Die Liege ist desinfiziert, das Werkzeug liegt bereit. Die Nadel streift über die Haut und hinterlässt einen schwarzen feinen Strich auf der bereits geröteten Stelle. Ein stechender jedoch auszuhaltender Schmerz zieht durch das Mark. Die Tattoomaschine klingt wie ein Rasierapparat.
An der Decke über der schwarzen Polsterliege hängt ein quadratischer Spiegel umringt von weißen Leuchtstoffröhren. Damian Swiderskis Kunden können den Künstler bei seinem Handwerk ganz genau beobachten. Sein Studio namens „Seelenheil“ in Baden-Baden hat etwas von einer Zahnarzt-Praxis – mit dem Unterschied, dass seine „Patienten“ gerne zu ihm kommen.
Sie wollen keine Wurzelbehandlung, sondern ihren Körper verzieren. Laufkundschaft empfängt Swiderski – der sich auch Damian Digardi nennt – jedoch nicht. Der Künstler ist kein Fan von spontanen Tattoos. Sie bleiben schließlich für immer auf der Haut.
Digardi hatte bereits Kunstausstellungen in Chicago
„Eine Tätowierung muss wohl überlegt sein“, erklärt der Künstler und setzt sich auf die Couch im Wartebereich seines Studios. Digardi hat ein Faible für Kunstgeschichte. Früher war der 41-Jährige Maler und hatte sogar mehrere Ausstellungen in Chicago.
Davon habe er zwar gut leben können, sagt er, er wollte sich dennoch beruflich umorientieren. Seine ersten Tattoo-Motive habe er für seine Freunde entworfen. Digardi hatte Blut geleckt – er wollte selbst lernen zu stechen.
Eine Tätowierung muss wohl überlegt sein.Damian Swiderski / Künstler
„Ich habe auf Schweinehaut geübt“, sagt Digardi und zückt sein Smartphone. Er zeigt Bilder von seinem aktuellen Projekt. Ein misslungener Schriftzug verunstaltet den Unterarm eines Kunden. Aus dem Tattoo-Versuch zaubert Digardi den Kopf des griechischen Gottes Zeus. Markante Wangenknochen, ein anmutender Blick und der lange Bart des Gottes überdecken das missglückte Werk.
Seit 2018 betreibt Digardi sein Tattoostudio Seelenheil. Er hat sich auf realistische Motive in Schwarz-Weiß spezialisiert, bunte Projekte übernehmen seine Gast-Künstler. Wie viel Zeit er für solch ein Werk benötige, hänge ganz von der Größe ab, sagt er. Für ein größeres Tattoo gehen demnach durchaus sechs Stunden drauf.
Studio hatte lange Zeit geschlossen
Das kann Sascha Prinz nur bestätigen. Für das Kunstwerk auf seinem Kopf habe sein Tätowierer mehr als 35 Stunden benötigt, erklärt er. Prinz ist seit 2019 Inhaber des Studios S&S Tattoo. Im hinteren Bereich seines Geschäfts steht eine Liege, auf dem Holzregal nebenan reiht sich eine Farbflasche an die nächste.
Die Palette reicht von knalligem Rosa über dunkles Waldgrün bis hin zu Schwarz. Von März bis Mai hatte sein Studio in der Rheinstraße geschlossen. Viele seiner Projekte seien dadurch auf Eis gelegt worden, sagt er. Seine Kunden hätten jedoch Verständnis gezeigt und die Termine lediglich verschoben. Prinz kam dennoch ins Schwitzen.
Seine laufenden Kosten konnte er durch die Corona-Hilfe gerade so decken. Er nimmt Platz. In seinem Studio hängt beinahe an jeder Wand ein selbstgemaltes Bild von Viacheslav Shustov, der auch als Tätowierer bei Prinz arbeitet. Der Inhaber selbst sticht nicht. In seinem Studio arbeiten selbstständige Tätowierer, darunter auch Shustov.
Einstichtiefe spielt eine tragende Rolle
Wenn das Tattoo aber ganz von der Haut soll, bleibt nur noch der Besuch bei einem Facharzt. Bibiana Kotrikova, Inhaberin der Praxisklinik Baden-Baden, erklärt, dass bei der Entfernung die Einstichtiefe der Tattoos eine entscheidende Rolle spiele.
Wenn eine Laserbehandlung beim Dermatologen nicht den gewünschten Effekt erziele, kommt sie als Fachärztin für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie ins Spiel. Ihr Schwerpunkt liegt unter anderem auf plastisch-ästhetischen Operationen.
Die Hautschicht wird abgefräst
Besonders hartnäckige Tattoos, die nicht durch eine Laserbehandlung entfernt werden können, entfernt die Fachärztin mithilfe des Dermabrasion-Verfahrens. Dabei wird die gefärbte Hautschicht abgefräst. Wenn die Tätowierung jedoch zu tief gestochen wurde, muss sie die betroffene Hautstelle chirurgisch entfernen und anschließend wieder verschließen.
Die Farbe ist wie ein Fremdkörper für die Haut.Bibiana Kotrikova, Fachärztin
Die Fachärztin hat nach eigenen Worten mehrere Patienten behandelt, die mit ihren Tätowierungen unglücklich waren. Sie legt allen ans Herz, sich vor dem Termin beim Tätowierer ausgiebig mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Die Farbe ist wie ein Fremdkörper für die Haut“, erklärt die Fachärztin. Kunden sollten deswegen auch auf die Zusammensetzung der Tattoo-Farbe achten, nicht selten sei diese mit Metallen wie Blei belastet.