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Rasthöfe sind geschlossen

"Da steht höchstens ein versifftes Dixie-Klo": So ergeht es Lkw-Fahrern in der Corona-Krise

Dreckige Toiletten und überteuerter Kaffee aus der Tankstelle: Wegen der Pandemie sind viele Rasthöfe an deutschen Autobahnen geschlossen. Wir haben uns bei Lkw-Fahrern an der Raststätte Baden-Baden umgehört. So erleben sie die Auswirkungen der Corona-Krise.

Ein LKW reiht sich an den nächsten auf der Baden-Badener Raststätte. Doch neben den Brummis ist zur Zeit nicht viel los. Der Rasthof mit seinen sanitären Einrichtungen und dem Restaurant hat wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Autofahrer verirren sich momentan kaum noch hierher.
Ein LKW reiht sich an den nächsten auf der Baden-Badener Raststätte. Doch neben den Brummis ist zur Zeit nicht viel los. Der Rasthof mit seinen sanitären Einrichtungen und dem Restaurant hat wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Autofahrer verirren sich momentan kaum noch hierher. Foto: Julian Meier

Es ist kurz nach 19 Uhr. Auf der Raststätte Baden-Baden an der A5 trudelt jetzt ein Lkw nach dem anderen auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz ein. Noch sind genug Stellplätze frei, doch das wird sich mit fortschreitender Uhrzeit ändern.

Fernfahrer Franz Lange war heute früh dran und hat seinen Lkw bereits sicher geparkt. Feierabend! Doch dank der Corona-Pandemie steht er vor einem anderen Problem, denn der Rasthof mit seinen sanitären Einrichtungen und Verpflegungsmöglichkeiten hat geschlossen.

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Eigentlich wollte Lange jetzt gar nicht hier sein. Zur Zeit richtet er seine Touren zur Lieferung von Brandschutz-Türen so ein, dass er alle zwei Tage nach Hause nach Bielefeld zurückkehren kann. Doch der kilometerlange Stau bei Rastatt hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die gesetzlichen Pausenzeiten zwingen ihn, hier zu übernachten.

Franz Lange muss an diesem Abend gezwungenermaßen über Nacht mit seinem LKW auf der Raststätte bleiben.
Franz Lange muss an diesem Abend gezwungenermaßen über Nacht mit seinem LKW auf der Raststätte bleiben. Foto: Julian Meier

Wie die Stimmung bei ihm und seinen Kollegen ist? „Beschissen“, sagt er ganz deutlich, „alle sind gereizt. Auf den meisten Raststätten gibt es keine Duschen und nix zu essen.“ In Baden-Baden können die Fahrer Dusche und Toiletten in der Tankstelle nutzen, doch das ist die Ausnahme.

Auf anderen Raststätten wurden vor Kurzem Dusch-Container aufgestellt. Von denen hält Lange aber nicht viel. „Vernünftiges Duschen ist da nicht gegeben, das kann ich mir auch schenken“, sagt er und stellt die Hygiene in den Behelfseinrichtungen in Frage. Seit 1981 ist Lange schon Fernfahrer. Drei Jahre hat er noch bis zur Rente und ist froh, wenn er aufhören kann. „Der Verkehr wird immer schlimmer, keiner nimmt mehr Rücksicht.“

Ein paar Meter weiter steht Wolfgang Henrici. Er ist eigentlich schon lange in Rente. An diesem Abend aber fährt er das Begleitfahrzeug für einen Schwertransport. Zusammen mit seinem Kollegen macht er nach neun Stunden im Stau eine Pause und ist froh, dass sie nicht über Nacht bleiben müssen.

„Es kann doch nicht sein, dass wir von dem teuren Mist von der Tankstelle leben müssen“, ärgert Wolfgang Henrici, der zusammen mit seinem Kollegen einen Schwertransport fährt.
„Es kann doch nicht sein, dass wir von dem teuren Mist von der Tankstelle leben müssen“, ärgert Wolfgang Henrici, der zusammen mit seinem Kollegen einen Schwertransport fährt. Foto: Julian Meier

Auf dem Auflieger sitzend essen sie ihre Wurst und trinken ihren Kaffee für fast vier Euro. „Es kann doch nicht sein, dass wir von dem teuren Mist von der Tankstelle leben müssen“, ärgert er sich. „Die ausländischen Fahrer, die für ’nen Appel und ’n Ei fahren, können sich das doch nicht leisten.“

Tobias Weisser wollte eigentlich auch nicht in seinem Lkw übernachten. Doch durch den Stau hat er es nicht mehr nach Hause geschafft. Der Lkw-Fahrer aus Villingen-Schwenningen transportiert Schotter und besucht die Raststätten nur tagsüber. Dort hört er von den Kollegen nichts Gutes: „Alles ist zu. Da steht höchstens ein versifftes Dixie-Klo, was die Gefahr der Ansteckung ja noch viel mehr erhöht“, sagt er.

Auch für die Transport-Firmen sind die Probleme keine Neuigkeiten

Auch Boris Jurincic, Prokurist bei Eichelberger Transporte in Sandweier, weiß um die angespannte Situation bei seinen 28 Fahrern. „Wir haben zunehmend Probleme, unsere Jungs angemessen zu versorgen“, sagt er. „Sie versuchen, unterwegs verschiedene Gelegenheiten zu nutzen, um an warme Mahlzeiten zu kommen.“

Bei den Kunden ist es für sie durch den eingeschränkten Zutritt schwierig, in die Sozialräume zu gelangen. Dazu kommen längere Wartezeiten beim Be- oder Entladen, die weitere Verzögerungen bringen. „Wo früher drei Lkw gleichzeitig abgeladen haben, lädt heute nur noch einer nach dem anderen ab“, erklärt der Prokurist.

Vorher hat man uns teilweise mit Füßen getreten, jetzt will man uns eine Krone aufsetzen
Boris Jurincic, Prokurist

Doch für ihn ist die angespannte Stimmung nicht nur der Corona-Krise geschuldet. Er ist schon seit 25 Jahren im Logistik-Gewerbe tätig und ist enttäuscht, dass die Gesellschaft erst in der Krise auf die Lkw-Fahrer aufmerksam wird. „Vorher hat man uns teilweise mit Füßen getreten, jetzt will man uns eine Krone aufsetzen“, kritisiert er.

Grundsatzfragen, die nach der Corona-Krise wieder unter den Tisch fallen

Für ihn ist klar: Er und seine Fahrer machen schon seit Jahrzehnten die gleiche Arbeit, die Rahmenbedingungen aber werden immer schlechter. „Das hat seit Jahren niemanden interessiert. Warum würdigt man das erst jetzt?“, fragt er.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Er vergleicht die Situation mit aktuellen Diskussionen über das Pflegepersonal. „Das sind Grundsatzfragen, die durch das Coronavirus in eine andere Wahrnehmung kommen. Aber danach wird darüber nicht mehr gesprochen. Dabei geht ohne die Logistik nichts.“

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