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Bericht der Verwaltung

Baden-Baden: In der Stadt der Millionäre gibt es auch Armut

In keiner anderen Stadt im Südwesten gibt es unter 10.000 Steuerpflichtigen so viele Millionäre wie in Baden-Baden: 15. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Hier leben auch Menschen in Armut, das zeigte nur der Bericht der Verwaltung.

Immer mehr Menschen reicht das Geld nicht: Im vergangenen Jahr haben knapp 5 000 Menschen im Stadtkreis Baden-Baden Sozialleistungen bezogen. Das entspricht 8,5 Prozent der Wohnbevölkerung.
Immer mehr Menschen reicht das Geld nicht: Im vergangenen Jahr haben knapp 5 000 Menschen im Stadtkreis Baden-Baden Sozialleistungen bezogen. Das entspricht 8,5 Prozent der Wohnbevölkerung. Foto: Pilick/Kusch

Baden-Baden – Stadt der Millionäre. In keiner anderen Stadt im Südwesten gibt es unter 10.000 Steuerpflichtigen so viele Millionäre wie hier: 15. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Hier leben auch Menschen in Armut. Im vergangenen Jahr waren es 4.741 Personen oder 8,5 Prozent der Wohnbevölkerung – fast jeder Zehnte bezog demnach Sozialleistungen. Der Aufschwung der vergangenen Jahre hat auch nicht überall Wirkung gezeigt.

Nach dem Entwurf der von der Stadt herausgegebenen Bericht zur „Lebenslage Armut“ ist das Armutsrisiko zwischen 2014 und 2018 um 0,2 Prozent gestiegen. Überdurchschnittlich stark betroffen von dieser Entwicklung sind die Schwächsten: Die Statistik weist 1.093 Kinder (von 7.843 Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre) aus, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind.

Wer ist von Armut betroffen?

Armut ist kein gesellschaftliches Randphänomen, heißt es im 62-seitigen Bericht, der im Sozialausschuss des Gemeinderats vorgestellt wird. Als Risikogruppen gelten jedoch Kinder, Alleinerziehende sowie Ausländer. Ein „unterdurchschnittliches Armutsrisiko“ haben hingegen Senioren, heißt es. Momentan sind es 926 (6,2 Prozent) Menschen über 65 Jahre, die Sozialleistungen bekommen. Knapp jeder sechste Leistungsempfänger ist dagegen jünger als 25 Jahre.

Arme Kinder

Baden-Baden ist keine Ausnahme: Auch im Bundesgebiet sind Kinder überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen, vor allem, wenn sie mit einem alleinerziehenden Elternteil eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Sie erhalten finanzielle Hilfen für den Schulbedarf und das Mittagsessen. Zudem werden Zuschüsse zur Schülerbeförderung und für Klassenfahrten beantragt. Seit dem letzten Bericht im Jahr 2015 sei eine kontinuierliche Nachfragesteigerung zu beobachten, heißt es. Somit gelinge es zunehmend, leistungsbedürftigen Kindern die Mittel zukommen zu lassen, die für sie vorgesehen sind.

ALLEINERZIEHENDE gelten als Risikogruppe für Armut – auch in Baden-Baden. Das bestätigt ein entsprechender Bericht der Stadtverwaltung.
Alleinerziehende gelten als Risikogruppe für Armut – auch in Baden-Baden. Das bestätigt ein entsprechender Bericht der Stadtverwaltung. Foto: Pilick/Kusch

Problem: Rentner von morgen

Nach Jahren hoher Zuwachsraten stabilisiert sich seit dem Jahr 2016 die Zahl der Menschen, die zu Alters- oder Erwerbsminderungsrente noch Leistungen vom Sozialamt erhalten. Doch die Zahl der Bezieher von Grundsicherung könnte bald wieder ansteigen: Unter den heute 55- bis 65-Jährigen haben viele unterbrochene Erwerbsbiografien und es gibt viele so genannte Solo-Selbstständige, die von ihrem Einkommen oft nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen.

Wohnungslose

Der Wohnungsmarkt ist auch in der Bäderstadt trotz vieler Wohnungsbau- und Stadtentwicklungsprojekten wie der Cité ein angespannter. Die Zahl der Menschen, die zwischen 2014 und 2018 in Unterkünften für Obdachlose unterkamen, hat sich von 137 auf 278 so gut wie verdoppelt.

Wo leben Menschen in Armut?

Grundsätzlich im gesamten Stadtkreis. Überdurchschnittlich stark ausgeprägt ist Armut jedoch in Oos, der Weststadt und in Balg sowie in der Innenstadt, in Lichtental, Geroldsau, Oberbeuern und Ebersteinburg. Das niedrigste Armutsrisiko besteht im Rebland: in Neuweier, Steinbach und Varnhalt. In Balg, Oos und der Weststadt sowie in Haueneberstein und Sandweier sind tendenziell jüngere Menschen im erwerbsfähigen Alter und häufiger Familien von Armut betroffen. In der Innenstadt, Lichtental und im Rebland sind es mehrheitlich Senioren, darunter ehemalige Geringverdiener oder Verwitwete mit geringem Rentenanspruch.

Was tun?

Fehlender kostengünstiger Wohnraum ist ein wichtiges sozialpolitisches Handlungsfeld in der Bäderstadt, heißt es im Fazit des Berichts. Ermäßigte Beiträge für kommunale Betreuungsangebote und ein Ausbau der Kinderbetreuung sind weitere Maßnahmen. Ein Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr soll ebenfalls dazu beitragen, Armutsfolgen für Kinder und Erwachsene abzumildern. Zudem stellt sich die Frage, wie zunehmende Zahlen von Langzeitarbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Auch darauf weist der Bericht hin.

Wann gilt man als arm?

Das Geld reicht in diesem Monat hinten und vorne nicht. Wie schon in den Monaten zuvor! Ist der Betroffene arm? Gibt es überhaupt Armut in einem reichen Land wie Deutschland?

Im neuen Armutsbericht für den Stadtkreis Baden-Baden wird Armut als ein „Zustand des Mangels an ökonomischen Ressourcen“ beschrieben. Ab wann jedoch jemand in Armut lebe, werde weder in der Wissenschaft noch in der Politik einheitlich definiert, heißt es dazu. Der Bericht orientiere sich daher an der „sozialstaatlich definierten Armutsgrenze“. Demnach gelten alle Personen als arm, die staatliche Unterstützungsleistungen zur Existenzsicherung erhalten.

Das Einkommen dieser Personen sichere zwar ein Existenzminimum, erlaube jedoch keine soziale Teilhabe auf anerkanntem durchschnittlichem Niveau. Als armutsgefährdet gilt üblicherweise eine Person dann, wenn ihr monatliches Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens beträgt.

Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lag die Armutsgefährdungsschwelle in Deutschland im Jahr 2017 bundesweit für Einzelpersonenhaushalte bei 999 Euro (Westen: 1025 Euro, Osten: 915 Euro). Für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren lag die Schwelle bundesweit bei 2099 Euro. Haushalte unterhalb dieser Grenze verfügen demnach „über so geringe finanzielle Mittel“, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in Deutschland als üblich angesehen wird“, heißt es dazu.

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