Der Jugendclub U22 des Theaters präsentiert mit „Herr der Fliegen“ einen Literaturklassiker von William Golding, der von Nigel Williams für die Bühne bearbeitet wurde. Eine zusammen gewürfelte Gruppe offenbart darin unter extremen Bedingungen menschliche Abgründe.
Wie bei jeder der jährlichen Produktionen des jungen Theaters wurden über die Thematik im Vorfeld intensive Gespräche mit den diesmal 15 Akteuren im Alter zwischen 13 und 20 Jahren geführt. Isabell Dachsteiner, Theaterpädagogin Junges Theater und Regisseurin des Stücks, warf etliche Fragen rund um diese klassische Robinsonade auf, deren Bühnenfassung stark gekürzt wurde.
„Herr der Fliegen“ im Jugendclub U22: Machtkampf vor der Kulisse eines Atomkriegs
Nachdem auf der Welt der atomare Krieg ausgebrochen ist soll eine Gruppe Jugendlicher mit dem Flugzeug evakuiert werden, das jedoch mitten über dem Pazifik abstürzt. Als sich die Überlebenden auf einer einsamen Insel wiederfinden, müssen sie versuchen, ohne die Hilfe Erwachsener klar zu kommen. Anfangs wählt die Gruppe Ralph zu ihrem Anführer, der Wert auf Demokratie, gegenseitige Hilfe und ein konstruktives Miteinander legt.
Doch Jack hält wenig von dieser Strategie und verfolgt eigene Interessen mit dem Ziel, die Macht an sich zu reißen. Er erklärt Ralph zum Rivalen und versucht nun seinerseits mithilfe von Angstmache, Ausgrenzung von Schwächeren und dem Versprechen auf Spaß und Nahrung Einfluss zu gewinnen. Die Situation eskaliert und bald beherrschen Gewalt und Bandenkriege die Insel.
Baden-Badener Jugendtheater-Gruppe machte sich über Radikalisierung Gedanken
Im Vorfeld wurden in der Gruppe Gedanken über die Gründe erörtert, warum es Einzelnen immer wieder gelingt, zu radikalisieren und brutal Macht auszuüben. Ist etwas dran an dieser Fassadentheorie vom Menschen, der von Natur aus böse ist, versteckt nur unter der dünnen Decke der Zivilisation? Bricht diese zusammen, öffnet sich dann der Hades im Inneren?
Noah Seider, der den Ralph spielt, sieht das Spektrum wesentlich weiter gefasst. Für ihn ist der Mensch maßgeblich von seiner Geschichte und auch seinen Genen geprägt. Wie wurde mit den betroffenen Jugendlichen zuvor im Krieg umgegangen, was hat sie geformt?
Der Roman wurde 1953 verfasst, mit bösen Erinnerungen an die Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs. Alexander Koren in der Rolle des Bill sieht den Menschen nicht grundsätzlich als schlecht an, jedoch hält er die Menschheit für leicht beeinflussbar. Was auch die Frage erkläre, weshalb Diktatoren nicht frühzeitig gestoppt würden.
Die beiden Akteure empfanden besonders den geschützten Raum im TIK als sehr wohltuend für die Gruppe. „Da wird niemand ausgelacht, jeder wird angenommen wie er ist, darf auch mal Fehler machen und sich einbringen, ohne Angst haben zu müssen“, sind sie sich einig. Das schweiße die Gruppe zusammen und gebe auch den etwas Schüchternen unter den Teilnehmern die Chance, aus sich herauszugehen und sich etwas zu trauen.
Proben für „Herr der Fliegen“ laufen seit Oktober
Im Oktober wurde mit den Proben begonnen. Sebastian Ganz ist mit dem Bühnenbild in die Höhe gewachsen, um 15 Schauspieler unterbringen zu können. Ganz bewusst hat er keine heile Dschungelidylle mit Wasserfall und bunten Papageien gewählt, sondern stellt die Natur mit Gittern und wenig Grün so dar, „wie wir die Welt der Jugend hinterlassen“.
Vermeintlich unzivilisierte Völker als Beispiel für Verrohung darzustellen, funktioniert hier bewusst nicht, erst die Zivilisation hat zum Bruch geführt. Als Vertreter der Bürgerstiftung, die den Jugendclub U22 seit Jahren sponsert, dankte Walter Klingler dem Theater und den Jugendlichen für ihr Engagement.
Premiere am Sonntag
Die Premiere findet an diesem Sonntag, 18. Juni, um 18 Uhr im TIK in Baden-Baden statt.