Sie sind so etwas wie die beiden Herzkammern der Gemeinschaftskläranlage Sinzheim/Baden-Baden: die zwei Faultürme. Die Stadt- und Gemeindewerke stecken gerade mehr als 3,1 Millionen Euro in die technische Ausrüstung der Bauwerke, damit das Herz der Kläranlage weiter schlagen kann.
Von außen wirken die beiden, von ihrer Form an gigantische Kürbisse erinnernden Bauwerke, eher unspektakulär. Doch die Post geht im Inneren der grauen Kolosse ab. Dort leben viele Millionen Bakterien. Ihre Lebensgrundlage ist der Klärschlamm aus den Haushalten der Kurstadt und der Stabsgemeinde.
Bakterien leben von Toiletten-Überresten
Die kleinen Lebewesen zersetzen die übel riechenden Überreste aus Toiletten, Küchen und Gullys, bauen Kohlenstoffverbindungen ab und reduzieren so die Menge des bei der Reinigung des Abwassers anfallenden Stoffs, der am Ende teuer verbrannt werden muss.
Und sie setzen dabei Methan frei. Ein Gas, das auf dem Gelände der Kläranlage ein Blockheizkraftwerk antreibt. „Wir erzeugen damit Wärme und Strom“, sagt Peter Riedinger, Technischer Leiter Versorgung/Entsorgung bei den Stadtwerken.
Kläranlage Sinzheim/Baden-Baden speist Strom ins Netz ein
Die Wärme wird genutzt, um den Klärschlamm am Ende des Prozesses zu trocknen. Der Strom wird ebenfalls direkt vor Ort eingesetzt – zum Betreiben der Pumpen, Lichter, Überwachungssysteme und Maschinen in der Kläranlage. Die Anlage ist damit autark.
Und nicht nur das: „Wir gewinnen so viel Strom, dass wir im Jahresschnitt bis zu 30 Prozent Überschuss ins öffentliche Stromnetz einspeisen können“, sagt Riedinger. Das schaffen deutschlandweit nur wenige Kläranlagen – die meisten müssen Strom zukaufen. Doch der in Baden-Baden anfallende Klärschlamm ist eben sehr gehaltvoll.
Das liegt laut Riedinger an den vielen Küchen, die in den Hotels und Kliniken der Kurstadt betrieben werden. Dadurch sind in den Abwässern, die in der Anlage auf Sinzheimer Gemarkung in der Nähe der B500 ankommen, noch viele organische Stoffe. Das bedeutet: Die Bakterien in den beiden Faultürmen sind gut versorgt – und können so eine größere Menge Methan erzeugen.
Rohrleitungen nach 40 Jahren korrodiert
Damit die Bakterien weiter so fleißig bleiben, wird nun das fast 40 Jahre alte Innenleben der beiden Türme erneuert. Dabei handelt es sich weitgehend um die Rohrleitungen, in denen der Klärschlamm befördert und durchmischt wird. Sie sind korrodiert und werden teilweise abgebaut, um das Leitungssystem zu vereinfachen, und teilweise erneuert.
Und weil die einbetonierten Rohre bislang als Traggerüst für die Türme dienen, muss auch ein neues Stabilisierungssystem aus jeweils drei Spannringen eingerichtet werden, damit die Türme auch künftig eine standsichere Behausung für die Bakterien bilden. Dazu gibt es eine neue Steuerungsanlage und neue Elektrotechnik für Pumpen und Schieber. So summieren sich die Baukosten für die beiden Türme auf gut 3,1 Millionen Euro.
Die Arbeiten am ersten Faulturm laufen seit gut einem Jahr und sollen im Sommer nächsten Jahres beendet sein. Die Sanierung des zweiten Faulturms wird im Anschluss in Angriff genommen.