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Entscheidung fällt am Montag

In Baden-Baden steht Präventionsprojekt gegen Obdachlosigkeit auf der Kippe

In Baden-Baden soll möglichst niemand auf der Straße landen. Dafür gibt es das Programm „Unterstützung vor Obdachlosigkeit“. Doch das steht auf der Kippe. Experten plädieren dafür, es fortzusetzen.

Geht es nach der EU-Kommission, soll schon bald niemand in der EU mehr auf der Straße schlafen müssen. Hier liegen die Habseligkeiten eines Obdachlosen in der Innenstadt von Hannover.
Abwägung: Wenn die Betroffenen in die dauerhafte Obdachlosigkeit rutschen, könnte das die Stadt teurer kommen als die Finanzierung des Präventionsprojekts. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Die Zahl der Flüchtlinge und Wohnungslosen in Baden-Baden ist zuletzt stark gestiegen. Zwischen 2017 und 2023 wurden 1.400 Menschen von der Stadt untergebracht. Das bedeutet eine Zunahme um 43 Prozent, Tendenz steigend.

Um zu verhindern, dass Menschen ihre Wohnung verlieren, hat sich Baden-Baden zwischen Juli 2021 und Dezember 2022 an dem Projekt „Unterstützung vor Obdachlosigkeit“ (UvO) beteiligt, das durch den Europäischen Sozialfonds (EFS) gefördert wurde. An diesem Montag entscheidet der Hauptausschuss des Gemeinderats, ob die Stadt das Projekt weiterführt, dann allerdings auf eigene Kosten.

Sophia Mann, die in Baden-Baden für die Wohnraumsicherung zuständig ist, macht sich für die Weiterführung des Projektes stark: „Wir haben Projektwohnungen, in denen die Betroffenen acht Wochen bleiben können. Insgesamt verfügen wir über ein wirksames und effektives Hilfesystem, können schnell Hilfe einleiten und dabei auf die Gesamtsituation der betroffenen Menschen eingehen.“

Betroffene erhalten in Baden-Baden auch psychische Unterstützung

Sie stellt klar, dass es dabei nicht nur um Unterstützung und Organisation von Wohnungssuche und Umzug geht, sondern um eine ganzheitliche Form der Hilfe. Manche Betroffene befänden sich in einer schwierigen Lebensphase. Einige seien drogenabhängig, andere müssten den Tod des Partners oder der Eltern verkraften, kämen aus dem Gefängnis, hätten sich von ihrem Lebensgefährten getrennt oder litten an einer Krankheit.

Sven Reutner, Geschäftsführer des Projektpartners Diakonie Rastatt/Baden-Baden sagt:„Das alles kann dazu führen, dass sie ihre Post liegenlassen, Rechnungen nicht mehr bezahlen und in die Verschuldung abrutschen.“ Um den Menschen auch psychisch beizustehen, hält Sozialpädagogin Alexandra Placzek Kontakt zu ihnen. Und das mit nachweisbarem Erfolg.

Von 41 Betroffenen konnten 31 eine eigene Wohnung beziehen oder sind jetzt im betreuten Wohnen untergebracht. Acht Menschen konnten im Projektzeitraum nicht vermittelt werden, sechs befinden sich in einer Notunterkunft. Die anderen beiden sind laut Reutner abgetaucht und haben den Kontakt abgebrochen.

Wenn die Betroffenen langfristig obdachlos würden, sei das für die Stadt deutlich teurer als das Projekt, sagt Reutner. Die Betroffenen müssten dann jahrelang in städtischen Notquartieren leben. Er widerspricht damit AfD-StadtratAlexander Arpaschi, der im Sozialausschuss vergangene Woche angekündigt hatte, gegen die Weiterführung des Projektes zu stimmen. Arpaschis Begründung: Die Kosten von 84.200 Euro jährlich seien zu hoch. Für diese Summe könne die Stadt jeweils einen Makler beauftragen.

Die Gründe für die Obdachlosigkeit werden durch einen Makler nicht beseitigt.
Sven Reutner, Geschäftsführer der Diakonie Baden-Baden/Rastatt

Reutner erwidert: „Die Gründe für die Obdachlosigkeit werden durch einen Makler nicht beseitigt. Diese Argumentation ist zu kurz gesprungen“. Sophia Mann ergänzt: „Es geht auch darum, dass die Menschen die Wohnungen halten können und einen erneuten Verlust zu verhindern.“ Dies gelinge vornehmlich auch durch den zeitweiligen Einsatz von Sozialarbeitern.

Die Personalkosten des Projekts betragen 70.500 Euro im Jahr. Bei einer Intensivbetreuungszeit von acht Wochen können damit 19 Klienten unterstützt werden. Eine von ihnen war in diesem Jahr eine Muslima mittleren Alters, Mutter von zwei Kindern, die eine Scheidung hinter sich hat und nicht namentlich genannt werden möchte. Sie erzählt: „Nach 23 Jahren haben mein früherer Mann und ich uns im Jahr 2021 getrennt und wurden im vergangenen Jahr geschieden.“ Sie habe sich eine Wohnung suchen müssen und wurde dabei auch während des Trennungsprozesses emotional von Alexandra Placzek unterstützt.

Corona und höhere Kosten setzen zu

Die psychische Gesundheit der Klienten ist ein wesentlicher Aspekt des UvO-Projektes. Parallel dazu hat sich die finanzielle Situation in den vergangenen Jahren vor allem für Geringverdiener verschärft. Reutner sagt: „Corona hat viele in finanzielle Schwierigkeiten gebracht.“

Dazu kämen steigende Energiekosten und Mieten: „Menschen die mit wenig Geld auskommen müssen, für sie wird die Situation immer enger.“ Auch deshalb sei es sinnvoll, das Projekt weiterzuführen. „Wohnraum ist einfach zu teuer“, kritisiert Reutner und verweist darauf, dass einige der Klienten die Stadt verlassen und aufs Land ziehen mussten, weil es sich dort etwas günstiger leben lasse. Reutner ist sich sicher, dass die Stadt und die Diakonie mit demProjekt den richtigen Weg eingeschlagen haben. Sollte das auch die Mehrheit des Hauptausschusses so sehen, will er sich auch für eine verbesserte die Nachbetreuung der Klienten einsetzen.

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