Mit einem Literaturmuseum mitten in einer vitalen, gut frequentierten Stadtbibliothek geht Baden-Baden jetzt neue Wege. „Literatur und literarische Prozesse ‘auszustellen’ ist ein schwieriges Unterfangen. Allein Bücher oder Handschriften zu zeigen, kann nicht genügen“, befindet Kuratorin Ellisabeth Cheauré vom DFG-Sonderforschungsbereich „Muße“ der Albert-Ludwig-Universität Freiburg, die mit der Stadtbibliothek kooperierte.
Daher habe man sich daran gemacht, ein Literaturmuseum neu zu denken. So entstanden 16 Räume und Bereiche, die von der Badelust berichten, von Mord und Totschlag, von der Sackgasse, in welche „Die zwölf verfluchten Jahre 1933-1945“ mündeten oder von den Autoren, die vor allem im 19. Jahrhundert zur Sommerfrische nach Baden-Baden kamen.
Die Liste reicht von Alexandre Dumas, Honoré de Balzac und Victor Hugo über Clemens Brentano und Alfred Döblin bis zu Iwan Turgenjew. Der Kontakt zum Freiburger Forschungsbereich „Muße“ kam bereits vor rund zehn Jahren zustande. Als die Freiburger vor drei Jahren ein ähnliches Projekt über Turgenjew im Stadtmuseum realisierten, war das gewissermaßen schon eine Probe für das Konzept für die Stadtbibliothek.
Erstes Gedenkzimmer in den 1960ern
Ein klein wenig Museumsflair hat es bereits seit den 1960er Jahren in der Stadtbibliothek gegeben. Als das Haus den literarischen Nachlass von Otto Flake übernahm, entstand ein erstes Gedenkzimmer. Doch Exponate und Räume dieser Art erweisen sich längst nicht mehr als zeitgemäß. Ab sofort kann man in der Stadtbibliothek Literaturgeschichte erleben, indem man regelrecht einsteigt in die Bücher.
Zwischen Bildwänden, Schüben, die der Besucher nach eigenem Wunsch zu öffnen vermag um den Inhalt zu entdecken, und überdimensionalen Buchseiten stehen auch der „Schreib-Kachelofen“ von Reinhold Schneider und der eindrucksvolle Originalsessel von Otto Flake.
Ob man hier ein wenig verweilt, die dort bereitliegenden Werke dieses Baden-Badener Autos zur Hand nimmt und in seinem Sitzmöbel zu schmökern beginnt oder einfach weitergeht um sich zu erkundigen, was Mark Twain hier getan hat – im Grunde, sagt Cheauré, sei das Museum ein begehbares Buch, dessen Kapitel man für sich entdecken könne. Das Tempo bestimmt jeder selbst, ist die Leiterin der Stadtbibliothek Sigrid Münch begeistert. Die interaktiven Elemente sollen den Gang durch die literaturwissenschaftlichen Epochen zu einem entspannten Vergnügen machen.
In die Historie eintauchen
„Man kann Frau Münch für ihren Mut gar nicht genug Bewunderung aussprechen“, beglückwünscht die Freiburger Projektleiterin Cheauré die Hausherrin. Denn auf diese Weise wurde rund die Hälfte mehr an Ausstellungsfläche gewonnen. Und die zweite Kuratorin Regine Nohejl verweist darauf, dass man in Freiburg auch kleine animierte Filme geschaffen habe, um insbesondere junge Leute zu interessieren.
Wenn etwa der Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Gerhard Durlacher, der in Baden-Baden geboren wurde, literarisch auf seine Schuljahre als Fünf- bis Achtjähriger zurückblickt, dann hat man für den kleinen Film einen Erzähler gewählt, der dieser Altersgruppe zugehörig ist. Es ist also ganz viel, womit man einlädt. in die reiche Historie einzutauchen.
Service
Eröffnung am Sonntag, 10. Oktober, 11 Uhr in der Trinkhalle. Danach Programm in der Stadtbibliothek, u.a. Entdeckung des Muße-Literaturmuseum zwischen 14 und 17 Uhr mit dem eigenen Smartphone oder bereitgestellten Tablets. Auf dem Programm stehen auch Kurzvorträge und Führungen. Für die jüngeren Besucher gibt es um 14, 15 und 16 Uhr Bilderbuchaktionen und Vorleseangebote. Infos unter www.baden-baden.de/stadtbibliothek.