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Wenig Hoffnung auf Lockerungen

Trotz Lockdown kein Stillstand: Philharmonie Baden-Baden spielt auch ohne Publikum

Trotz des aktuell geltenden Lockdowns kommt die Philharmonie Baden-Baden zusammen. Für viele Musiker hat das nicht nur eine große künstlerische Bedeutung, sondern auch eine fundamental wirtschaftliche. 

Die Philharmonie mit dem Nachwuchsdirigenten Jascha von der Golz.
Für die großen Werke der Konzertliteratur benötigten die Dirigentenschüler das große Orchester. Foto: Karl-Heinz-Fischer

So manch einer wollte in der vergangenen Woche seinen Ohren nicht recht trauen, wenn er am Weinbrennersaal des Kurhauses vorbei ging: Da waren doch tatsächlich Orchesterklänge zu hören. Und richtig, drinnen war die Philharmonie zu Gange.

Gewichtige Werke für große Orchesterbesetzung wurden gespielt, Sätze aus der 5. und der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven, aus der 1. und 3. Sinfonie von Johannes Brahms, gewaltige Werke von Robert Schumann, Peter Tschaikowsky oder auch von Sergej Prokofjew.

Des Rätsels Lösung: Die Philharmonie spielt zwar ohne Publikum, aber trotzdem nicht nur aus Spaß an der Freud‘: Seit Jahresbeginn fand vergangene Woche bereits der vierte Meisterkurs für Nachwuchsdirigenten statt, selbstverständlich unter Einhaltung der Corona-Regeln und mit behördlicher Genehmigung.

Lange Pausen beeinträchtigen Zusammenspiel des Orchesters

Nach drei Kursen in kleinerer Orchesterbesetzung mit jungen Dirigenten von der Musikhochschule Mannheim hatte die Musikhochschule Zürich für die Meisterklasse von Johannes Schläfli ein großes Orchester geordert, damit sich die Dirigier-Studenten auch an den ganz großen Werken der Konzertliteratur abarbeiten konnten. Das tut nicht nur den Studenten gut, sondern auch den Musikern der Philharmonie.

„Für die Musiker ist das außerordentlich wichtig“, erklärt Orchestermanager Arndt Joosten, „denn längere Pausen ohne gemeinsames Musizieren beeinträchtigen das Zusammenspiel des Orchesters schon in sehr kurzer Zeit.“ Das habe sich schon im Sommer gezeigt, als der erste Lockdown langsam gelockert wurde und erste Auftritte in kleinen Ensembles wieder möglich wurden. Da habe man bei den Proben deutlich länger als sonst gebraucht, um wieder zu der gewohnten Präzision und zu dem homogenen Klang zurück zu kommen.

Doch nicht nur die Dirigierkurse sorgen dafür, dass das Zusammenspiel der Musiker der Philharmonie nicht einrostet, auch an einer neuen CD, die demnächst aufgenommen werden soll, wird hart gearbeitet. Musik, die selten zu hören ist, wird sie enthalten, unter anderem drei Stücke von Egon Gabler, aufwendige Werke, für die ein großes Orchester nötig ist. Für viele Musiker der Philharmonie hat das nicht nur eine große künstlerische Bedeutung, sondern auch eine fundamental wirtschaftliche.

Denn längst nicht alle, die man in den Konzerten der Philharmonie regelmäßig auf der Bühne sieht, haben auch eine Festanstellung und erhalten derzeit wenigstens Kurzarbeitergeld. Viele sind freiberufliche Musiker, die zwar regelmäßig im Orchester mitspielen, aber nur je nach Bedarf für jedes Konzert einzeln engagiert werden. Zumindest einige von ihnen kommen jetzt bei der CD-Produktion und bei den Dirigentenkursen zum Zug.

Orchestermanager blickt pessimistisch in die Zukunft

Aber letztendlich sind all diese Aktivitäten nur ein Notbehelf: Ein Musiker braucht einfach sein Publikum. Aber da sieht es vorerst noch ziemlich mau aus. Vertragsgemäß stehen in nächster Zeit eine ganze Reihe von Gastspielen der Philharmonie im In- und Ausland an. Arndt Joosten will sie zwar erst dann absagen, wenn es gar nicht mehr anders geht, aber eigentlich blickt er alles andere als optimistisch in die Zukunft.

Ich verfolge die politischen Entscheidungen zu Corona ganz leidenschaftslos.
Arndt Joosten, Orchestermanager

„Ich verfolge die politischen Entscheidungen zu Corona ganz leidenschaftslos“, sagt er und man spürt dabei ein großes Maß an Defätismus. Die vielen Ungereimtheiten dieser Regelungen würden zwar wahrscheinlich schon bald dazu führen, dass die meisten Beschränkungen fallen werden, aber den Kulturschaffenden aller Sparten werde das so schnell noch nichts nutzen.

„Wir werden die letzten sein, die wieder halbwegs normal arbeiten dürfen“, fürchtet Joosten mit Blick auf die schwache Lobby der Kulturbranche, der es kaum gelingt, sich bei den Politikern Gehör zu verschaffen, geschweige denn Druck aufzubauen, wie das anderen Wirtschaftszweigen möglich ist.

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