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200 Jahre Kurhaus Baden-Baden

Weinbrenner wollte keine Tipps von Weimars Großherzog

Das Kurhaus wird 200 Jahre alt. Es steht geradezu symbolisch für den Aufschwung Baden-Badens zur mondänen Kurstadt. Mit Friedrich Weinbrenner wurde 1821 der führende Architekt Badens beauftragt. Er griff modernste Tendenzen der Architektur auf.

Villa Badoer
Ein Vorbild für Kurhäuser: Die Villa Badoer in Fratta im venetischen Polesine ist ein Werk des berühmten italienischen Renaissance-Architekten Andrea Palladio. Sie entstand zwischen 1556 und 1563 und gehört zum Weltkulturerbe. Foto: Ulrich Coenen

Das nicht erhaltene Wiesbadener Kurhaus ist das Vorbild für das Kurhaus in Baden-Baden. Von großer Bedeutung für das 1810 eröffnete Wiesbadener Kurhaus ist der berühmte Renaissance-Architekt Andrea Palladio. Seine architekturtheoretischen Schriften beeinflussten die Gestaltung des Gebäudes.

Palladio behandelt in seinem zweiten Buch über Architektur Villen unter verschiedenen Gesichtspunkten. Der Typus des Landhauses mit geraden und gebogenen Seitenflügeln und Eckpavillons findet sich hier in mehreren Varianten. Auch der überhöhte tempelartige Mittelbau (Portikus) gehört zum Programm der meisten Beispiele.

Musterhaft für das ursprüngliche Konzept des Wiesbadener Kurhauses mit gebogenen Seitenflügeln waren offensichtlich die Villen Badoer, Trissino, Thiene und Mocenico. Diesen Typus griff bereits Heinrich Gentz für das in Folge 3 erwähnte Schießhaus in Weimar auf, das erheblichen Einfluss auf Christian Zais, den Architekten des Wiesbadener Kurhauses, hatte.

Mal wieder Palladio als Ideengeber

Während der Ausarbeitung des endgültigen Entwurfs entschied sich Zais aber für gerade Seitenflügeln. Auch diesen Typus beschreibt Palladio in seinem zweiten Buch. Die wesentlichen Anregungen erhielt Zais offensichtlich durch die Villa Badoer in Fratta im venetischen Polesine mit ihren gebogenen Seitenflügeln, die sich in einem außergewöhnlich guten Erhaltungszustand befindet.

Auf diese Weise standen nicht allein die Idealpläne im zweiten Buch Palladios, sondern auch das Bauwerk selbst als Vorbild zur Verfügung. Zais projizierte die Fassade der Villa Badoer in die Ebene.

Das wichtigste Bauvorhaben des frühen 19. Jahrhunderts in Wiesbaden hatte erhebliche Auswirkungen auf Baden-Baden. Ein knappes Jahrzehnt nach der Erweiterung des Promenadehauses und dem Umbau des säkularisierten Jesuitenklosters zum Konversationshaus (ab 1810) reichten diese beiden Provisorien für die ständig wachsende Zahl der Gäste und deren gestiegene Erwartungen in Baden-Baden nicht mehr.

Die Konkurrenz des neuen Wiesbadener Kurhauses setzte die badische Regierung zusätzlich unter Druck.

Königliche Hoheit macht Druck

Am 11. September 1821 gab sie bekannt: „Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben gnädigst zu resolvieren geruht, dass das Conversationshaus (also das umgebaute Jesuitenkolleg) dahier verkauft und ein neues dem Zweck mehr entsprechendes Gebäude und zwar in Verbindung mit dem bereits bestehenden Promenadehaus erbaut werden soll.

Dieses Kur- oder Konversationshaus soll das Lesekabinett, das Hazardspiel, eine Restauration und Table d´hôte und das Theater an sich enthalten und zugleich ein schönes Local für Bälle für Privatgesellschaften, Cammerspiele darbiethen, überhaupt aber einen schönen und bequemen Vergnügungspunkt bilden, der so sehr vermisst wird, und in welcher Beziehung Baden vis à vis von anderen Bädern in Deutschland weit zurücksteht.“

Erster Entwurf Friedrich Weinbrenners für das Konversationshaus. (GLA Karlsruhe G Baupläne Baden-Baden 63)
Drei Entwürfe gibt es: Diese Reproduktion zeigt den ersten Entwurf Friedrich Weinbrenners im Generallandesarchiv Karlsruhe für das Kurhaus in Baden-Baden. Der Plan für das damals Konversationshaus genannte Gebäude entstand 1821. Foto: GLA Karlsruhe G Baupläne Baden-Baden 63

Bereits im Sommer 1821 fertigte Weinbrenner einen ersten Entwurf. Dieser zeigt schon den großen zentralen Saalbau, der in dieser Form das Erscheinungsbild des 1822 bis 1824 ausgeführten Konversationshauses (so wurde das Kurhaus ursprünglich genannt) bestimmt.

Im Norden und Süden wird er von Eckpavillons (das neue Theater und das bestehende Promenadehaus) flankiert. Zwischen diesen drei großen Baukörpern befinden sich kurze eingeschossige Verbindungstrakte mit Spielzimmern.

Kein Tempel wie in Wiesbaden

Der große Saal im Zentrum, der alle anderen Räume des Kurhauses im Hinblick auf ihre Dimensionen deutlich übertrifft, hat eine querrechteckige Grundrissgestalt. Vor seine der Stadt zugewandten Ostseite tritt eine Säulenvorhalle. Acht korinthische Säulen tragen den ein Walmdach. Von einem Tempelmotiv wie in Wiesbaden gibt es also in Baden-Baden keine Spur.

Die Fassade des barocken Promenadehauses wird im Hinblick auf die Symmetrie der Gesamtanlage überarbeitet und dem neuen Theater angepasst. Wie sparsam die Badener waren, erkennt man daran, dass dieser Altbau erhalten bleiben sollte.

Ähnlich wie in Wiesbaden war auch der Bau des Baden-Badener Konversationshauses ein heftig diskutiertes Thema. Anlässlich eines Kuraufenthalts in Baden-Baden mischte sich Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach in diese Debatte ein.

Nachdem das Weimarer Schloss und das dortige Schießhaus, die beide unter seiner Bauherrschaft entstanden, erheblichen Einfluss auf die Planung in Wiesbaden hatten, kommt seinen Argumenten besondere Bedeutung zu. Carl August empfahl, das Konversationshaus aus städtebaulichen Gründen nach Süden zu verschieben.

Weinbrenner berichtet am 2. August 1821 über den Besuch des Großherzogs auf dem Baugelände, wies dessen Vorschläge aber ebenso freundlich wie entschieden zurück.

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