Die Tafelläden in Baden-Baden und Gaggenau werden für mehrere Wochen schließen. Die Verantwortlichen wollen damit die jeweils rund 100 ehrenamtlichen Helfer, von denen der größte Teil älter als 70 ist, vor einer möglichen Infizierung mit dem Coronavirus schützen. Rund 1.000 Berechtigte, die auf Sozialleistungen angewiesen sind oder am Existenzminimum leben, haben dann keine Möglichkeit mehr, sich mit Lebensmitteln zu stark reduzierten Preisen zu versorgen.
Die sich weiter ausbreitende Coronavirus-Pandemie trifft jetzt auch den Tafelladen des Caritas-Verbandes Baden-Baden im Stadtteil Lichtental. Die Einrichtung wird von Mittwoch, 18. März, bis voraussichtlich Freitag, 3. April, geschlossen bleiben. Nach jetzigem Stand und wenn es die Lage dann zulassen wird, soll das Angebot für Bedürftige ab Montag, 6. April, den Einkaufsberechtigten wieder zur Verfügung stehen.
Viele ehrenamtliche Helfer in Corona-Risikogruppe
„Wir wollen unsere ehrenamtlichen Helfer schützen“, begründet Lorenz Hettel, Leiter des Tafelladens, im Gespräch mit unserer Redaktion, diesen Schritt.
Die meisten der etwa 100 Freiwilligen, die den Betrieb am Laufen hielten, seien älter als 70 Jahre und gehörten damit zur Risikogruppe, die große Vorsicht im Umgang mit anderen Menschen walten lassen müsse. „Für diese Menschen haben wir eine besondere Verantwortung“, erläutert Hettel.
Ein weiterer Grund für die bevorstehende Schließung ist der zurückgehende Waren-Eingang. Nach Auskunft des Tafel-Leiters hat dies aber nichts mit den Hamsterkäufen in den Supermärkten zu tun. „Diese Produkte wie etwa Toilettenpapier, die die Menschen jetzt horten, spielen in unserem Sortiment so gut wie keine Rolle“, betont Hettel.
Die Tafel sei zwar auf Waren angewiesen, die der Einzelhandel spende und die der Laden im Caritaszentrum Cäcilienberg am Brahmsplatz zu stark reduzierten Preisen an Bedürftige weitergebe. Dabei handele es sich aber vor allem um Frischwaren wie Gemüse und Obst. Und da nehme der benötigte Nachschub deutlich ab.
Hettel nennt als Beispiel Lidl. Die Tafel habe bislang viele Lebensmittel von dem Discounter erhalten. Seit einiger Zeit vermarkte Lidl jedoch Obst und Gemüse vom Vortag selbst zu reduzierten Preisen. Zudem hat der Aldi-Markt in der Schwarzwaldstraße angekündigt, das Geschäft wegen des Umbaus der Filiale ab Ostern bis zum Ende des Jahres zu schließen. "Von dort haben wir bislang die meisten Waren erhalten“, berichtet Hettel.
Die Zukunft des Real-Markts ist ungewiss
Und was mit dem Real-Markt bei Sinzheim passieren werde, wüssten derzeit nicht einmal dessen Mitarbeiter, meint der Tafelladen-Chef und verweist auf die ungewisse Zukunft dieses Supermarktes. Unterm Strich seien das alles schlechte Voraussetzungen, um den Tafel-Laden weiterzuführen. „Woher sollen wir denn unsere Waren künftig bekommen?“, fragt Hettel.
Rund 1.000 Menschen sind berechtigt, in der Tafel einzukaufen. Die Kunden sind Bürger, die auf Sozialleistungen angewiesen sind oder die am Existenz-Minimum leben. Hettel zufolge sind das überwiegend Rentner. Alle Berechtigten erhalten eine spezielle Kundenkarte. Nach Auskunft der Caritas gibt die Tafel Lebensmittel, die nicht mehr in den regulären Verkauf können, an diese Menschen für zehn bis 20 Prozent des üblichen Preises ab.
„In der Regel kaufen 200 bis 300 Familien pro Woche bei uns ein“, erklärt Hettel. Das heißt: Die Tafel unterstütze damit 800 bis 1.000 Bürger aus dem Stadtgebiet und Sinzheim. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sei diese Zahl deutlich gesunken und liege aktuell bei 100 bis 150 Kunden.
„Die Schließung trifft diese Menschen natürlich sehr hart“, betont Hettel. Die Entscheidung sei den Verantwortlichen keineswegs leicht gefallen. Der Schutz der ehrenamtlichen Helfer habe in der aktuellen Situation aber Priorität. Wenn ein Großteil erkranke und langfristig ausfalle, sei die Existenz des Tafelladens auf Dauer gefährdet.
Wir leben hier echte IntegrationLorenz Hettel, Leiter des Tafelladens Baden-Baden
Neben der Versorgung von Bedürftigen mit Lebensmitteln habe der Tafelladen eine weitere wichtige Funktion. „Wir leben hier echte Integration“, bekräftigt der Leiter mit Blick darauf, dass die Freiwilligen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen sowie aus 16 verschiedenen Nationen kommen.
Auch der Tafelladen in Gaggenau ist seit Dienstag, 17. März geschlossen. Nach Auskunft der Leitung sind 80 Prozent der etwa 70 Helfer im Rentenalter. Die Verantwortlichen hoffen auf möglichst baldige Wiedereröffnung.
Tafel in Rastatt bleibt auf
Im Unterschied zu Baden-Baden bleibt der Tafelladen in der Nachbarstadt Rastatt weiter geöffnet. „Wir wollen den Betrieb aufrecht erhalten, so lange es geht“, sagt Geschäftsführer Torsten Weber. Es sei den rund 80 ehrenamtlichen Helfern, von denen die Hälfte älter als 60 sei, überlassen zu kommen oder lieber zu Hause zu bleiben. Viele hätten sich jedoch bereit erklärt, sich trotz der Coronavirus-Pandemie weiter zu engagieren.
Die Einrichtung, die fünf Tage pro Woche geöffnet ist, werde schließen, wenn es den Freiwilligen nicht mehr zuzumuten sei. Weber zufolge wird der Laden dann auf „Sparflamme“ zurückfahren und Aufgaben wie Tüten packen erledigen.