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Aufwändige Inszenierung

„Monsteraufgabe“ für Osterfestspiele: Berliner Philharmoniker studieren „Frau ohne Schatten“ in Baden-Baden ein

Mit der „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss bieten die Berliner Philharmoniker bei den Osterfestspielen in Baden-Baden eine der schwierigsten Opern. Doch ihre wohl schwierigste Entscheidung haben sie hinter sich.

Berliner Philharmoniker mit Kirill Petrenko
Mit der „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss bieten die Berliner Philharmoniker mit Kirill Petrenko bei den Osterfestspielen 2023 in Baden-Baden eine der schwierigsten Opern. Foto: Monika Rittershaus

Schon der Komponist sprach von einem „Schmerzenskind“. Und auch weit über 100 Jahre später begleiten „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss geradezu einschüchternde Metaphern in Baden-Baden, wo diese gewaltige Oper in einer aufwändigen Inszenierung am 1. April die Osterfestspiele der Berliner Philharmoniker eröffnet.

„Eine Monsteraufgabe. Das ist Virtuosität im XL-Format. Eigentlich uninszenierbar“, sagt die Regisseurin Lydia Steier am Donnerstag im Festspielhaus bei einer Online-Pressekonferenz. „Das Stück ist eine Mammut-Herausforderung“, sagt Dirigent Kirill Petrenko.

Das ist Virtuosität im XL-Format. Eigentlich uninszenierbar.
Lydia Steier, Regisseurin

Doch gerade, weil das Werk so faszinierend und schwierig ist, können es die Berliner Philharmoniker kaum erwarten, ihre Koffer in Richtung Südwesten zu packen und in die Proben einzusteigen. „Das wird wirklich spannend“, sagt Medienvorstand Olaf Maninger, per Zoom zugeschaltet aus Berlin.

Orchester spielte die Oper zuletzt 1992

Kaum ein anderer Klangkörper trägt die Musik von Richard Strauss so sehr in seiner DNA wie die Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Berliner Philharmoniker. Doch ist das renommierte Ensemble nur bei seinen Osterfestspielen als Opernorchester zu erleben.

Daher, so vermutet Maninger, sind es nur ungefähr zehn Musiker von insgesamt knapp 130, die „Die Frau ohne Schatten“ in diesem Orchester schon interpretiert haben. Zuletzt war das 1992 unter der Leitung von Georg Solti in Salzburg, vor gut 30 Jahren also. Maninger war da noch nicht dabei. Der Cellist kam erst 1994 zum Orchester. „Damals war ich verblüfft, wie das Orchester Werke von Strauss aus dem Effeff gespielt hat.“

Für die fünf superlativen Partien braucht man die besten Stimmen.
Kirill Petrenko, Chefdirigent Berliner Philharmoniker

Kirill Petrenko wiederum ist vertraut mit dem szenisch und musikalisch sehr anspruchsvollen Werk: „Es handelt sich um eine der schwerstmöglich aufzuführenden Opern. Für die fünf superlativen Partien braucht man die besten Stimmen. Der Probenprozess ist unglaublich umfangreich.“ Noch ist er allein in Baden-Baden bei den ersten szenischen Proben mit dem Regieteam um Lydia Steier. „Ich brenne schon total darauf, meine Erfahrungen mit dem Stück dann bald auch mit meinem Orchester zu teilen“, freut sich der russische Maestro.

Petrenko distanziert sich vom russischen Angriffskrieg

Zugleich nutzt er die Gelegenheit, sich wie schon vor einem Jahr an gleicher Stelle von dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu distanzieren. Ursprünglich von Hugo von Hofmannsthal als Märchen geplant, war der Entstehungsprozess der 1919 uraufgeführten Oper „Die Frau ohne Schatten“ von den Ereignissen des Ersten Weltkriegs begleitet. Strauss kam aufgrund der Kriegswirren nur langsam voran. Der dritte Akt handelt von schweren moralischen Prüfungen.

„Wir erleben heute einen gar nicht so unähnlichen Krieg wie damals“, sagt Petrenko. „Genauso schlimm und völlig sinnlos. Wenn ich den dritten Akt betrachte, spüre ich, was Strauss und Hofmannsthal damals gespürt haben müssen, um so viel Apokalypse hineinzulegen. Ich kann das nachvollziehen.“

Die Oper handelt von einer Kaiserin aus dem Feenreich, die keinen Schatten wirft. Diesen braucht sie aber, um Kinder bekommen zu können und ihren Mann vor der Versteinerung zu retten. Sie könnte sich Schatten und Fruchtbarkeit in der Welt der Menschen an der Seite ihrer tricksenden Amme erhandeln. Doch will die Kaiserin ihr Eheglück nicht auf dem Unglück eines armen Färber-Paares bauen.

Komplexe Handlung soll Publikum nicht abschrecken

Was Lydia Steier in ihrer Deutung zeigen möchte: „Es geht um die menschliche Existenz.“ Das Publikum soll von der komplexen Handlung nicht abgeschreckt werden. Diese Herausforderung sei „terrifying und zugleich eine Riesenfreude“, so Steier.

Wien um 1900 und das Fin de Siècle bilden auch im weiteren Programm einen Schwerpunkt bei den Osterfestspielen 2023, über denen wiederum ein Schatten steht: Es sind die Drittletzten mit den Berliner Philharmonikern. Wie im Februar bekannt wurde, wechselt das Orchester 2026 zurück nach Salzburg.

Orchester hofft auf neue Chancen in Salzburg

„Für das Orchester war das eine sehr schwere Entscheidung“, sagt Olaf Maninger. „Wir fühlen uns im nun zehnten Jahr hier sehr wohl. Die mediale Aufmerksamkeit ist hier sehr groß, viel größer, als sie das je in Salzburg war.“ Dagegen habe eine „Uralt-Tradition“ gestanden, eine seit den 1960er Jahren gewachsene historische Bindung“. Nach den Zerwürfnissen, die zur Abkehr von Salzburg geführt hatten, sei das jetzt eine historische Chance, diese Festspielehe mit Salzburg fortzuführen.

„Auch unter einer künstlerischen Sinnhaftigkeit, die uns früher gefehlt hat. Aber wir gehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, so Maninger. „Wir hoffen, diese Art von Zusammentreffen, wie sie in Baden-Baden auch im Education-Programm möglich waren, auch in Salzburg weiterführen zu können.“

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