Klimawandel und Krisen – an Herausforderungen mangelt es derzeit wahrlich nicht. Kammerpräsident Joachim Wohlfeil schreibt dem Handwerk eine zentrale Rolle bei deren Bewältigung zu, etwa bei der Energiewende: Bis 2030 würden alleine sechs Millionen Wärmepumpen benötigt, die in den nächsten Jahren alte Gas- und Ölheizungen ersetzen sollen.
„Insbesondere die Energieversorgung muss noch schneller umgestellt werden, um unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden“, sagte er am Dienstagabend beim traditionellen Neujahrsempfang des Kammerbezirks Karlsruhe. Er fand nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause erstmals wieder im Kurhaus Baden-Baden statt.
Große Aufgaben und immer weniger Fachkräfte
Hinzu kämen weitere Aufgaben wie der Erhalt und Ausbau von Infrastruktur und Wohnungen. Dies könne nur gelingen, „wenn dem Handwerk ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und ein reger Nachschub an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährleistet ist“, so Wohlfeil.
Die in das Erwerbsleben einsteigenden, geburtenschwachen Jahrgänge könnten die Lücke bei weitem nicht ausgleichen, die durch das Ausscheiden der 1960er Jahrgänge zunehmend entstehe.
Wohlfeil sieht den Trend zur Akademisierung nach wie vor kritisch, er entziehe der beruflichen Bildung Potenzial. Während es Ende der 90er Jahre 1,8 Millionen Studierende gegeben habe, seien es rund 20 Jahre später bereits 2,9 Millionen – obwohl die Zahl der Schulabgänger sinke.
Die berufliche Bildung in Deutschland sei systematisch schlechter gestellt und werde nicht gleichwertig unterstützt. „Wenn wir hier nicht endlich umdenken und gegensteuern, dann werden Betriebe nur deshalb schließen müssen, weil es nicht genügend Fachkräfte gibt“, so der HWK-Präsident.
Belastung durch Energiekrise und Sozialabgaben
Die Rahmenbedingungen seien seit Corona belastend wie selten, und durch den Beginn des Ukraine-Kriegs sei noch einmal eine völlig neue Dimension hinzugekommen. Quer über alle Gewerke hinweg stünden Lebensleistungen auf dem Spiel.
Die Politik habe gerade zu Beginn der Corona-Krise Mittelstand und Handwerk nicht ausreichend auf dem Schirm gehabt, beklagte Wohlfeil. „Ich bin froh, dass wir inzwischen auf allen Ebenen eine Wahrnehmung unserer spezifischen Nöte erzielen konnten“, sagte er mit Blick auf die nunmehr beschlossenen Preisbremsen. Dennoch würden die Preise auch künftig immer noch um ein Vielfaches höher sein.
Zudem stiegen die Belastungen durch die Sozialabgaben. Mit den Erhöhungen bei Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung oder Pflegeversicherung würden die Lohnnebenkosten im nächsten Jahr erstmals seit 2012 wieder die 40-Prozent-Marke reißen – ein für das Handwerk „unhaltbarer Zustand“. Wohlfeil forderte die Politik auf, strukturelle Reformen anzugehen. Denn die Finanzierung der sozialen Sicherung durch den Faktor Arbeit belaste das personalintensive Handwerk über Maßen.
Zuversicht beim Bildungszentrum der Handwerkskammer Karlsruhe
Positiv sei, dass auch das Bildungszentrum der Handwerkskammer unter den monetären Abwehrschirm der Preisbremsen falle. In punkto Neubau stehe in den nächsten Monaten die Abwicklung des Grundstückskaufes bevor. „Wir gehen mit Zuversicht die nächsten Schritte an“, so Wohlfeil.
Gedanken der Zuversicht brachte auch die Gastrednerin vom Rheingold-Institut aus Köln mit. Die Diplom-Psychologin Birgit Langebartels, Leiterin des Bereichs Gender & Generation des Markt- und Medienforschungsinstituts, zeigte angesichts der skizzierten Krisen Wege auf, um aus schwierigen Situationen zu lernen und positive Schlüsse zu ziehen.
Etwa, sich nicht zurückzuziehen, sondern nach außen zu gehen, Präsenz zu zeigen und Selbstwirksamkeit zu erleben. Bereichernde Gedanken, die mehrere hundert Gäste aus dem Benazet-Saal des Kurhauses mit nach Hause nahmen.