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Kontrolle von 30.000 Bäumen

Unterwegs mit dem Baum-Experten: Wie geht es den Bäumen in Baden-Baden?

Die Mitarbeiter des Baden-Badener Gartenbauamts nehmen regelmäßig ihre 30.000 Schützlinge akribisch unter die Lupe: die Bäume in Baden-Baden. Andernfalls kann es auch gefährlich werden.

Kleiner Einblick in die Tiefe: Klaus-Dieter Just sticht mit einem Sondierstab in den Wurzelbereich.   Fotos: Franz Vollmer
Kleiner Einblick in die Tiefe: Klaus-Dieter Just sticht mit einem Sondierstab in den Wurzelbereich. Foto: Franz Vollmer

Nummer 3.760 ist tapfer. Geduldig geradezu. Und die Scharlacheiche schreit nicht mal auf, obwohl Klaus-Dieter Just ziemlich tief in ihren Eingeweiden herumstochert. Als ginge es zur Akupunktur, stößt er den 80 Zentimeter langen Sondierstab in den Wurzelbereich – in der Hoffnung (oder auch nicht), etwaige Hohlräume aufzuspüren.

„Ich schaue mir zuerst den Anlauf an, danach klopfe ich den Baum ab“, erklärt der zertifizierte Baumkontrolleur vom Gartenamt Baden-Baden. Momente später packt er ein handliches Gummihämmerchen aus und klopft mit Spechtes Eifer den Baumfuß ab, ob nicht ein verdächtiger heller Sound erklingt, der auf Fäulnis oder Hohlraum schließen ließe, was beides nicht gut für die Standsicherheit des 20 Meter hohen Oschis auf dem ehemaligen Landesgartenschau-Gelände am Hungerberg wäre.

Und wenn man schon dabei ist, wird auch gleich noch Efeu mit weggemacht. „Eine Schwächung am Wurzelhals hat immer Auswirkungen auf die Statik“, so Just.

30.000 Bäume sind im Kataster in Baden-Baden erfasst

30.000 Bäume sind in dem seit Mitte der 80er-Jahre erstellten Kataster der Stadt erfasst, das Pensum von Just sind konkret 12.000. Sie erfahren in regelmäßigen Intervallen eine Art Check-up durch den Gärtnermeister, der sich seit 2006 um den Zustand der Bäume kümmert. Zwei Kollegen teilen sich den Rest.

Etwas Stirnrunzeln bereitet ihm eine schwarze Auswucherung zwischen zwei Fußläufen. Ein Pilzfruchtkörper, der aber nicht aggressiver Natur und von langsamem Wachstum sei. Maßgabe hier: Weiter beobachten. Mit Tablet, Hammer, Rebschere, Baumhippe, Klappsäge und Eisenstab geht er von der Krone über den Stamm und bis zur Wurzel alles durch.

Oberste Priorität bei der Sichtkontrolle hat die Gefahrenabwendung, sprich die Verkehrssicherheit. Gretchenfrage dabei immer: Was ist unverzüglich zu korrigieren, was kann noch ein paar Wochen warten oder gar ein halbes Jahr? „Das hat natürlich alles haftungsrechtliche Hintergründe. Letztlich geht es um die Frage, wurde richtig bewertet“, erklärt Traugott Bräuninger, Abteilungsleitung Pflege im Fachgebiet Park und Garten.

Standort und Alter spielen bei der Kontroll-Häufigkeit eine Rolle

Die exakte Taktung der Sichtung, die zwischen einem und drei Jahren schwanken kann, hängt von mehreren Faktoren ab: Angefangen beim Standort und allgemeinen Gefahrenpotenzial, also der Frage, ob der Baum alleine an einem vielbelaufenen Gehweg oder in einem unzugänglichen Bestand steht, wo maximal ein streunender Hund hinkommt und die Gefahr beim Umkippen marginal ist.

Je nach dem, wie viele Menschen von einem Astbruch des Gehölzes betroffen wären, wird der Baum eingestuft. Weiteres wichtiges Kriterium ist natürlich das Alter, das sich ebenfalls auf die Häufigkeit der Untersuchung auswirkt. Nicht ganz unwesentlich ist natürlich die Baumart, von denen es stattlicherweise immerhin 500 verschiedene gibt. So tritt eine langlebige Eiche erst ab 80 Jahre wirklich in die Altersphase. Birken sind meist etwas kurzlebiger. Optik und Ästhetik spielen jedenfalls nur untergeordnete Kriterien.

Düster, aber vorerst noch unbedenklich: Baumpilz an einem Baumfuß.
Düster, aber vorerst noch unbedenklich: Baumpilz an einem Baumfuß. Foto: Franz Vollmer

Zwischen fünf und 15 Minuten verwendet der Experte in der Regel auf einen Baum. Der ist mit klarer Adresse hinterlegt (GA 11100 3760), wobei die ersten Ziffern und Zahlen die Geländenummer, also quasi die Straße, die letzten Ziffern die „Hausnummer“ darstellen.

Die Ergebnisse und Daten selbst hält Just dann auf einem digitalen Formular im Tablet fest: Name des Prüfers, Datum, aber auch die Beurteilung der jeweiligen Vitalität, die in fünf Stufen von leichten Einbußen über schwach beziehungsweise stark geschädigt bis abgestorben reicht – mit der obligatorischen Fällung als Ultima Ratio. Je nach Bedarf wird am Ende dann eine konkrete Pflegemaßnahme empfohlen.

Die Kontrolle macht maximal ein Viertel der Arbeit aus.
Traugott Bräuninger, Abteilungsleitung Pflege

Beobachtet wird nicht zuletzt die Entwicklung größerer Wunden im sensiblen Außenbereich etwa nach Astbruch. Wo sind dunkle Stellen? Wie bildet sich der Schwulst bei Wunden über fünf Zentimeter Durchmesser, die bekanntlich nicht mehr zuwachsen? Trug man früher noch Schutzwachs auf, vertraut man inzwischen den Selbstheilungskräften.

Aufschlussreich sind aber auch helle Stellen, die das Wachstum indizieren, indem die Rinde zellulär ausbricht und fast wie ein Marmorkuchen aussieht. Einfacher ist die Totholzbeseitigung, die bis zu sechs Monate Zeit hat, per Kletterseil oder Arbeitsbühne. Handlungsbedarf herrscht aber erst ab drei Zentimeter Stärke, von bleistiftstarken Zweigen werde man kaum erschlagen, so Just.

Alles in allem eigentlich ein schöner Beruf, so mit offenen Augen durch die Baumwelt zu schreiten, was man in der Freizeit nur schlecht ablegen könne. „Die eigentliche Kontrolle macht aber maximal ein Viertel der Arbeit aus“, gesteht Bräuninger, der Rest ist Verwaltung.

Just wendet sich dem nächsten Kandidaten zu, einer Traubeneiche, die, obwohl betagt, wenig Macken aufweist. Welches Alter sie wohl hat? 120, tippen die Experten. Kurzer Blick ins Tablet ergibt Baujahr 1900. Ein leichtes Schmunzeln huscht beiden übers Gesicht. Aufatmen aber auch bei Nummer 3760. Sie hat für heute ihre Ruhe.

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