Zunächst schien es nur ein Gerücht zu sein, das sich hartnäckig hielt. Mancher Baden-Badener Mitbürger glaubte aber noch, um einen unterirdischen Höhlensee zu wissen.
Mitten in der Altstadt, in der Nähe des Marktplatzes, unter dem früheren Jesuitenkloster, sollte er liegen. So etwas ließe sich doch kaum übersehen oder gar vergessen?
Vor allem nicht, weil darüber schon viele Jahrzehnte die Stadtverwaltung residiert. In den 90er-Jahren schickte man sich deshalb an, diesem unglaublichen Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Das, so weiß Stadtarchivarin Dagmar Rumpf, ist wohl längst nicht das einzige Geheimnis, das irgendwo unter oder gar im Rathaus im Verborgenen liegt und auf Entdeckung oder eine neue Blüte wartet.
Die verschollenen Bäder der Jesuiten etwa, Fragmente einer früheren Barockkirche oder auch eine gänzlich im Untergrund verschwundene Treppe, die einst in Fels gehauen wurde, um den Keller vom Rathaus-Innenhof zugänglich zu machen. Aber ein ganzer See?
Stadtarchivarin engagierte sich bei der Nachforschung
Die damalige Stadtarchivarin Ingrid Lauck engagierte sich und war wohl – genau wie Feuerwehrmann Richard Wagner – eine der Ersten, die der Sache im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund gingen. Sie ging auf Entdeckungstour und er war der Mann an der Front, als es ums Auspumpen ging.
Denn die Suche war erfolgreich. Man hatte im Untergeschoss eine dicke Wand ausgemacht, die mit einem fast quadratischen Schacht versehen war. Gerade groß genug, dass ein Mensch hindurchpasste. Zugänglich war er nicht.
Eine eiserne Tür nährte jedoch die Hoffnung, dass man hier richtig lag. Also schritt man zur Tat, ohne wirklich zu wissen, was den Entdecker am Ende des versperrten Schachts erwarten würde.
Was man dort fand, gibt weitere Rätsel auf. Weder ein Zu- noch ein Ablauf konnten entdeckt werden, auch keine Silberlinge oder andere Schätze. Stattdessen gab es zwei kleine, rund vier Meter tiefe Seen mit glasklarem, stets 18 Grad kaltem Wasser.
Seen füllen sich von selbst mit Trinkwasser
Erkennbar war außerdem, dass man hier einst Mühlräder aus dem Fels geschlagen hat. Als man diesen Ort aufgab, blieb das ein oder andere unfertige Stück zurück. Und es ruht dort bis heute.
Von den Pumpaktivitäten zeigte sich das ungewöhnliche Gewässer offenbar reichlich unbeeindruckt. Langsam begann es, sich wieder zu füllen. Mit Trinkwasser, so ergaben die Analysen. Und das sickert offenbar von der Oberfläche durch. Wie und auf welchem Weg ist unbekannt.
Allerdings tröpfelt es nach starken Regengüssen in der Höhle und hält die Seen offenbar stets auf gleichem Wasserstandsniveau. Über ihre felsigen Ufer treten sie nicht.
Fels könnte zur Fertigung von Mühlsteinen abgebaut worden sein
Doch wie entstand dieser kleine Steinbruch und warum liegt er unter der Erdoberfläche verborgen, an einem Ort, an dem die Jesuiten wirkten? Stadtarchivarin Dagmar Rumpf hat hierzu eine eigene Theorie entwickelt und weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass einst dicke Balken im Fels befestigt waren. Welchen Zweck sie erfüllten, das ist unbekannt.
Die Stadtarchivarin nimmt an, dass Jesuitenkolleg und Freihof erst in einer späteren Epoche errichtet wurden. Wenn dem so ist, datiert der Steinbruch aus der Zeit vor 1670. In dieser Zeit sah das Umfeld dort noch gänzlich anders aus. Viel weniger und vor allem andere Gebäude gab es damals.
Das zeigt wiederum, dass der Abbau von Fels zum Fertigen von Mühlsteinen, die entlang der Oos und der Stadtmauer reichlich Einsatz fanden, nicht wirklich ungewöhnlich gewesen wäre. Eine gewisse Dauerfeuchtigkeit, die dort herrscht, mag die Arbeit erleichtert haben.
Belegt ist bislang keine Theorie zur Entstehung der Seen in Baden-Baden
Denn das Sickerwasser, welches vom Berg in Richtung Tal strömt, lässt sich nicht aufhalten. Das erkannten später auch die Jesuiten, die – so lässt sich ihren Dokumentationen entnehmen – in ihren Kellern offenbar Probleme mit der Lebensmittellagerung hatten.
All das sollte ich erst viel später ändern. Doch das ist ein anderes Geheimnis, das unter dem Rathaus schlummert.
Nur bewiesen ist in Sachen Entstehung der beiden kleinen Seen nichts. Fest steht nur, dass das Wasser gut gefiltert und somit trinkbar ist. Der langjährige ehemalige Pressesprecher der Stadt, Roland Seiter, musste dies mehrfach medienwirksam nach der Wiederentdeckung beweisen. Glas eintunken, füllen und … Prost!
Das Gewässer kann während der Öffnungszeiten des Bürgerbüros durch eine Scheibe betrachtet werden.
„Geheimnisvolle Orte“ in und um Baden-Baden gesucht
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