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Zeremonienmeister der Narrenzunft

Heinz Zerres brachte die närrischen Raketen nach Baden-Baden

Corona bremst die Fastnacht in Baden-Baden aus – und damit auch ihre Applaus-Raketen. Die gab es übrigens nicht schon immer. Ein Kölner brachte die akustischen Fluggeschosse einst an die Oos.

Heinz Zerres
Heinz Zerres war Prinz, Präsident und Zeremonienmeister mit Kölner Wurzeln. Foto: Christiane Krause-Dimmock

Es ist Fastnacht und keine närrischen Raketen fliegen durch die Festsäle. Harmlose Fluggeschosse, bestehend aus lautem Applaus, kräftigen Fußgetrampel und schrillen Pfiffen, die den Akteuren auf der Bühne signalisieren, dass ihr Auftritt richtig klasse war.

Corona hat sie ausgebremst. Doch wie sind diese akustischen Fluggeschosse überhaupt nach Baden-Baden gekommen?

Zu verdanken ist das einem längst verstorbenen Mitglied der Baden-Badener Narrenzunft namens Heinz Zerres, auch als der „Raketen-Heinz“ bekannt.

Der Krieg verschlug den „Raketen-Heinz“ ins Badische

Es war gewissermaßen ein „Mitbringsel“ aus seiner Heimat Köln, die er ins Badische trug, als er hier Fuß fasste. Nicht wirklich auf eigenen Wunsch, wie er später versicherte. Der Krieg hatte ihn hierher verschlagen.

Dass er sich damals in Baden-Baden nicht wohlfühlte, lag etwa daran, dass die französischen Besatzungskräfte alles mit Beschlag belegt hatten, wie er berichtete. Kaum ein Restaurant hätte es gegeben, das ein Deutscher besuchen konnte.

Auch Kurhaus und Allee waren nur für die Besatzer zugänglich. Dennoch hielt Heinz Zerres es eine ganze Weile aus in der Bäderstadt, in der er bis zu seinem Tod mit seiner Frau Hildegard lebte.

Schließlich waren die Brücken nach Köln durch das Bombardement und den Tod der Eltern völlig abgebrochen. Geblieben ist ihm jedoch bis zuletzt seine ausgeprägte Leidenschaft für den Karneval.

Fastnacht in Baden-Baden gefiel ihm zunächst nicht

Wenn auch anders als in Köln, so zelebrierte man die fünfte Jahreszeit auch im Badischen. So fand Heinz Zerres alsbald Gefallen daran. Die Art, wie man in Baden-Baden mit dem närrischen Treiben verfuhr, das behagte ihm indessen nicht.

Seinerzeit gab es noch die sogenannten Großsitzungen im Kurhaus, die von Heinz Schenk, den man vom „Blauen Bock“ her kannte, moderiert wurden.

Ganz besonders sauer stieß Heinz Zerres auf, dass bei diesen Veranstaltungen zwar Elferräte mitwirkten. Diese wurden aber jeweils aus den Reihen der Kurstädter gestellt.

Er zog die Konsequenz und streute eine Parole: „Das können wir doch selber machen.“ Alleine blieb er mit dieser Forderung nicht lange. Die Baden-Badener Narrenzunft wurde geboren, an ihrer Spitze Siegfried Stengel. Heinz Zerres selbst wurde jedoch kein Gründungsmitglied.

Übernahme von Kölner Ritualen

Berufliche Dinge hinderten ihn an der Teilnahme an dieser Versammlung. Vorstandsmitglied wurde er indessen trotzdem. Obendrein bekleidete er mit großer Leidenschaft das Amt des Zeremonienmeister, was ebenfalls eine Übernahme von Kölner Ritualen ist.

Als 1958 die erste „eigene“ Kampagne stattfand, gab es sogar ein eigenes Prinzenpaar. Im darauffolgenden Jahr übte die Narrenzunft den Schulterschluss mit dem Ooser Carnevalsverein und legte damit den Grundstein für das noch aktive große Festkomitee.

Dass Heinz Zerres als echter Kölner nach hohen närrischen Ehren strebt, versteht übrigens fast schon von alleine. So verwundert es nicht, dass er 1968 „Prinz Karneval“ wurde, wenn auch an der Oos statt am Rhein.

Und als Siegfried Stengel 1970 nach Bonn versetzt wurde, übernahm er obendrein das Amt des Präsidenten und erlebte turbulente Zeiten im Kurhaus. „Das ist unser Haus, dort steht die Wiege der Narrenzunft“, trauerte er der Zeit nach, in der die BKV dort Hausherr war. An mehreren Tagen hintereinander garantierten damals die Fastnachtsveranstaltungen volles Haus.

Neben dem traditionellen großen Maskenball am Samstag und der großen Prunk- und Fremdensitzung am Sonntag gab es gleich am Rosenmontag wiederum einen Ball. Die Senioren waren eingeladen zu einer kostenlosen und stets ausgebuchten Veranstaltung. Obendrein pflegte man für eine gute Weile auch die Tradition des Dienstagskehraus.

Dass sich die Dinge verändert haben, erlebte er noch sehr deutlich mit. Früher, so zog er zurückblickend Bilanz, habe man sich noch das ganze Jahr über auf die närrischen Tage vorbereitet und ihnen entsprechend entgegengefiebert. Viele Alternativen gab es damals nicht. Inzwischen setzt schon seit vielen Jahren Peter Grässel die Tradition der Baden-Badener Narrenzunft fort.

Halbe Sachen gibt es auch heute nicht. „Wir halten die Füsse still“, erklärt der amtierende Präsident mit Blick auf die Pandemie. „Fastnacht wird für Publikum gemacht und fürs Gemeinsamsein. Wenn das nicht möglich ist ... “

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