Es war ein bisschen wie vor dem Virus. Die Pailletten funkelten im Scheinwerferlicht, grüppchenweise defilierten Olympiasieger, Weltmeister und Altvordere über den Roten Teppich, der im Baden-Badener Kurhaus eigentlich grün ist.
Sogar zwei regionale Tennisfans hatten sich als Zaungäste an die Absperrung gewagt, um einen Blick auf Alexander Zverev zu erhaschen. Oder auf Sophia Thomalla, seine neue „Doppelpartnerin“.
Die Masken als dauerhaftes Mund-Nasen-Accessoire, die äußerst penible Einlasskontrolle und die im Vergleich deutlich luftigere Bestuhlung im schmucken Bénazet-Saal waren indes unübersehbares Indiz, dass die Proklamation der „Sportler des Jahres“ an diesem vierten Advent Teil der 2G-plus-Welt war.
Damit war die 75. Ehrung ihrer Art auch ein kleiner Vorgeschmack auf den nahenden Weihnachtsabend: Die Sportler-Gala war das oft zitierte „Familienfest des deutschen Sports“. Aber nicht alle durften kommen.
Malaika Mihambo in Baden-Baden zur „Sportlerin des Jahres“ gekürt
Rund 270 Gäste – darunter 48 Medaillengewinner der Olympischen Spiele von Tokio – waren letztlich geladen. Auf die LED-getunte Bühne schafften es traditionell nur die Besten der Besten. Malaika Mihambo beispielsweise. Frisch gestärkt – kredenzt wurden Thunfischcarpaccio und Rindertafelspitz – schritt die 27-Jährige die sieben Treppenstufen hinauf. Wie bei ihrem Satz auf den Olymp, als die Weitspringerin mit maximaler Dramatik auf exakt 7,00 Meter in den olympischen Sand gesegelt war.
Gold in Tokio war am Sonntag gleichbedeutend mit der Kür zur „Sportlerin des Jahres“. Zum dritten Mal nacheinander übrigens. „Das ist der Wahnsinn“, sagte die 27-jährige Weitsprungkönigin, die sich nach goldener Robe 2019 und mintfarbenem Tüll im Vorjahr, als die Veranstaltung pandemiebedingt mehr sterile TV-Sendung denn feierliche Gala war, für ein taupefarbenes Kleid mit Silberschimmer entschieden hatte.
„Du bist ein Vorbild für uns alle“, würdigte Elena Semechin, Para-Athletin des Jahres, die Leistungen der stets reflektierten Heidelbergerin, die sich über eine Ukulele als Präsent freuen konnte.
2021 war das bis dato erfolgreichste Jahr für Alexander Zverev
Mini-Gitarren sind nicht so das Ding von Alexander Zverev. Der Tennisschläger liegt dem neuen „Sportler des Jahres“ deutlich näher. „Ich bin extrem glücklich“, sagte der akkurat gegelte 1,98-Meter-Schlaks, „vor allem in dieser schwierigen Zeit“.
Vier Siege auf der Tour, das herausragende Turnier in Tokio, für das der 24-Jährige die Goldmedaille umgehängt bekam, der erneute Sieg bei den ATP-Finals und als Krönung die Titelpremiere im Baden-Badener Kurhaus – 2021 war das bis dato erfolgreichste Jahr in der Karriere des Hamburgers.
„Mannschaft des Jahres“ wird das Bahnrad-Quartett
Beispiellos dominant war indes die Leistung von Lisa Brennauer, Franziska Brauße, Mieke Kröger und Lisa Klein bei den Spielen in Tokio. Als Bahnrad-Vierer brachten sie die Planken aus sibirischer Fichte im olympischen Holzoval zum Glühen. Drei Mal innerhalb von nur 24 Stunden fuhr das Quartett Weltrekord – und am Ende zur Goldmedaille.
„Das war natürlich Wahnsinn. Auch für uns“, sagte Brennauer stellvertretend für ihre Kolleginnen der „Mannschaft des Jahres“. Laudatorin Kristina Vogel, selbst Bahnrad-Legende, freute sich aus tiefstem Herzen, dass das „deutsche Flaggschiff zurück auf dem Olymp“ ist.
Mihambo, Zverev und das vergoldete Bahnrad-Quartett – keine Frage, alle Preisträger taugen zum Vorbild. Das gilt in besonderem Maß auch für Ronald Rauhe. Der meinungsstarke Doppelolympiasieger im Ruhestand wurde mit dem Sparkassen-Preis ausgezeichnet. Zum bereits 30. Mal wurde diese Ehrung einem Vorbild des Sports zuteil.
Noch vor der TV-Übertragung, die zum bereits 15. Mal in Folge vom dynamischen Dauer-Duo Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne moderiert und ab 22.15 Uhr zeitversetzt im ZDF ausgestrahlt wurde, stand Annett Kaufmann im Fokus. Das erst 15 Jahre alte Tischtennis-Talent wurde als „Newcomerin des Jahres“ geehrt. Deutlich länger im Geschäft sind indes Sabine Tschäge (Rudern) und Jörg Roßkpof (Tischtennis), die sich über die Auszeichnung als Trainerin beziehungsweise Trainer des Jahres freuen durften.
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