. Von der Konzeption bis hin zur Verewigung auf der Legal Wall wurden die Jugendlichen von Künstlern, wie Moter, begleitet. Insgesamt sechs Teilnehmer haben sich für den Workshop angemeldet.
Vom Blatt Papier bis hin zur Spraydose
„Die Graffiti-Kunst gehört fest zur Jugendkultur”, erklärt die Treffleiterin. Sprayer Syne One stößt dazu. Auch er nimmt am Workshop teil. Im Vergleich zu den anderen Kursteilnehmern hat er bereits mehr Erfahrung gesammelt. „Die Kinder müssen zuerst einmal ein Gefühl für die Spraydose bekommen”, erklärt der Jugendliche. Bevor es so richtig losgehe, sei die Anfertigung einer Skizze unabdingbar. Erst dann beginne man mit dem Sprayen auf der Wand und arbeite sich langsam von den hellen zu den dunkleren Farben vor, erklärt Syne One.
Es ist schwer, die Proportionen an der großen Wand einzuschätzen.Pia Forster, Schülerin
Eine Skizze hat auch Pia angefertigt. Sie werkelt nebenan an der Betonwand. Die Schülerin vom Markgraf-Ludwig-Gymnasium hat Kunst als Leistungsfach gewählt. Das ist deutlich an ihrer Schwarz-Weiß-Zeichnung erkennbar, die fast schon professionell wirkt. Anders als ihre Freundin Kim wagt sie sich an ein Porträt heran. Leichter gesagt als getan. „Es ist schwer, die Proportionen an der großen Wand einzuschätzen”, erklärt sie und zeichnet erst einmal mit einem Kohlestift vor. Nach einer Weile hat sie den Dreh aber dann raus und wechselt zur Spraydose.
Der Spaß steht im Fokus
Auf der anderen Seite der Wand ist Kichern zu hören. Von dem Grau der Legal Wall ist längst nichts mehr zu sehen. Der kleine Michael und sein Kumpel Tiago verewigen sich gemeinsam an der Wand. Die beiden Freunde zählen zu den jüngsten Teilnehmern. „Mein Papa sprayt selbst”, erklärt Tiago stolz und verleiht dem gelben U-Boot den letzten Schliff. Neben ihm sprüht Michael gerade mit grüner Farbe ein paar Algen. Die zwei lassen ihrer Fantasie freien Lauf und haben einen Mordsspaß.